Kommentar
19:59 Uhr, 02.11.2024

Von Afrikas Layer-1 zur Ethereum Layer-2

Celo gehört in diesem Jahr zu den am schnellsten wachsenden Layer-1s. Wir haben mit ihrem deutschen Gründer Rene Reinsberg über Celos Strategie und den bevorstehenden Wechsel zur Superchain gesprochen.

Nur wenige Unternehmen treiben die Adoption von Krypto in der Welt so stark voran wie Celo. Das Erfolgsrezept? Voller Fokus auf Mobile und den Ausbau von Stablecoin-Infrastruktur. Kein Wunder also, dass die vom Deutschen Rene Reinsberg ins Leben gerufene Blockchain zu den am schnellsten wachsenden Layer-1s des Jahres gehört und dafür jüngst sogar Lob von Vitalik Buterin erhielt.

Dass Celo etwas im Windschatten von Ethereum, Solana und Tron gedeiht, liegt daran, dass das Netzwerk vor allem im globalen Süden Anwendung findet. Insbesondere die Integration in Operas MiniPay Wallet ist ein großer Erfolg. Sie gibt Millionen von Menschen in Ländern wie Nigeria und Kenia einfachen Zugang zum US-Dollar und somit eine wichtige Absicherung gegen den kontinuierlichen Wertverlust ihrer lokalen Währungen.

Trotz des Wachstums verkündete Celo im vergangenen Jahr, auf Ethereum migrieren und künftig als Layer-2 operieren zu wollen. Ein überraschender Schritt, der neue Diskussionen rund um die langfristige Layer-1 Landschaft ausgelöst hat. Über ein Jahr später ist es nun bald soweit: In den kommenden drei Monaten wird das Netzwerk sein bis dato bedeutendstes Netzwerk-Upgrade vollziehen.

Anlässlich des Upgrades haben wir uns mit Rene Reinsberg getroffen. Wir sprachen über die strategischen Beweggründe hinter der Entscheidung und darüber, wie eine solche Migration hinter den Kulissen abläuft. Außerdem fragten wir den Celo-Gründer zu seiner Einschätzung zum globalen Stablecoin-Markt und den zukünftigen Innovationen im Payments-Sektor.


Anfänge von Celo: Bye, bye Web2 - Hello, Web3

Erzählt uns ein wenig über eure Anfänge. Was hat euch dazu gebracht, eine eigene Layer-1-Blockchain zu entwickeln?

Wir – also Marek, Sep und ich – hatten schon einige Jahre zusammengearbeitet. Marek und ich hatten während unserer Zeit am MIT eine Machine Learning Tech-Firma gegründet, die wir 2013 an GoDaddy verkauft haben. Sep war von Anfang an als Advisor und Board-Mitglied dabei, und so sind wir über die Jahre auch enge Freunde geworden.

Nach drei weiteren Jahren bei GoDaddy überlegten wir, was als Nächstes kommen könnte. Wir hatten eine lange Liste mit über 100 Ideen, doch der entscheidende Moment für uns war, als wir Ethereum entdeckten und realisierten, dass es nun möglich war, Geld programmierbar zu machen. Es fühlte sich wie ein Durchbruch an, selbst wenn damals nur wenige Menschen diese Technologie nutzten.

Unser erster Versuch war eine Wallet auf Ethereum, aber wir merkten schnell, dass Ethereum zu dieser Zeit noch nicht reif für Payments war – zu langsam, unvorhersehbare Gebühren, die in ETH bezahlt werden mussten. Stablecoins waren kaum verbreitet, Tether war klein, MakerDAO noch nicht am Start. Deshalb haben wir schließlich entschieden, Ethereum zu forken und unsere eigene Blockchain zu entwickeln – optimiert für den Payment-Use-Case.

Unterschiede und USP gegenüber Ethereum

Was waren die Anforderungen, die ihr Kopf hattet? Also wie wolltet ihr euch von Ethereum unterscheiden?

Uns war klar, dass wir einen Ultralight Client brauchten, der auf einem Handy laufen kann, schnelle Blockzeiten und fast sofortige Finalität bietet. Zudem wollten wir Stablecoins und die Möglichkeit, Gasgebühren in Stablecoins zu zahlen, integrieren – ein Feature, das heute bei Wallets wie Opera MiniPay stark genutzt wird.

