Kommentar
08:47 Uhr, 03.02.2014

Welthandel vor dem Comeback?

Etwas unbemerkt im Schatten der Finanzkrise platzte an ganz anderer Stelle eine Blase riesigen Ausmaßes. Während der Neue Markt um die Jahrtausendwende knapp 80% verlor und Bankenindizes in 2008 und 2009 um 85% einbrachen, brachte es ein anderer Index auf einen Verlust von 94%.

Das Sorgenkind

Die Finanzkrise war mitnichten eine auf den Bankensektor isolierte Krise. Auch wenn die Krise meist als Finanzkrise betitelt wird, war sie ebenso eine der schwersten Wirtschaftskrisen überhaupt. Viele Volkswirtschaften schrumpften innerhalb kurzer Zeit um 3, 4, 5% oder mehr. Besonders betraf diese gravierende Kontraktion den Welthandel. Dieser brach schlagartig ein. Da ein Großteil der Güter über Schiffe transportiert wird, betraf der Einbruch Reedereien ganz besonders. Einerseits wurde weniger transportiert, anderseits brachen die Frachtraten massiv ein (dargestellt über den Baltic Dry Index).

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Grund für den extremen Rückgang der Raten war die hohe Überkapazität. Es gab zu viele Schiffe für zu wenig Ware. Das Angebot übertraf die Nachfrage deutlich. Ein solches Ungleichgewicht kann nur zu einem starken Rückgang bei den Raten führen. Und das tat es. Der Baltic Dry Index, der die Frachtraten für Schiffe, die Trockenschuttgüter transportieren, darstellt, fiel ins Bodenlose. Der Index markierte ein Hoch bei ca. 12.000 Punkten. Der Tiefpunkt wurde bei ca. 660 Punkten markiert. Die darauffolgende Erholung bis 4.500 war nur von kurzer Dauer. 2012 erreichte der Index erneut das Tief bei 660 Punkten. Seit Anfang 2013 steigt der BDI ziemlich dynamisch an. Anfang 2014 gibt der Index wieder nach. Nicht zuletzt die Sorgen um Chinas Wachstum drücken auf die Raten. Ist damit der Aufschwung des Welthandels wieder vorbei oder besteht doch die Chance auf einen langfristigen Boden?

Überkapazität ohne Ende

Bevor die Blase platzte führten die stark steigenden Frachtraten ab 2002 zu einem wahren Boom in der Schifffahrtsbranche, der den Höhepunkt 2008 hatte. Als Reederei konnte man sich eine goldene Nase verdienen. Weil das nicht genug war, wollten viele Reeder über die Vergrößerung ihrer Flotte überproportional an den steigenden Raten partizipieren. Das zeigt die Entwicklung der neuen Schiffsorders der Werften ganz deutlich.

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Bis 2002 wurden pro Jahr selten über 50 Mio. dwt bestellt. Dwt ist die Abkürzung für dead weight tons, was das Maximalgewicht ist, welches Schiffe tragen können. Dazu gehört neben der Ladung auch alles weitere wie z.B. Treibstoff. Die Entwicklung des Orderbuchs zeigt sehr schön den Verlauf der Blase. Der Höhepunkt des Odervolumens war 2007. In diesem Jahr kam es bereits zu einem ersten Absturz der Raten, die sich dann aber bis Anfang 2008 nochmals erholten. Der Einbruch 2009 wurde zunächst schnell wieder weggesteckt. Nach 2010 wurde dann allerdings klar, dass sich der Handel nicht so schnell wieder erholen würde wie 2009 angenommen. Zudem musste der Markt auch erst einmal die ausgelieferten Schiffe noch verkraften.

Die Grafik oben zeigt lediglich die neuen Orders pro Jahr. Diese kamen zu den bestehenden Orders hinzu. Das Gesamtorderbuch ist nicht ganz so volatil und zeichnet den Verlauf der Blase noch schöner nach. Seit dem Höhepunkt 2009 hat sich das Gesamtorderbuch um ca. 60% reduziert. Da wundert es auch nicht, dass viele Werften derzeit Probleme haben. Es wurden die Kapazitäten ausgebaut, um das hohe Ordervolumen überhaupt annähernd bewältigen zu können. Wie sich dann schnell herausstellte, brauchte die Produktionskapazität niemand. Nicht zuletzt deshalb hat sich nach 2008 in der Schifffinanzierung eine ziemliche Masse an faulen Krediten angesammelt. Sowohl Werften als auch Reedereien haben auf Kredit expandiert. Reedereien bestellen nun weniger Schiffe, sodass die Werften die Kapazität nicht brauchen und somit auch keinen Cash Flow aus ihren Investitionen generieren.

