Fundamentale Nachricht
10:09 Uhr, 15.10.2019

Welche Aussichten sich Anlegern in Asien bieten

Die Wirtschaft in Hongkong leidet nach Einschätzung der DJE Kapital AG stark unter den seit Wochen andauernden Protesten.

Pullach im Isartal (GodmodeTrader.de) – Seit vielen Jahren reisen wir unter anderem im September nach Asien, konkret: nach Hongkong/Macau und Festlandchina. Auch 2019 waren wir wieder vor Ort. Während die erste Woche geprägt war von Unternehmensbesuchen in Hongkong und Macau sowie einem Besuch der zur Provinz Guangdong gehörenden Sonderverwaltungszone Henqin Island, stand in der zweiten Woche das „CLSA Investor Forum“ auf der Agenda – eine der größten und wichtigsten Investmentkonferenzen des asiatisch-pazifischen Raums, wie Jan Ehrhardt, Mitglied des Vorstands und Stefan Breintner, stellvertretender Leiter Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG, im „Fokus Asien“ schreiben.

„Insgesamt hatten wir so die Gelegenheit, nicht nur die größten Unternehmen Asiens wie den chinesischen Internetkonzern Tencent oder den taiwanesischen Chiphersteller Taiwan Semiconductor zu treffen, sondern auch ausgewählte Experten. Unter anderem sprachen wir mit dem ehemaligen australischen Premierminister Kevin Rudd, Ex-US-Außenminister John Kerry oder dem US-amerikanischen Meinungsforscher und Politikberater Frank Luntz über die weitere Entwicklung des Handelskrieges zwischen den USA und China sowie über die aktuelle Situation der US-Politik und den bevorstehenden Wahlkampf für die Präsidenschaftswahl 2020“, so Ehrhardt und Breintner.

Dominierendes Thema in Hongkong seien die inzwischen seit nun 15 Wochen andauernden Proteste. Die anfangs friedlichen Demonstrationen seien mehr und mehr von gewalttätigen Auseinandersetzungen überschattet worden. Im chinesischen Staatsfernsehen überwögen bei der Berichterstattung aus Hongkong dabei Bilder bzw. Szenen gewalttätiger Ausschreitungen. Dies habe dazu geführt, dass die Anzahl chinesischer Festland-Touristen seit Juli/August massiv zurückgegangen sei. Hiervon belastet seien vor allem Bereiche wie Hotel- und Gaststättengewerbe, Einzelhandel und Fluglinien. Hotelbetreiber berichteten in Gesprächen von zuletzt nur 20 bis 30 Prozent Auslastung. Betreiber von Einkaufszentren oder Einzelhändler fürchteten Umsatzeinbußen, heißt es weiter.

„Demzufolge leidet die Wirtschaft in Hongkong stark unter dem Rückgang der Touristenzahlen. Gerade der Absatz von zum Beispiel Luxusgütern, Babymilchpulver oder Kosmetik hängt stark von der Anzahl an Touristen ab. Einige Restaurants mussten bereits schließen – und erste Mitarbeiter in Hotels werden entlassen oder in unbezahlten Urlaub geschickt. Am Immobilienmarkt sind viele Teilnehmer in einer Schockstarre. Es finden kaum Transaktionen am Sekundärmarkt statt“, so Ehrhardt und Breintner.

Der Primärmarkt hingegen funktioniere weiter gut, da die Entwickler zehn Prozent Abschlag auf neue Wohnungen anböten und es weiterhin genug lokale Käufer gebe. Der Büromarkt halte sich bislang auch noch gut. Die Vermieter bzw. Betreiber von Einzelhandelsimmobilien verglichen die aktuelle Situation hingegen mit SARS (Vogelgrippe) im Jahr 2003. Die Wahrscheinlichkeit weiterer Preisrückgänge im Immobilienbereich sei demzufolge gegeben. Es dürfte aktuell trotz hohem Abschlag der notierten Immobilienfirmen noch zu früh sein, um erneut in den Bereich zu investieren, heißt es weiter.

„Mittelfristig sollte sich die Lage wieder bessern, da die Proteste – auch aufgrund des wirtschaftlichen Drucks – in der Bevölkerung Hongkongs langsam weniger Rückhalt finden. Jedoch wird es auch bei einer Beruhigung der Lage länger dauern, bis die chinesischen Touristen zurückkehren“, so Ehrhardt und Breintner.