Du hast gerade den mobilen Fokus erwähnt. Interessanterweise hattet ihr von Beginn an besonders viel Wachstum im globalen Süden. War das eine bewusste Entscheidung, oder kam das eher durch die Marktbedürfnisse?

Es war definitiv eine bewusste Entscheidung. Unsere Ambition war es immer, etwas zu bauen, das weltweit genutzt wird, aber wir wussten, dass die Adoption dort am schnellsten gehen würde, wo die traditionelle Finanzinfrastruktur nicht stark entwickelt ist. Länder wie Kenia oder Argentinien waren für uns perfekte Beispiele. Wir haben frühzeitig in Kenia die Mobilfunkfirma M-Pesa analysiert, was gut funktioniert und wo noch Potenzial für Verbesserungen besteht. Wir haben gesehen, dass M-Pesa revolutionär war, aber dennoch Schwächen hatte, wie z.B. hohe Gebühren oder eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten für internationale Transaktionen. Diese Herausforderungen wollten wir mit Celo lösen.

Migration zu einer Ethereum Layer-2

Kommen wir zu eurer Entscheidung, von einer Layer-1 auf eine Layer-2 zu wechseln. Ihr habt auf Celo bereits viel aufgebaut und eine beachtliche Adoption erreicht. Warum also jetzt der Schritt, die Infrastruktur grundlegend zu überdenken und auf einen Layer-2-Stack zu setzen?

Es war nie unser Ziel, mit Ethereum zu konkurrieren – eher sahen wir uns als so eine Art ‚Cousin‘, der mit derselben Technologie etwas anderes, aber Komplementäres macht und letztlich positiv auf Ethereum zurückwirkt.

Nach dem Merge gab es dann endlich Klarheit in Bezug auf die Ethereum-Scaling-Roadmap, und das hat uns stark beeinflusst. Am Ende war dieser Schritt für uns eine pragmatische Entscheidung: Wir haben Celo damals als Fork gestartet, aber hätten wir die Möglichkeit gehabt, direkt als Layer-2 auf Ethereum zu bauen, hätten wir es gemacht. Jetzt die Chance zu haben, in diese Richtung zu gehen und noch enger mit Ethereum zusammenzuarbeiten – darauf haben wir große Lust!

Davon abgesehen habt ihr sicherlich auch weitere Vorteile für euch gesehen, nehme ich an?

Ja, absolut! Einer der größten Vorteile ist sicherlich die Interoperabilität mit anderen Layer-2s und der OP Superchain, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Wir arbeiten eng mit dem OP-Stack-Team und anderen Projekten wie World zusammen, und es macht unglaublich viel Spaß, mit einigen der besten Teams im Web3-Space zu kollaborieren. Langfristig sehen wir Ethereum klar als den Settlement-Layer für Web3.

Wie fiel eigentlich letztlich die Entscheidung zugunsten des OP Stack aus, und warum habt ihr euch gegen andere Layer-2 Frameworks entschieden?

Die Entscheidung für den OP Stack war ein wirklich interessanter Prozess. Wir wollten von Anfang an sicherstellen, dass die Community bei so einer wichtigen Entscheidung eingebunden wird, aber gleichzeitig kann man nicht erwarten, dass jeder Celo-Tokenholder tief genug in die technischen Details eintaucht, um ein fundiertes Urteil abzugeben. Alle großen Frameworks haben ihre Proposals im Celo-Forum vorgestellt. Die Teams hinter den verschiedenen Stacks haben maßgeschneiderte Vorschläge gepostet und erklärt, warum ihre Lösung für Celo die beste wäre.

Es gab dann umfangreiche Diskussionen in der Community, inklusive Community-Calls, in denen Fragen gestellt und beantwortet wurden. Am Ende hat cLabs, das Core-Team, alle Informationen gesammelt, eine ganzheitliche Analyse vorgenommen und eine Empfehlung ausgesprochen. Diese Empfehlung wurde dann der Community zur Abstimmung vorgelegt, und somit fiel die Wahl also auf den OP Stack.

Im Vorgespräch hast du erwähnt, dass du für andere EVM-basierte Layer-1s langfristig keinen Business Case mehr siehst, eigenständig zu bleiben. Kannst du das begründen?

