Kommentar
09:20 Uhr, 21.09.2023

Warum der Fed-Entscheid ein Geniestreich war

Bei diesem Zinsentscheid kam es nicht auf den Leitzins an, sondern die Prognosen zu Wachstum, Arbeitslosenrate und Inflation. Das, was dabei herausgekommen ist, kann man nur als Geniestreich bezeichnen.

Die Prognosen haben es auf den ersten Blick in sich. Erwarteten die Notenbanker im Mittel zu Jahresbeginn noch weniger als 0,5 % Wachstum in diesem Jahr, sind es nun mehr als 2 %. Auch das Wachstum im kommenden Jahr soll deutlich höher ausfallen (Grafik 1). Eine Rezession wird nicht mehr erwartet, vielmehr ein Aufschwung in diesem Jahr und eine leichte Abkühlung des Wachstums im kommenden.

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Bei so viel Wachstum wird die Arbeitslosenrate kaum ansteigen. Bisher war dies für die Notenbank eine Bedingung, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Mit der Korrektur der Erwartung für 2023 auf eine Arbeitslosenrate von 3,8 % würde die Quote in diesem Jahr nicht mehr steigen. Auch 2024 soll die Beschäftigung unverändert hoch bleiben (Grafik 2).

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Viel Wachstum und geringe Arbeitslosigkeit bedeuteten eine höhere Inflationsrate. Tatsächlich wird die Erwartung nach oben angepasst (Grafik 3). Mit all diesen Informationen wäre ein höherer Leitzins wohl angebracht. Anscheinend will die Notenbank diesen aber nicht. Wenn die Daten allerdings für einen höheren Leitzins aufgrund beharrlich hoher Inflation sprechen, wie lässt sich dann ein stabiler Leitzins rechtfertigen?

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Die Rechtfertigung findet sich in der Prognose zur Kerninflation. Diese wird nach unten revidiert (Grafik 4). Der Fed ist die Kerninflation wichtiger als die Inflation. Hier wird argumentiert, dass die Prognose wegen steigender Energiepreise nach oben angepasst werden musste, es aber auf die Kerninflation keine Auswirkungen hat.

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Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Höhere Energiepreise betreffen auch die Kerninflation. Es dauert nur einige Monate, bis sich dies zeigt. Für den Moment kann die Fed mit der tieferen Kerninflation die bisherige Zinspolitik rechtfertigen und an ihr festhalten. Für 2023 bleibt die Leitzinsprognose wie gehabt. Ein letzter Zinsschritt im November ist denkbar. Überraschend kommt dies nicht. Diese Möglichkeit bestand bereits vor der Sommerpause.

Ganz tatenlos schaut die Fed der hohen Inflation nicht zu. Sie schraubt die Leitzinserwartung für 2024 und 2025 nach oben. Das Motto heißt mehr denn je: hohes und längeres Zinsplateau. Bisher wurde für 2024 insgesamt Zinssenkungen von einem Prozentpunkt erwartet. Jetzt ist es noch ein halber. Möglicherweise kommt es so erst im November 2024 zur ersten Zinssenkung.

Das ist weit in der Zukunft. Anleger dürfte dies kaum verunsichern. Der Fed gelingt so der wohl bestmögliche Kompromiss. Höheres Wachstum und tiefere Arbeitslosenrate zusammen mit steigenden Energiepreisen bedeuten eine höhere Inflation. Der Leitzinspfad muss dennoch nicht angepasst werden, weil die Kerninflation eine solide Tendenz aufweist und man einfach Zinssenkungen weiter in die Zukunft verschiebt.

Notenbanker geben für die Projektionen ihre Meinung ab. Dies sollte unabhängig voneinander geschehen. Ob Zufall oder nicht, was dabei herausgekommen ist, ist fast ein Kunstwerk.

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3 Kommentare

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  • Tomnit
    Tomnit

    Sehr schoene Zusammenfassung der "jetzigen Situation" - wie so oft Herr Schmale, ein sehr guter Bericht !!!

    12:48 Uhr, 21.09.2023
  • Bigdogg0806
    Bigdogg0806

    genau ein Kunstwerk (mit Betonung auf das Künstliche), welches mit der Wirklichkeit am Ende wenig zu tun haben wird.

    09:53 Uhr, 21.09.2023
  • Jan (Bloomi)
    Jan (Bloomi)

    eine sehr gelungene Zusammenfassung, besten Dank...!

    09:23 Uhr, 21.09.2023

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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