Kommentar
09:25 Uhr, 06.08.2021

Warum den USA die gefürchtete Stagflation droht

US-Notenbankchef Jerome Powell sieht noch nicht genügend Fortschritt, um die Geldpolitik zu straffen. Die Fakten sind richtig, nur die Schlussfolgerung ist falsch.

In dieser Krise wollten Regierung und Notenbank alles richtig machen oder zumindest wollten sie das, was beim letzten Mal schiefging, korrigieren. Die letzte Krise liegt noch nicht lange zurück und Politiker und Notenbanker haben die Fehler noch in Erinnerung. Während und nach der Finanzkrise lief vor allem eine schief: Die Wirtschaft wurde nicht stark genug unterstützt. Viele Länder legten zwar Konjunkturprogramme auf, doch diese waren im Vergleich zur Größenordnung des Problems viel zu klein. Zudem waren sie von zu kurzer Dauer und kamen zu spät. Das sollte dieses Mal nicht geschehen. Je schneller und stärker zu Beginn einer Krise interveniert wird, desto schneller wird auch das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Dass das funktioniert, zeigt die US-Wirtschaft. Die Wirtschaftsleistung ist heute höher als vor Krisenbeginn. Der Einbruch war größer als während der Finanzkrise, die Erholung dafür doppelt so schnell. Die kraftvolle Antwort von Notenbank und Regierung hat gewirkt, möchte man meinen. Das hat sie allerdings nur auf den ersten Blick. Mit Direktzahlungen und höherer Arbeitslosenhilfe gab die US-Regierung Gas, als die Wirtschaft eigentlich hätte stillstehen sollen. Bürger und Unternehmen wurden mit Geld überschüttet. Gleichzeitig gab es Lockdowns. Was beim Autofahren wenig Sinn macht (gleichzeitig das Gaspedal durchdrücken und bremsen), macht auch in der Wirtschaft wenig Sinn.

Die Konjunkturhilfen schoben die Wirtschaft an. Die Wirtschaft konnte aber wegen der Lockdowns nicht liefern. Die Nachfrage stieß auf geschlossene Fabriken.

Lockdowns sind in den USA schon länger nicht mehr an der Tagesordnung. Dafür gibt es neue Lockdowns in Asien. Die dortige Produktion ist für die Lieferkette essentiell. Wenn Lieferketten nicht reibungslos funktionieren, ist der Effekt der gleiche. Die USA geben Gas, das Angebot kann wegen Schwierigkeiten der Lieferkette nicht mithalten.

Das führt z.B. in der Autoindustrie dazu, dass die Kapazitäten nicht ausgelastet sind. Es könnte mehr produziert werden und wegen der Geldgeschenke ist die Nachfrage hoch. Es fehlt jedoch an wichtigen Komponenten. Die Kapazitätsauslastung ist niedrig (Grafik 1).

Das bedeutet auch, dass die Beschäftigung nach wie vor geringer ist als vor Krisenbeginn. Notenbank und Regierung interpretieren das so: Das Ziel ist noch nicht erreicht. Oder in den Worten der Notenbank: Die Geldpolitik wird erst gestrafft, wenn substanzieller weiterer Fortschritt Richtung Vollbeschäftigung erzielt wird.

Da kann die Notenbank noch lange warten. Zusammen mit den Konjunkturhilfen sind die Voraussetzungen zwar gegeben, um Vollbeschäftigung zu erreichen, doch wenn Unternehmen nicht produzieren können, weil Input aus dem Ausland fehlt, hilft das wenig. Das Anschieben der Wirtschaft läuft ins Leere.

In einigen Industrien läuft der Motor hingegen auf Hochtouren. Hier wurden die Kapazitäten aus Vorkrisenzeiten längst erreicht oder überschritten (Grafik 2). Es braucht keinen Anschub mehr. Trotzdem wird weiter Gas gegeben.


Währenddessen sitzen Haushalte auf viel Erspartem und viele machen sich noch immer wegen des Virus sorgen. Sie bleiben dem Arbeitsmarkt fern. Auch da kann die Notenbank noch so viel lockern wie sie will, es wird nicht helfen.

Notenbank und Staat versuchen einen Zustand (Vollbeschäftigung) zu erzwingen, obwohl es gar nicht in ihrer Macht liegt, das Ziel mit den Maßnahmen zu erreichen. Wohin führt das mittelfristig? Stagflation.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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