Ja - ich sehe Ethereum als den klaren “Settlement Layer” für Web3 für tausende von Blockchains, vielleicht mit einigen Ausnahmen, die sich weiter etablieren. Die Kosten für den Betrieb einer eigenen Layer-1 sind hoch, und langfristig wird es immer schwieriger, mit den neuesten Innovationen Schritt zu halten. Viele Entwickler erwarten heute eine ausgeprägte Infrastruktur, also dass beispielsweise Chainlink, Uniswap oder Safe deployed sind und es gute Block-Explorer gibt. Die laufenden Kosten für die Infrastruktur und die ständige Anpassung an neue Entwicklungen machen es schwer, auf lange Sicht wettbewerbsfähig zu bleiben.

Kannst du uns einen Blick hinter die Kulissen geben, was eigentlich im Zuge einer solchen Umwandlung – von Layer-1 hin zu einer Layer-2 – passieren muss?

Klar, es ist eine ganze Menge, die da im Hintergrund passiert. Im Grunde genommen nimmt das Core-Team den OP Stack und entwickelt einen speziellen „Celo-Flavor“ davon, der all die Celo-spezifischen Features integriert. Ein wichtiger Punkt ist, dass wir planen, diese Celo-spezifischen Anpassungen längerfristig auch „upstream“ zu geben, sodass alle anderen Chains ebenfalls davon profitieren können. Ein zentraler Teil ist da zum Beispiel im Fall von Celo L2 die Integration von EigenDA für die Data Availability.

Das Gute ist, dass wir keine völlig neue Chain launchen müssen. Es wird einfach eine Hard Fork geben. Das bedeutet, dass die Node-Operators verantwortlich sind, ihre Nodes zu aktualisieren. Für Entwickler oder Projekte auf Celo gibt es glücklicherweise kaum Anpassungsbedarf. Wenn du beispielsweise eine Wallet oder eine DApp auf Celo gebaut hast, musst du keine großen Änderungen vornehmen, der Übergang läuft im Hintergrund ab.

Natürlich ist es für das Core-Team und die Validatoren mehr Arbeit, aber wir haben diesen Prozess schon ein paar Mal durchlaufen. Die erste Hard Fork haben wir vor ein paar Monaten erfolgreich abgeschlossen, und derzeit läuft der Testprozess für die zweite Hard Fork im Testnet. Sobald die Audits durch sind und alles gut aussieht, werden wir das Mainnet bis Anfang nächsten Jahres umstellen. Bisher läuft alles planmäßig, und wir sind zuversichtlich, dass es keine größeren Probleme geben wird.

Das klingt so, als ob für Entwickler alles relativ reibungslos abläuft. Aber was ist die neue Rolle der heutigen Validatoren, wenn ihr den Wechsel vollzogen habt? Wird es dezentrales Sequencing geben oder ändert sich ihre Aufgabe grundlegend?

Genau, die Validatoren spielen weiterhin eine wichtige Rolle, und die Idee ist tatsächlich, dass sie langfristig als dezentrale Sequencer fungieren. Das ist aber Teil zwei des Rollouts, da dafür zusätzliche Technologie entwickelt werden muss. Es gibt bereits spannende Projekte wie Espresso, die hier eine Rolle spielen könnten. Wir arbeiten noch daran, wie das genaue Setup aussehen wird, aber es ist uns wichtig, die Validator-Community weiterhin aktiv einzubinden.

Die Validator-Community ist ein starkes Asset für Celo. Sie ist sehr divers, von kleineren Projekten bis hin zu großen Partnern wie Deutsche Telekom und Google Cloud, die beide Validatoren auf Celo betreiben. Unsere Hoffnung ist, dass sie auch in der neuen Architektur eine aktive Rolle spielen werden.

Ausblick auf den Stablecoin-Markt und Celos Zukunft

Lass uns noch über ein weiteres Thema sprechen, das euch schon lange beschäftigt: Stablecoins.
Ihr habt mit Celo und Mento ein spannendes System aufgebaut, das sich auf lokale Stablecoins konzentriert. Gerade gab es die Übernahme von Bridge durch Stripe, die viel Aufmerksamkeit erregt hat. Wie siehst du die aktuelle Stablecoin-Landschaft, und wo siehst du die größten Chancen?

