Wege der Besserung: Indien und China
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Während die COVID-19-Pandemie zwar abklingt, nach wie vor aber viele Volkswirtschaften rund um die Welt belastet, haben die politischen Entscheidungsträger in Indien und China – den beiden größten Märkten der Welt nach der Bevölkerungszahl – im vergangenen Jahr wichtige Struktur- und politische Reformen verabschiedet. Gleichwohl Indien gerade besonders wieder getroffen ist von der Pandemie, lohnt sich ein Blick auf die strukturellen und langfristig gegebenen Potentiale beider Wirtschaftstreiber in Asien.
Beide Länder, in denen jeweils mehr als 1,3 Milliarden Menschen leben, konzentrieren sich auf unterschiedliche Wachstumsbereiche – die sich möglicherweise ergänzen: China auf Binnenkonsum sowie technologischen Fortschritt. Indien auf einen Ausbau seiner Produktionskapazitäten, wodurch es in der Lage sein könnte, die globale Produktionslücke zu füllen, die China durch seinen Aufstieg auf der Wertschöpfungskette hinterlässt. Beide achten bei ihrem Wachstum zunehmend auf nachhaltige Entwicklung.
Für Aktieninvestoren, die bei der Titelauswahl einen Bottom-up-Ansatz verfolgen, ergeben sich daraus Chancen. Dazu wollen wir uns diese beiden Volkswirtschaften aber einmal genauer anschauen.
Indien: richtige Voraussetzungen für Aufschwung geschaffen
Die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen ist nach wie vor so wichtig wie schwierig. Aber mit dem Beginn der dritten Phase für Menschen ab 18 seit 1. Mai 2021* macht das Land allmählich Fortschritte beim Impfen. Wir sind der Meinung, dass weniger strenge regionale Lockdowns statt einschneidender landesweiter Lockdowns, das allmähliche Impfen der Erwerbsbevölkerung und ein besser vorbereiteter formeller Sektor die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der zweiten Welle begrenzen könnten. Eine Erholung der Unternehmensgewinne auf mittlere Sicht ist unserer Überzeugung nach immer noch wahrscheinlich.
Die geplanten Strukturreformen beim Arbeitsrecht und der Agrarproduktion sowie die entstehende Dynamik durch verschiedene Produktionsanreize könnten zu einer mittelfristigen Ankurbelung des Wachstums beitragen. Vor allem das gestiegene Privatisierungstempo dürfte das Steueraufkommen erhöhen – während die neuen Maßnahmen bei Binnenlogistik, Industrieproduktion, E-Commerce und Einzelhandel eine Verlagerung der indischen Erwerbsbevölkerung von der unproduktiven Landwirtschaft hin zur produktiveren Produktions- und Dienstleistungstätigkeit unterstützen.
China: Auf Reformkurs – mit „Carbonomics“ als Maßstab für Wachstum
Geläufig ist: Chinas Wirtschaft hat die Pandemie gut überstanden. Die „zwei Sitzungen“ des Nationalen Volkskongresses, bei denen vor Kurzem der 14. Fünfjahresplan bekannt gegeben wurde, brachten willkommene Klarheit über den Kurs der Politik. Die Strategie der „zwei Wirtschaftskreisläufe“, mit der die Abhängigkeit von ausländischen Märkten reduziert werden soll, dürfte den Binnenkonsum und die wirtschaftliche Selbstständigkeit stärken – und ausländische Kapitalzuflüsse anregen. Dies könnte Forschung und Entwicklung sowie Investitionen beschleunigen und China helfen, seine Wirtschaft allmählich von Basisindustrien zu einer innovationsbasierten Wirtschaft umzubauen.
Innovation und Reformen werden eine wichtige Rolle dabei spielen, dass China sein Ziel der CO2-Neutralität bis 2060 (und Reduzierung seiner CO2-Emissionen ab 2030) erreicht. Da „Carbonomics“ jetzt der neue Maßstab für Chinas Wachstum wird, könnte dies durch den CO2-Handel und Investitionen in die Erzeugung erneuerbarer Energie wie Solar- und Windenergie sowie in Elektrofahrzeuge erfolgen.
Millennial-Mentalität mit ESG-Fokus
Zusammengenommen lebt in China und Indien zudem fast ein Drittel der weltweiten Millennial-Generation, die als die einflussreichste Verbrauchergruppe der Welt gilt. Obwohl die Entwicklungszyklen in den beiden Ländern unterschiedlich sind, rechnen wir damit, dass das Konsumverhalten, die Präferenzen und die Prioritäten der Millennials im kommenden Jahrzehnt zur wirtschaftlichen Transformation in China und Indien beitragen werden.
Ein Thema, das bei vielen Millennials obersten Stellenwert hat, ist Nachhaltigkeit. Wir erkennen zahlreiche Chancen, die sich durch den gestiegenen Fokus auf Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungs(ESG)-Faktoren ergeben.
In China treiben ESG-Kriterien die Entwicklung von Marktmechanismen für die Preisbestimmung von CO2 und die stärkere Akzeptanz alternativer und erneuerbarer Energiequellen voran. Die Verfügbarkeit der von chinesischen Unternehmen offengelegten ESG-Informationen ist zwar nicht so vielfältig wie in Industrieländern – doch die Entwicklung der Kapitalmärkte und die stärkere institutionelle Beteiligung drängen Unternehmen zu mehr Transparenz und einem effizienteren Ressourceneinsatz. Technologischer Fortschritt führt unserer Ansicht nach zu einer Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz und zur Förderung und höheren Akzeptanz von alternativen Energien. Dazu zählen Solarenergie und Elektrofahrzeuge, in allen Wirtschaftszweigen und Haushalten.
Indien hat nationale Ziele eingeführt, um bis 2050 CO2-neutral zu werden und bis 2030 60 % der installierten Kraftwerksleistung durch saubere Energie zu erzeugen. Zudem werden Maßnahmen ergriffen, um ESG-Praktiken und die Offenlegung von ESG-Daten zu verbessern. Vorreiter bei der ESG-Kampagne waren viele Unternehmen, die langfristige Ziele für ihre Netto-CO2-Emissionen ankündigten.
Chancen, Risiken – und Bewertung
Globale Finanzinstitute, Pensionsfonds, Stiftungen und andere Großanleger investieren heute generell weniger in Schwellenländeraktien als in Aktien aus Industrieländern. Zugleich: Wenn sich die Gewinnwachstumsdynamik bei Schwellenländerunternehmen verbessert, rechnen wir mit mehr Kapitalzuflüssen in die Anlageklasse der Schwellenländeraktien, gerade weil die Bewertungen derzeit attraktiv sind.
- In China bleibt die höhere Verschuldung der Unternehmen, die dieses Jahr bereits zu einer Marktkorrektur beigetragen hat, ein Risiko, das beobachtet werden muss. Wir halten die Fundamentaldaten jedoch nach wie vor für stark und gehen davon aus, dass das Gewinnwachstum – und nicht die Stimmung – die Märkte von jetzt an bestimmen wird. Was potenzielle geopolitische Risiken angeht, sind wir der Ansicht, dass Anleger das Beste hoffen, sich aber auf Marktstörungen einstellen sollten.
- Indiens Wirtschaft scheint auf dem Weg der Besserung. Das reale BIP dürfte sich in den nächsten zwölf Monaten erholen, nachdem es in dem Jahr bis Ende März wie erwartet um 7,5 % geschrumpft ist. Auf mittlere Sicht schätzen wir die Entwicklung des Gewinnwachstums in Indien positiv ein. Erneute COVID-19-Ausbrüche stellen auf kurze Sicht das größte Risiko dar, gefolgt von einer nachlassenden Dynamik bei den Wirtschaftsreformen.
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