Kommentar
09:29 Uhr, 31.05.2022

Was, wenn der Fed die weiche Landung gelingt?

Gerade noch wurden Aktien wie heiße Kartoffeln fallengelassen, jetzt wird gekauft als gäbe es kein Morgen mehr. Der Auslöser der Rally erscheint klar, doch was ist davon zu halten?

Manchmal kann man als Anleger nur verwundert den Kopf schütteln. Gerade noch hatten alle Angst, dass die Inflation uns alle überrollt, die Fed den Leitzins massiv erhöht und eine Rezession unausweichlich ist. Nun denkt der Markt ganz anders. Plötzlich wird die Hoffnung geschöpft, dass doch alles nicht so schlimm wird. Anlass zur Hoffnung gab die US-Notenbank selbst. Zwar wird sie die Zinsen weiterhin um 50 Basispunkte erhöhen (zumindest bei den nächsten zwei Entscheiden im Juni und Juli), doch danach könnte die Zinswende sehr viel langsamer vonstattengehen oder gar pausieren. Damit wird eine weiche Landung der Wirtschaft wahrscheinlicher. Das erklärt, weshalb Anleger seit vergangener Woche bei Aktien zugreifen. Das Protokoll der letzten Notenbanksitzung nahm Anlegern die Zinsangst. Bisher betonte die Fed den Kampf gegen die Inflation. Jetzt wird sie weich und achtet wieder mehr auf Wachstum und Arbeitsmarkt. Die Angst, dass sie die Wirtschaft zur Inflationsbekämpfung abwürgt, erscheint nun unbegründet.

Eine weiche Landung klingt gut. Wächst die Wirtschaft weiter, gibt es für Aktien keinen Grund, weiter zu fallen. Ich gehe nicht davon aus, dass der Bärenmarkt bereits beendet ist (dazu mehr in einem anderen Artikel). Hier soll es aber um das Szenario einer erfolgreichen, weichen Landung gehen.

Die Notenbank gewichtete Arbeitsmarkt und Wachstum schon einmal höher als die Inflation. Der Trend begann in den 60er Jahren und eskalierte in den 70ern. Die Folge der halbherzigen Inflationsbekämpfung war ein Aktienmarkt, der ein Jahrzehnt lang bei hoher Inflation seitwärts tendierte (Grafik 1).


Obwohl die Inflationsbekämpfung halbherzig war, genauso wie sie sich auch jetzt plötzlich andeutet, kam es zu mehreren Bärenmärkten und Rezessionen. Eine Rezession muss es im Vergleich zu damals nicht unbedingt geben, wenn eine weiche Landung angestrebt wird, da die Arbeitslosigkeit heute auf anderem Niveau ist (sehr viel tiefer).

Das Problem der wenig überzeugenden Inflationsbekämpfung unter Fed-Präsident Arthur Burns in den 70er Jahren war eine sich immer weiter zuspitzende Lage. Am Ende wurde das unausweichliche nur hinausgezögert. Das Unausweichliche wurde von Paul Volcker umgesetzt.

Kurz gesagt, wenn die Fed jetzt halbherzig vorgeht, droht lediglich eine Wiederholung des Fehlers von damals und Inflation bleibt uns das ganze Jahrzehnt erhalten. Für den Aktienmarkt ist das, was auf den ersten Blick positiv klingt, alles andere als gut. Zudem ähnelt der aktuelle Trend nicht etwa dem aus 1980 bis 1982, dem letzten Bärenmarkt dieser Periode (Grafik 2), sondern vielmehr dem ersten und zweiten Bärenmarkt (Grafiken 3 und 4).


Es ist zu befürchten, dass eine weiche Landung kurzfristig weniger, dafür langfristig mehr Schmerz bedeutet. Die Fed sagt zwar selbst, dass hohe Inflation für die Wirtschaft nicht nachhaltig ist, doch sie agiert nicht entsprechend. Hohe Inflation führte zu einem Aktienmarkt, der über 10 Jahre seitwärts tendierte und nach Abzug der Inflation um über 40 % fiel (Grafik 5).


Eine weiche Landung durch halbherzige Inflationsbekämpfung ist weniger positiv als es klingt. Kurzfristig hilft diese Aussicht dem Markt. Persönlich gehe ich jedoch nicht davon aus, dass eine weiche Landung gelingt. Anzeichen dafür gibt es viele. Stellt die Fed zudem im September fest, dass die Inflation doch noch hoch ist, sehen die Prioritäten anders aus. Die jüngsten Äußerungen schließen eine Geldpolitik wie von Paul Volcker nicht aus.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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