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Reedereien wiederum sitzen auf ihren Bestellungen, die sie nicht mehr stornieren konnten und haben teils überhöhte Preise für Schiffe bezahlt (auf Kredit versteht sich), deren Kapazität sie nun ebenfalls nicht benötigen. Und um noch eins draufzusetzen: das Ordervolumen stand so gut wie in keinem Verhältnis mehr zur bestehenden Gesamtflotte. Die nächste Grafik zeigt die Entwicklung der weltweiten Schiffsflotte in 1.000 dwt. Bis 2002 war das Wachstum relativ moderat. Es oszillierte zwischen 2 und 4% (World yoy, rechte Achse). Ab 2003 wurde die Anzahl neuer Orders stark ausgeweitet. Das zeigt sich ab 2004 mit einiger Verzögerung wegen der benötigten Bauzeiten. 2013 erreicht die Gesamtflotte nun eine dwt Kapazität von etwas über 1.600 Mio Tonnen. Das allein ist schon eine enorm hohe Zahl. Vergleicht man das nun mit dem Orderbuch im Jahr 2009 erahnt man die Übertreibung.

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In 2009 betrug das Volumen des Orderbuchs über 550 Mio. dwt bei einer bestehenden Kapazität 1.100 Mio. dwt. Lässt man sich das mal auf der Zunge zergehen kann man nur zu dem Schluss kommen, dass das blanker Wahnsinn war. Wegen zahlreicher Stornierungen und Insolvenzen kam es letztlich nie zu einer so großen Ausweitung der Kapazität. Nichtsdestotrotz zeigt der Vergleich von Wachstumsraten im weltweiten Handel und des Wachstums der Flottenkapazität eine klare Divergenz ab 2007. Zudem beziehen sich die Wachstumsraten auf den Gesamthandel, nicht nur den Handel mit Gütern, die per Schiff transportiert werden. Viele Güter werden ja auch nicht mit dem Schiff transportiert, sondern LKW, Bahn etc.

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Besteht Hoffnung für Reedereien?

Wenn eine Blase platzt, dann ist die Abwärtsbewegung meist ebenso übertrieben wie die vorausgegangene Aufwärtsbewegung. Das zeigt schon allein der Baltic Dry Index, der nach dem Tief 2009 erst einmal „zurückschnappte.“ Die aktuelle Aufwärtsbewegung vom Doppeltief bei ca. 660 Punkten ist auch wieder sehr dynamisch. Da stellt sich sofort die Frage, ob das überhaupt nachhaltig sein kann.

Die Frage ist nicht so trivial wie sie scheint. Die Stabilisierung der Frachtraten hängt von vielen Faktoren ab. Nicht zuletzt die Entwicklung des Welthandels spielt hier eine große Rolle. Der zweite absolut bestimmende Faktor ist das Angebot. Das Volumen neuer Orders und auch das Volumen des Gesamtorderbuchs zeigen an, dass sich der Markt stark abgekühlt hat und nicht mehr unbegrenzt neue Schiffe auf den Markt drängen. Die Gesamtflotte wächst dennoch munter weiter.

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Das Flottenwachstum sollte sich allerdings in den kommenden Jahren weiter abschwächen. Einerseits werden weniger Schiffe gebaut, anderseits werden alte Schiffe in einem Tempo verschrottet wie wir es noch nicht gesehen haben. Allein 2012 wurden 60 Mio. dwt vom Markt genommen. Für 2013 stehen die Zahlen noch nicht endgültig fest. Der Trend dürfte sich aber nochmals beschleunigt haben. Zum Halbjahr wurden bereits 45 Mio. dwt verschrottet. Das baut zumindest den Überhang etwas ab. Das Wachstum der Gesamtflotte sollte sich wieder auf einen normalen Wert um 3,5% reduzieren. Die Verschrottung hat allerdings auch einen Nebeneffekt. Das Durchschnittliche Alter der Flotte sinkt. 2007 betrug es knapp 35 Jahre und ist inzwischen auf 28 Jahre gesunken. Das ist bereits wieder im Durschnitt der Jahre vor der Blase. Das ist per se kein Problem. Es kann aber langfristig das Angebot beeinträchtigen. Reedereien werden kaum ein gerade gebautes Schiff verschrotten. Sinkt das Durchschnittsalter weiter im aktuellen Tempo, dann ist damit zu rechnen, dass in 2 Jahren die Zahl zu verschrottender dwt rapide sinkt. Ist dieser Punkt erreicht, dann werden keine dwt mehr vom Markt genommen, es kommen aber immer noch viele neue dwt hinzu. Man sollte also nicht davon ausgehen, dass das Angebot an Kapazität sinkt oder sich noch deutlicher verlangsamt. Viele Schiffe sind bereits bestellt, werden gebaut und ausgeliefert. Von einer Verknappung an Kapazität würde ich nicht ausgehen. Das wiederum bedeutet, dass Frachtraten nicht massiv ansteigen werden, solange nicht eine Knappheit herrscht.

Es deutet dennoch vieles auf einen Boden hin. Wieso das so ist und wie man als Anleger davon noch profitieren kann, ist Inhalt des zweiten Teils des Artikels. Bis dahin begleite ich das Thema auf meinem Desktop (http://go.guidants.com/#c/clemens_schmale) und stelle bereits jetzt einige Unternehmen vor, die Kaufkandidaten sein könnten.

Beste Grüße

Clemens Schmale

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  • Protheus
    Protheus

    Ausgezeichneter Artikel, vielen Dank!

    15:19 Uhr, 03.02.2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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