Die Übernahme von Bridge durch Stripe macht für mich total Sinn. Wir kennen das Bridge-Team gut, und es ist spannend zu sehen, wie das Thema On- und Off-Ramps immer mehr an Bedeutung gewinnt. Lange Zeit wurde unterschätzt, wie wichtig es ist, gute On- und Off-Ramps zu haben. Aber es wird zunehmend klarer, dass diese Infrastruktur entscheidend ist, um echte Massenadoption zu ermöglichen – besonders in Schwellenländern, wo die Menschen einfache und kostengünstige Möglichkeiten brauchen, zwischen Fiat und Krypto hin und her zu wechseln.

Für uns war das von Anfang an ein großes Thema, weshalb wir schon vor Jahren mit Partnern in Ländern wie Nigeria an diesen Lösungen gearbeitet haben. Diese Infrastruktur ist auch der Grund, warum wir aktuell so starkes Wachstum im Bereich Stablecoins und Zahlungsverkehr auf Celo sehen, beispielsweise durch Produkte wie Valora oder Opera MiniPay.

Was den Stablecoin-Markt allgemein angeht, glaube ich, dass wir am Anfang einer Evolution stehen. Der Großteil der Stablecoins basiert bisher auf dem US-Dollar, was in vielen Regionen sinnvoll ist. Aber wenn du in einem Land mit Abwertungsdruck oder hoher Inflation lebst, ist es riskant, Kredite in Dollar aufzunehmen. Für Use Cases wie Mikrokredite macht es mehr Sinn, in der lokalen Währung zu arbeiten. Das ist der Grund, warum auf Celo lokale Stablecoins wie der kenianische Schilling oder der brasilianische Real launchen – um solche Szenarien abzudecken.

Wo siehst du die nächsten großen Entwicklungen im Stablecoin-Space?

Für mich ist das große Thema Onchain-FX. Seit Beginn meiner Karriere im Fixed Income bei Morgan Stanley war ich fasziniert von Währungsmärkten. Jetzt sehen wir, dass Onchain-FX auf Celo wirklich Fahrt aufnimmt, besonders im Bereich der lokalen Stablecoins. Auf Plattformen wie Uniswap, Bancor und Ubeswap - alle auf Celo - entstehen immer mehr Liquiditätspools für diese Währungen, und die Volumina wachsen Woche für Woche.

Die Idee, dass wir irgendwann komplexe Derivatemärkte für Währungen haben könnten, die nicht nur großen Institutionen vorbehalten sind, sondern auch kleinen Unternehmen oder sogar Einzelpersonen zugänglich werden, ist unglaublich spannend. Gerade in weniger liquiden Märkten wie dem kenianischen Schilling zum brasilianischen Real sehe ich riesiges Potenzial.

Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten, sei es für Absicherungsstrategien gegen Währungsrisiken oder andere Finanzanwendungen. Ich denke, wir stehen hier noch ganz am Anfang und es gibt viel Raum für Startups, um in diesem Bereich zu innovieren.

In welchem Bereich wünschst du dir, dass noch mehr Aktivität entsteht? Sind es hauptsächlich Payments oder siehst du andere Verticals, die auf Celo an Fahrt aufnehmen könnten?

Natürlich ist Payments immer ein großes Thema für uns, besonders im globalen Süden. Aber einer der Grundgedanken hinter Celo ist die Idee einer regenerativen Wirtschaft. Das heißt, jede Transaktion sollte auch zur Regeneration unseres Planeten und unserer Communities beitragen. Wir haben es so gestaltet, dass ein kleiner Teil der Transaktionsgebühren in Projekte fließt, die Klimainitiativen unterstützen.

Neben Payments sehen wir viel Potenzial im Bereich „Real-World Assets“, insbesondere im Klima- und Naturschutzbereich. Konzepte wie das „Conservation Basic Income“, wo Gelder direkt in Gemeinden fließen, die sich zum Beispiel um den Erhalt des Regenwaldes kümmern, lassen sich am besten mit Web3 umsetzen. Wir haben die Technologie, um Micropayments und Transparenz zu ermöglichen, und ich glaube, dass dies ein riesiger Bereich ist, in dem wir in den nächsten Jahren eine Renaissance erleben werden.

Auch wenn das Thema vor einem Jahr schon einmal heiß war, ist die Technologie jetzt endlich weit genug, um diese Konzepte auch wirklich in die Breite zu bringen.


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