Kommentar
16:00 Uhr, 21.08.2020

Warum die Zinsen immer weiter fallen, aber die Inflation kaum anzieht

Notenbanken wollen mit niedrigen Zinsen die Inflationsrate stabilisieren. Es gibt aber auch ganz andere Meinungen, so etwa, dass niedrige Zinsen Inflation behindern.

Nicht erst seit der Finanzkrise befinden wir uns in einer Abwärtsspirale bei den Zinsen. Die Zinsen sinken seit 40 Jahren immer tiefer. Gleichzeitig sinkt auch die Inflation seit 40 Jahren. Das macht viele stutzig. Wie kann es sein, dass tiefere Zinsen die Inflation nicht anschieben? Seit Jahrzehnten lernen wir, dass die Zinsen ansteigen müssen, wenn die Inflation zu hoch ist. Höhere Zinsen bekämpfen Inflation. Ist diese hingegen zu niedrig, müssen die Zinsen sinken. Das macht intuitiv Sinn. Wenn Kredit günstiger wird, nehmen mehr Menschen und Unternehmen Kredit auf. Das Geld aus den Krediten liegt nicht auf dem Konto, sondern wird für den Kauf von Immobilien, Konsumgütern, Investitionen usw. eingesetzt. Kurzum, die Nachfrage steigt durch billiges Geld. Nun wirkt das Nullzinsumfeld aber einfach nicht. Seit über 10 Jahren hat es die Inflation nicht angeheizt. Was läuft da schief?

Notenbanken haben sich in eine Sackgasse manövriert, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Niedrige Zinsen haben nämlich zwei Konsequenzen. Durch billiges Geld kann die Nachfrage steigen, es werden aber auch Unternehmen am Leben gehalten, die de facto insolvent sind. Seit 30 Jahren steigt der Anteil dieser sogenannten Zombie Unternehmen immer weiter an (Grafik 1).


Zu niedrige Zinsen verhindern eine Bereinigung, die im Normalfall während einer Rezession stattfindet. Diese Bereinigung wird immer weniger zugelassen. Dafür gibt es gute Gründe. Durch jeden Bankrott verlieren Arbeitnehmer ihren Job. Das macht Krisen nicht einfacher, sondern schwieriger.

In Krisenzeiten schreiten Notenbanken ein, damit die Wirtschaft möglichst wenig gestört wird und eben nicht zu viele Jobs verlorengehen. Jobs sind aus Sicht der Notenbanken das gleich wie Nachfrage. Gehen Jobs verloren, sinkt die Nachfrage und damit auch die Inflation.

Inflation ist aber von zwei Faktoren abhängig. Einerseits ist das die Nachfrage, andererseits die Kapazität. Selbst wenn die Nachfrage niedrig ist, kann Inflation entstehen. Die Produktionskapazitäten müssen einfach noch niedriger sein.

Die Nullzinspolitik hält viele Unternehmen am Leben, die sonst bankrottgegangen wären. Damit sinkt die Kapazität in Krisenzeiten nicht. Die Nachfrage lässt dennoch etwas nach. Bei gleichen Kapazitäten und niedrigerer Nachfrage sinkt die Inflation.

Wollte man nun wirklich Inflation haben, müsste man Kapazitäten verringern. Kurzfristig bedeutet das höhere Arbeitslosigkeit. Langfristig sorgt es für eine gesündere Wirtschaft. Politisch ist das nicht durchsetzbar. Daher versuchen Notenbanken immer wieder, Unternehmen am Leben zu halten.

Dadurch ist inzwischen so viel Kredit im System vorhanden, dass man Bankrottwellen nicht mehr zulassen kann. Da es so viele Zombiefirmen gibt, wäre eine Bereinigung für alle zu teuer. Eine Bereinigung zum jetzigen Zeitpunkt mit so viel Kredit im System endet nicht in einer Rezession, sondern jahrelangen Depression.

Nun wurden viele Firmen wieder gerettet. In der nächsten Krise haben wir dann noch mehr Zombiefirmen mit noch mehr Schulden und noch mehr Arbeitsplätzen, die daran hängen. Das ist ein Teufelskreis, aus dem Notenbanken wohl nicht herauskommen.

Clemens Schmale


Tipp: Als Godmode PLUS Kunde sollten Sie auch Guidants PROmax testen. Es gibt dort tägliche Tradinganregungen, direkten Austausch mit unseren Börsen-Experten in einem speziellen Stream, den Aktien-Screener und Godmode PLUS inclusive. Analysen aus Godmode PLUS werden auch als Basis für Trades in den drei Musterdepots genutzt. Jetzt das neue PROmax abonnieren!

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • mkronen
    mkronen

    Exakt. Dasselbe gilt für NAchlassende Transporte / Welthandel -> weniger verfügbare Kapazität. Von Handelskriegen müssen wir nicht reden.

    17:10 Uhr, 21.08. 2020
  • mariahellwig
    mariahellwig

    Kurzarbeit und andere Lohnersatzleitungen sind niedrigere Kapazitäten. Die Menschen haben zur Zeit in etwa das gleiche Einkommen, leisten aber viel weniger.

    17:06 Uhr, 21.08. 2020

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten