Warum Deutschlands Rating viel zu gut ist
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Die Aufregung um die wahrscheinlich bevorstehende Herabstufung der deutschen Kreditwürdigkeit durch Moody´s ist lächerlich. Selbst wenn die Rating-Agenturen Deutschland das begehrte AAA-Rating entziehen sollten, wäre damit nur ein erster Schritt in Richtung einer realistischen Bewertung getan. Machen wir uns nicht vor: Auch wenn Deutschland noch als starker Mann und Musterbeispiel innerhalb der Eurozone gilt, sind die Schwächen bei genauerem Hinsehen nicht zu verkennen. Selbst in einem Ausnahmejahr wie 2011, in dem die Konjunktur in vielen Branchen boomte und die Steuereinnahmen Rekordstände erreicht haben, hat es der Bundeshaushalt nicht mal zu einem ausgeglichenen Ergebnis geschafft.
Stattdessen wurde Finanzminister Schäuble Anfang des Jahres für das Haushaltsdefizit von „nur“ einem Prozent gefeiert, als habe er eigenhändig die Eurokrise beendet. Vergleichen wir das mal mit der Unternehmenslandschaft: Welches Rating würde wohl ein Unternehmen erhalten, das trotz solider Nachfrage nach seinen Produkten seit mehreren Jahrzehnten nicht in der Lage ist, einen Gewinn zu erwirtschaften? Ein Unternehmen, das sein Überleben dadurch sichert, dass es immer wieder neue Kredite bekommt und mittlerweile einen Schuldenberg vor sich herschiebt, der in etwa dem drei- bis vierfachen seines Umsatzes entspricht (wobei wir die Steuereinnahmen des Staates einfach mal als Gegenstück zum Umsatz eines Unternehmens betrachten wollen). Welche Kreditwürdigkeit würde ein solches Unternehmen also haben? Nun, zunächst einmal wäre eine solche Firma in der realen Wirtschaft mit großer Wahrscheinlichkeit schon längst pleite. Aber selbst, wenn sie überlebt hätte, würde sie von den Rating-Agenturen sicher nicht als AAA oder AA eingestuft werden, sondern irgendwo im Bereich, der als „Ramsch“ bezeichnet wird.
Mal angenommen, es sei zudem relativ klar abzusehen, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Nachfrage nach den Produkten dieses Unternehmen sinken wird und gleichzeitig die Kosten für die Produktion steigen werden. Wäre das ein AAA-Rating wert? Genau das ist aber bei fast allen europäischen Staaten und vor allem auch bei Deutschland der Fall. Durch die demografische Entwicklung, die ziemlich genau vorgezeichnet ist, werden sich die Kosten der Sozialsysteme massiv erhöhen. Gleichzeitig wird die Zahl der Erwerbstätigen und damit der Steuerzahler sinken.
Natürlich ist es so, dass Länder, anders als Unternehmen, trotz desaströser Bilanzkennziffern nicht einfach von der Bildfläche verschwinden. Wenn sie vorwiegend in eigener Währung verschuldet sind und eine willfährige Notenbank an ihrer Seite haben, die mit frisch gedrucktem Geld den Staat finanziert, dann werden sie ihre Schulden auch zurückbezahlen. In Großbritannien, Japan und den USA läuft es seit Jahren genau so. Allerdings gleicht diese Vorgehensweise eher einem Schneeballsystem denn einer soliden Finanzierung und hat mit Sicherheit kein AAA verdient.
In meinem Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“ habe ich ein alternatives Rating der kleinen unabhängigen Ratingfirma Weiss vorgestellt, die meiner Meinung nach mit ihren Einschätzungen wesentlich näher an der Realität dran ist als die großen Agenturen wie S&P und Moody´s. Bei Weiss kassiert Deutschland mit „C+“ nur eine mittelmäßige Bewertung. Die USA und Großbritannien liegen sogar noch schlechter. Im A-Bereich finden sich vorwiegend – auch im demografischen Sinne – wachsende Staaten in Südostasien wie Malaysia, Thailand und Südkorea.
Natürlich gibt es auch hier Einschätzungen, über die man diskutieren kann: Hat China angesichts von Immobilienblase und aufgrund jahrzehntelanger Ein-Kind-Politik negativer Demografie wirklich die Bestnote verdient? Ist Norwegen, wo mit Augenmass die Öl-Milliarden verwaltet werden, und der Staat unter dem Strich nicht verschuldet ist, sondern über ein beträchtliches Netto-Vermögen verfügt, nicht der mit Abstand solideste Schuldner in Europa? Lassen wir diese Aspekte jedoch beiseite, zeigt sich, dass ein kleiner und unabhängiger Anbieter wie Weiss ein wesentlich realistischeres Bild der Lage zeigt als die großen Agenturen. Diese verzerren nicht im negativen Sinne, wie es ihnen viele Politiker vorwerfen, sondern stellen in vielen Fällen die Lage sogar zu positiv dar.
Über den Autor:
Roland Klausarbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist aktiver Investor. Für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC berichtete er von der Frankfurter Börse. In seinem Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“ analysiert er die Schuldenkrise und liefert konkrete Ratschläge, wie man sich vor den entstehenden Risiken schützen kann. Sie erreichen Ihn unter www.wirtschaftliche-selbstverteidigung.de
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