Wann findet die Ölpreis-Rallye ihr vorläufiges Ende?

Den Haag (BoerseGo.de) - Im Februar stieg der Preis für Erdöl um rund 10 Prozent. Gleichzeitig setzen die globalen Aktienmärkte ihren aktuellen Höhenflug fort. Gute Wachstumsdaten und die Schaffung von reichlich Liquidität überwogen eindeutig den negativen Effekt hoher Ölpreise. In seinem aktuellen Marktbericht geht Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management, der Frage nach, ob diese Rallye so weitergehen kann.

Immer wenn der Anstieg der Ölpreise plötzlich und steil verlief (über 30 Prozent in drei Monaten) oder von Lieferengpässen ausgelöst wurde, purzelten die Aktienkurse, bemerkt der Rohstoffexperte. Die von der Anlegerschaft im Februar an den Tag gelegte Selbstzufriedenheit sei insofern doch erstaunlich, da der Ölpreis recht zügig kletterte, während die Preise anderer Rohstoffe im selben Zeitraum kaum zulegten. „Insofern ist dieser Anstieg wohl zumindest teilweise auf die wachsenden Spannungen im Hinblick auf den Iran zurückzuführen, hier ist durchaus mit Unterbrechung der Erdölversorgung zu rechnen“, folgert van Tiggelen.

Die gute Stimmung war im vergangenen Monat nicht nur unter Investoren, sondern auch bei Verbrauchern und Unternehmen zu beobachten. So stieg die Zuversicht unter US-Verbrauchern prozentual stärker als der Preis an der Zapfsäule! Auch in Deutschland breitete sich Optimismus aus. Dieses Verhalten lasse sich nur durch die historisch einmaligen Konjunkturspritzen erklären, die die größten Zentralbanken der Welt der globalen Wirtschaft verabreicht haben, meint van Tiggelen. Anleger sorgten sich weniger um die Ölversorgung, wenn sie sich keine Gedanken um die Liquiditätsversorgung machen müssten. Davon abgesehen hätten die anhaltenden Konjunkturmaßnahmen und die Schaffung zahlreicher neuer Arbeitsplätze ebenfalls die Stimmung gehoben.

Van Tiggelen prognostiziert, dass nach einem ausgezeichneten Start es demnächst zu Gewinnmitnahmen an den Aktienmärkten kommen könnte. Auslöser könnte ein weiterer Anstieg der Erdölpreise sein, denn die Dynamik der Liquiditätsentwicklung hat inzwischen wohl ihren Höhepunkt erreicht, folgert er. „Dabei darf man nicht vergessen, dass eine vom Ölpreis getriebene Korrektur zu einer radikalen Trendwende bei der Sektor-Performance führen würde. Die zyklischen Sektoren, die im bisherigen Jahresverlauf die stärksten Kurssteigerungen erlebt haben, würden am deutlichsten nachlassen. Die defensiven Sektoren, die der Marktentwicklung in diesem Jahr bislang hinterhergehinkt sind, würden dann wahrscheinlich recht gut abschneiden. Der einzige Sektor, der hier noch Schutz bietet, ist die Energiebranche, vor allem die Erdölkonzerne“.

Das Fazit des ING IM-Managers: „Im Endeffekt sehen wir den jüngsten Anstieg der Ölpreise nicht als unmittelbare Bedrohung für die Stimmung an den Aktienmärkten. Der Anstieg ist (noch) nicht deutlich genug und die Sorgen um die Angebotssituation (noch) nicht ausgeprägt genug, um die positiven Impulse durch neu geschaffene Liquidität, extrem niedrige Zinsen und eine allgemein solide Wirtschaftstätigkeit zu torpedieren. Dennoch wäre eine Fortsetzung des jüngsten Preistrends ein klares Risiko“.