Kommentar
07:48 Uhr, 02.11.2020

Warum viele Wirtschaftsdaten einen falschen Eindruck vermitteln

Die meisten haben es inzwischen mitbekommen: Der Konsum boomt. Die Ausgaben sind über dem Vorkrisenniveau. Wem das komisch vorkommt, hat recht.

Der Konsum hat einen stattlichen Rebound hinter sich. Seit einigen Monaten können wir Monat für Monat den Medien entnehmen, dass der Konsum gegenüber dem Vorjahr nun im positiven Bereich liegt. Nicht nur das, der Konsum liegt über dem Niveau direkt vor Ausbruch der Coronakrise.

Das erweckt den Anschein, dass alles wieder in Ordnung ist. In den meisten Wirtschaftsräumen macht der Konsum 60-70 % der Wirtschaftsleistung aus. Wenn nun wieder so viel konsumiert wird wie vor der Krise, kann es doch nicht so schlimm sein...

Der Eindruck täuscht. Er täuscht aus mehreren Gründen. Berichtet werden für gewöhnlich die Gesamtzahlen. Diese sind tatsächlich positiv. Es werden mehr Waren gekauft als vor einem Jahr oder im Januar und Februar. Das gilt jedoch nicht für alle Bereiche. Dort, wo die Menschen sparen können, wird gespart. Der Absatz von Bekleidung liegt immer noch 20 % unter dem Vorjahreswert (Grafik 1).


Auch in Restaurants und Bars wird nach wie vor weniger konsumiert. Teilweise liegt es daran, dass nicht alle geöffnet haben. Dafür aber wird bei Autos und Ersatzteilen, Hobby, Sport, Lebensmitteln und Möbeln nicht gespart. Es sind die Krisengewinner. Wir verbringen mehr Zeit zu Hause. Viele richten sich neu ein.

Gerade Lebensmittel und Autos sind die größten Ausgaben von Haushalten. Wachsen diese beiden Ausgabenposten, trägt das fast den gesamten Konsum (Grafik 2). Auch in Restaurants wird viel ausgegeben. Der Anstieg im Lebensmittelhandel gleich dies mehr oder minder direkt aus.


Insgesamt liegt der Warenkonsum im positiven Bereich. Das vermittelt aber den falschen Eindruck. Es zeigt nicht, dass viele Branchen immer noch in Schwierigkeiten stecken. Darüber hinaus ist der Warenkonsum im Vergleich zum Dienstleistungskonsum deutlich kleiner.

Der Warenkonsum liegt 5 % über dem Vorkrisenniveau, der von Dienstleistungen 7 % darunter (Grafik 3). Da Dienstleistungen zwei Drittel des Gesamtkonsums ausmachen, steht der Konsum in beiden Bereichen noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau.


In den kommenden Monaten dürften Dienstleistungen wegen zunehmender Fallzahlen und neuen lokalen oder sogar flächendeckenden Lockdowns wieder unter Druck kommen. Gerade dieser Bereich trägt die Wirtschaft und wächst langfristig am schnellsten. In den USA ist der Konsum von Dienstleistungen seit 2014 um ein 33 % gestiegen, der von Waren nur um 23 %.

Ohne Dienstleistungen geht es mit der Wirtschaft nicht nachhaltig nach oben. Werden die Wachstumszahlen zum Warenkonsum gemeldet, erweckt es einen positiven Eindruck. Die Lage ist jedoch nicht so rosig, wie diese Zahlen vermuten lassen. Die Daten werden trotzdem Monat für Monat gefeiert, vollkommen an der Realität vorbei.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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