Kommentar
15:44 Uhr, 07.12.2015

„Vielleicht macht Mario gar keinen so schlechten Job“

Die Anleihemärkte haben enttäuscht auf die jüngsten Nachrichten der Europäischen Zentralbank (EZB) reagiert. „Die Renditen von Kernanleihen sind gestiegen, weil die Notenbank entgegen den Erwartungen den Umfang des Ankaufprogramms nicht erhöhte. Präsident Draghi hat nicht sämtliche geldpolitischen Hebel umgelegt, über die er im Vorfeld gesprochen hatte“, erklärt Chris Iggo, CIO Fixed Income bei AXA Investment Managers (AXA IM). Risikoreiche Wertpapiere, Credit Spreads und Aktien hätten sich entsprechend negativ entwickelt. Letztlich habe Draghi die Geldpolitik gelockert, indem er den Einlagezinssatz um weitere zehn Basispunkte gesenkt und das Quantitative-Easing-Programm (QE) über den September 2016 hinaus verlängert habe.

Für internationale Investoren bleibt nach Ansicht von Iggo die Divergenz in der Geldpolitik das zentrale Thema: „Die Federal Reserve wird wahrscheinlich am 16. Dezember die Zinsen erhöhen. Der US-Dollar wird also voraussichtlich weiter stark bleiben. Die Kluft zwischen den Renditen von amerikanischen und europäischen Anleihen wird weiter wachsen“, meint der Stratege. Die EZB bemühe sich noch immer, die Teuerungsrate anzuheben, während die Federal Reserve (Fed) hoffe, dass der jüngste Anstieg der Inflation sich weiter fortsetze und nicht durch den Zinsanstieg geschmälert werde. Aus strategischer Sicht stünden inflationsgebundene Anleihen im Vergleich zu Nominalanleihen attraktiv da. Iggo’s Motto: „Kämpfe nicht gegen die Zentralbanken, selbst wenn sie uns enttäuschen.“ Europäische Anleiherenditen würden wahrscheinlich durch die Senkung des Zinsbodens heruntergezogen, während US-Anleiherenditen sich in die umgekehrte Richtung bewegten. Investoren würden diese darum irgendwann vorziehen. US-Anleihen, so Iggo, würden im Verhältnis zu europäischen Anleihen immer interessanter werden.

Beunruhigender ist nach Meinung des Investmentexperten, dass Draghi zu dem Ergebnis gekommen sei, dass sich die Wirksamkeit der Geldpolitik gravierend verringert habe. „Das Quantitative Easing hat nicht zu einem Anstieg der Inflation geführt. Vielleicht reicht monetäre Lockerung allein nicht aus. Vielleicht braucht es einen steuerlichen Impuls, damit neue Arbeitsplätze entstehen und die Realeinkommen steigen. Vielleicht sollten die Zentralbanken einen solchen steuerlichen Anschub finanzieren“, stellt Iggo fest. Wenn die Auswirkungen der Geldpolitik die Erwartungen enttäuschten, dann nähre das Bedenken hinsichtlich mangelnden Wachstums, Schuldenbelastbarkeit und fehlender Verbesserungen der Bilanzen. Die jüngsten Nachrichten über die europäischen Banken seien nicht gut gewesen. „Sollte das Wachstum nicht anziehen, könnten Investoren denken, dass die Zentralbanken das Handtuch geworfen haben und das wäre das Schlimmste für Aktien und Anleihen“, so Iggo.

Doch alles in allem steige das Wachstum. Die US-Wirtschaft sei nahe der Vollbeschäftigung und die Fed werde die Zinsen anheben. Auch China stabilisiere sich. „Die monetären Rahmenbedingungen haben sich verbessert. Wo die Renditeaufschläge nicht konsistent mit den Fundamentaldaten sind, gibt es eine positive Wertentwicklung auf den Anleihemärkten. Darum mögen wir inflationsgebundene Gewinnschwellen, hohe Renditeaufschläge und Schuldtitel von Emerging Markets“, sagt Iggo. Sollte die Fed die Zinsen nicht sehr aggressiv anheben, seien die USA weit von einer Rezession entfernt und auch China werde nicht allzu hart auf dem Boden aufschlagen.

Iggo resümiert: „Draghi mag die wildesten Erwartungen enttäuscht haben. Dennoch hat er die Geldpolitik gelockert und gesagt, dass ihm noch mehr Möglichkeiten offen bleiben. Europa profitiert von einem schwachen Euro. Die Inflationserwartungen sind seit Ende September um über 0,2 Prozentpunkte gestiegen. Vielleicht macht Mario gar keinen so schlechten Job.“

1 Kommentar

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  • bembes
    bembes

    Jetzt ist Drahi auch noch der "GRÖßTE" !!!!

    17:43 Uhr, 07.12.2015