Kommentar
10:22 Uhr, 07.09.2023

Verrückte Forderung: 18 Prozent mehr Lohn!

Die Lohn-Preis-Spirale ist in vollem Gange, wie eine Tarifforderung der IG Metall zeigt, die implizit auf eine Erhöhung der Stundenlöhne um knapp 18 Prozent hinausläuft.

Für die im November beginnenden Tarifverhandlungen in der nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie hat die IG Metall zwei Forderungen aufgestellt. Neben 8,5 Prozent mehr Geld will die Gewerkschaft auch eine Verkürzung der Arbeitszeit von 35 auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich erreichen. Bei genauerem Hinsehen haben es diese Forderungen in sich. Denn durch die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich ergibt sich implizit eine weitere deutliche Erhöhung des Stundenlohns.

Konkret entspricht eine Verkürzung der Arbeitszeit von 35 auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich einer Erhöhung des Stundenlohns von 9,4 Prozent. Kommen dann noch 8,5 Prozent mehr Lohn dazu, entspricht diese Kombination einem Anstieg des Stundenlohns um stattliche 17,9 Prozent!

Dass angesichts der stark gestiegenen Preise auch deutliche Lohnanhebungen gefordert werden, ist nur natürlich. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung des Preisniveaus in Deutschland anhand des Verbraucherpreisindex. Ein Wert von 100 entspricht dabei dem Niveau der Verbraucherpreise im Jahr 2020.

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Zuletzt stand der Verbraucherpreisindex auf dieser Basis bei ca. 117,5 Punkten, die Preise lagen also um rund 17,5 Prozent höher als im Jahr 2020. Die von der IG Metall jetzt geforderte Anhebung würde also ziemlich genau dem Anstieg des Preisniveaus seit 2020 entsprechen. Hätte es seit 2020 keine Lohnerhöhung gegeben, könnte man die Forderung durchaus als berechtigt ansehen.

Allerdings hatte der bald auslaufende Tarifvertrag in der nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie nur eine Laufzeit von 18 Monaten. So waren zuletzt im August 2022 die Löhne um 6,5 Prozent gestiegen. Hinzu kamen zwei monatliche Einmalzahlungen von 500 Euro im Juni und Juli 2022. In der Tarifrunde 2021 waren einmalig 500 Euro Coronaprämie und ein Tarifzusatzentgelt von insgesamt noch einmal 500 Euro vereinbart worden.

Die bereits erfolgten Lohnerhöhungen in Kombination mit der jetzt aufgestellten Forderung würden Lohnanhebungen seit 2020 von mehr als 25 Prozent entsprechen. Die Einmalzahlungen sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Damit würden die Löhne in der nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie noch deutlich schneller steigen als die Verbraucherpreise.

Fazit: Angesichts der stark gestiegenen Preise ist es nur verständlich, dass die Gewerkschaften jetzt auch deutliche Lohnerhöhungen fordern. Eine Anhebung um 18 Prozent könnte trotzdem die Grenze dessen sprengen, was von den Unternehmen noch zu leisten ist, zumal die derzeitige Wirtschaftslage alles andere als rosig ist. Außerdem heizen starke Lohnerhöhungen die Preissteigerungen weiter an. Die Lohn-Preis-Spirale ist in vollem Gange.

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2 Kommentare

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  • Heinzl
    Heinzl

    Die Gewerkschaften verlieren die Bodenständigkeit und reihen sich in die wirtschaftsvernichtenden Gedanken ähnlich eines Habecks ein, der auch von Wirtschaft nichts versteht.. Die Kürzung von Wochenstunden führt bei den Unternehmen zu deutlicher Produktionsrückführung, somit Gewinnreduzierung, der Standort Deutschland wird immer schwieriger und im internationalen Wettbewerb mehr als herausfordernd. Standortverlagerungen werden folgen, wenn die Gewerkschaft nicht von der Erkenntnis der Vernunft ergriffen wird. Nach den ordentlichen Erhöhungen und Sonderzahlungen der letzten Jahre, ist das was jetzt gefordert wird mehr als kritisch völlig überzogen. Dann bleibt mal abzuwarten, was schlussendlich rauskommen wird. Trotzdem sind diese Gedanken jetzt in der Wirtschaft und werden keine gute Stimmung erzeugen.

    17:04 Uhr, 07.09.2023
  • mariahellwig
    mariahellwig

    Einatmen, Ausatmen. Das wird nie so heiß gegessen, wie es gekocht wird..

    1. ist der Lohnkostenanteil am Gesamtprodukt relevant. Laut Stat. Bundesamt beträgt dieser in der von Ihnen genannten Branche (Eisen und Stahl) gerade mal 10,4%. Bedeutet, 10% Lohnsteigerung haben 1,04% teuere Produkte zur Folge. Das solche Erhöhungen von der Industrie gerne als Argument genutzt werden für größere Preiserhöhungen ist nichts neues.

    2. Sind die ausgewiesenen Inflationsraten schöngerechnet. Herr Schmale hat da vor wenigen Tagen einen sehr lesenswerten Artikel zu geschrieben. Die Inflation 2022 lag nach der Berechnungmethodik von 1980 bei 18%! Höher also als 1980.

    3. Sind Lohnrunden wie ein türkischer Basar zu sehen. Viel fordern um die Hälfte zu bekommen

    Die Gewerkschaft haben sich in den letzten 10 Jahren sehr zurückgehalten. Auch weil der Rückhalt für höhere Forderungen in der Arbeitnehmerschaft fehlte. Das könnte diesmal anders sein.

    11:57 Uhr, 07.09.2023