Kommentar
09:12 Uhr, 02.06.2021

Was bedeutet der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik für den Aktienmarkt?

Der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik kommt. Einige Notenbanken haben bereits damit begonnen, andere bereiten Schritte vor. Worauf müssen sich Anleger einstellen?

Eine straffere Geldpolitik wird mit höheren Zinsen assoziiert. Höhere Zinsen wiederum sollen den Aktienmarkt belasten. Je höher die Zinsen sind, desto eher haben Anleger Alternativen zu Aktien und das drückt die Kurse. Beides sind weit verbreitete Argumente und beide sind nicht unbedingt korrekt. Als die US-Notenbank aus dem dritten QE-Programm nach der Finanzkrise ausstieg, stiegen die Zinsen nicht, sie fielen. Bevor es dazu kam, gab es jedoch ein "Taper Tantrum". Die Angst vor dem Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik führte dazu, dass die Zinsen (gemessen an der Rendite 10-jähriger Anleihen) von 1,5 % auf 2,7 % stiegen. Das war 2013. Etwas ähnliches haben wir auch in diesem Jahr erlebt. Die Zinsen stiegen von 0,6 % auf 1,7 %. Seit einigen Wochen steigt der Zins nicht mehr, obwohl der Ausstieg aus QE unweigerlich näherkommt. Stattdessen scheint der Markt eine Wiederholung des letzten Ausstiegs vorzubereiten. Die Angst führt erst zu steigenden Zinsen, der eigentliche Ausstieg zu fallenden.

In den USA fielen die Zinsen mit dem Ausstiegsplan auf ein neues Tief im Jahr 2016. Den Aktienmarkt hat das alles nur minimal geschadet (Grafik 1). Weder die steigenden Zinsen 2013 haben den Markt in die Knie gezwungen noch ein Ende der Anleihekäufe.


Das bedeutet nicht, dass der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik überhaupt keine Folgen hat. Die Fed führte insgesamt drei QE-Programme nach der Finanzkrise durch. Immer dann, wenn eines beendet wurde, korrigierte der Markt oder lief seitwärts (Grafik 2).

Ein Rückgang an überschüssiger Liquidität hat Folgen, vor allem, was die Risikofreude der Anleger anbelangt. Solange die Notenbank interveniert, fühlen sich Anleger abgesichert. Es gibt keinen Grund an fallende Kurse zu glauben. Fällt dieses Sicherheitsnetz weg, verhält es sich anders.

Aktuell kommt der erschwerende Umstand hinzu, dass der Markt hoch bewertet ist. Die Bewertung wird sich mit einem Rebound der Unternehmensgewinne bis Jahresende relativieren. Ein KGV von 45 ist aber, egal wie man es dreht und wendet, hoch. Überraschend ist, dass QE und die Bewertung des Marktes nur vage korreliert sind (Grafik 3).


Eine weniger lockere Geldpolitik führt nicht automatisch zu einer niedrigeren Bewertung. Ebenso führt QE nicht zwangsweise zu einem höheren KGV. Unterm Strich überschätzen Anleger den realen Effekt einer Änderung der Geldpolitik auf den Aktienmarkt. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle, um klare Gesetzmäßigkeiten festzustellen.

Was man aber sagen kann: Eine Reduktion bzw. der Ausstieg von QE führt kurzfristig zu höherer Unsicherheit, höherer Volatilität und temporären Rücksetzern.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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