Macau scheine sich aktuell eindeutig besser als Hongkong zu entwickeln. Bis ca. Mitte August sei die Anzahl der Macau-Touristen um 15 bis 20 Prozent gestiegen. In der zweiten August-Hälfte sei es dann aber auch zu einem Rückgang gekommen, vor allem bedingt durch die zeitweilige Schließung des Flughafens in Hongkong. Die Anzahl chinesischer Touristen, die Hongkong und Macau zusammen bereisten, habe vor ca. vier bis fünf Jahren noch bei 30 bis 40 Prozent gelegen. Heute dagegen seien dies nur noch zehn Prozent, heißt es weiter.

„Aufgrund der massiv verbesserten Infrastruktur kann Macau heute viel einfacher erreicht werden, und man muss nicht mehr über Hongkong anreisen. Die Infrastruktur rund um Macau wird sich auch in naher Zukunft weiter verbessern. Der fortschreitende Ausbau der an Macau grenzenden Insel Henquin als Messe- und Tagungszentrum sollte das Wachstum ab 2020 weiter begünstigen. Bei den Casino-Konzernen läuft der „Mass-Market“ weiter sehr gut, während das Geschäft mit den so genannten VIP-Spielern schwächelt. Die chinesische Regierung wird viel daran setzen, dass Macau eine Erfolgsstory bleiben wird. Chinesische Touristen lieben vor allem Sicherheit, chinesisches Essen und Service in chinesischer Sprache sowie ein breites Spektrum an Einkaufs- und Freizeitangeboten“, so Ehrhardt und Breintner.

Besser als Hongkong entwickle sich derzeit auch die Wirtschaft auf dem chinesischen Festland. Viele der getroffenen Unternehmen würden von einer verbesserten Auftragslage seit Juli berichten. „Unser Eindruck war, dass die Konjunktursituation vor Ort besser als allgemein erwartet ist. Vor allem Unternehmen, die beim Aufbau des neuen chinesischen 5G-Netzes involviert sind, stehen derzeit vor guten Geschäftsperspektiven. China treibt den Ausbau des neuen Mobilfunkstandards massiv voran und möchte zum Beispiel im nächsten Jahr mehr als zwei Millionen neue Basisstationen installieren. Die Aussage ‚5G is China’s answer to (mitigate) trade war‘ hörten wir öfter“, so Ehrhardt und Breintner.

Trotz der negativen Effekte aus dem Handelskrieg, die das chinesische GDP-Wachstum voraussichtlich um 30 bis 100 Basispunkte schmälern, sei die heutige Situation deutlich besser als im Jahr 2015. Damals seien in China Unternehmensgewinne gefallen, Immobilienpreise und die Währung deutlich. Der wichtigste negative Effekt sei aktuell die mit dem Handelskonflikt verbundene Unsicherheit. Hauptrisiken für die Wirtschaft blieben aber primär ein fallender Immobilienmarkt und Kapitalflucht. Beides sehe man aktuell nicht. Demzufolge könnte die chinesische Wirtschaft im Falle einer anhaltend expansiven Fiskalpolitik und einer (temporären) Einigung im Handelsstreit 2020 positiv überraschen, heißt es weiter.

„Eine Einigung bzw. ein Kompromiss im Handelskrieg erscheint im Laufe des 4. Quartals 2019 nicht ausgeschlossen. US-Präsident Trump scheint im Hinblick auf seine angestrebte Wiederwahl in 2020 eine schwache US-Wirtschaft bzw. eine (leichte) Rezession auf jeden Fall vermeiden zu wollen. Denn seit 1912 wurde nur ein einziger US-Präsident, Calvin Coolidge 1924, in einer Rezessionsphase wiedergewählt. Demzufolge stehen die Chancen auf eine temporäre Einigung heute deutlich besser als noch vor einem Jahr. Ein Teil der Lösung könnte sein, dass China deutlich mehr US-Agrar- und Ölprodukte kauft und so sein Handelsbilanzdefizit mit den USA verringert. Eine temporäre Einigung könnte vor allem zyklische bzw. Value Aktien aus Sektoren wie Chemie, Industrie oder Rohstoffe begünstigen, oder auch exportabhängige Märkte wie Deutschland wieder stärker in den Fokus rücken“, so Ehrhardt und Breintner.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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