Kommentar
17:11 Uhr, 25.04.2017

Vermisst der Aktienmarkt QE (Quantitative Easing)?

Eigentlich gilt inzwischen als bewiesen, dass die Kurse auch ohne QE steigen können. Also alles in Ordnung? Mitnichten.

Das Bild aus Grafik 1 kennt praktisch jeder. Es zeigt die Bilanzsumme der US-Notenbank und die Entwicklung des S&P 500. Der Verlauf ist über weite Strecken deckungsgleich. Das hat immer wieder zu der Vermutung geführt, dass einzig und allein das QE Programm der Fed den Markt über Wasser hielt.

Die Gleichung, dass die Kurse nur steigen, wenn die Notenbank Anleihen kauft, galt über viele Jahre hinweg. Seit einiger Zeit festigt sich die Überzeugung, dass es auch ohne QE geht. Der Markt tendierte zwar nach dem Ende von QE lange Zeit seitwärts, doch auch ohne QE und mit höheren Zinsen gelang es dem S&P 500 im Sommer 2016 ein neues Allzeithoch zu erreichen.

Das Plus des Marktes baute sich bis zu US-Wahl wieder ab. Danach zündete die nächste Rallyestufe. Erste Risse sind nun aber zu erkennen. Das hat vermutlich wenig mit der Geldpolitik zu tun, sondern vielmehr damit, dass Anleger jetzt erst einmal Gewinne mitnehmen. Der Trump-Trade ist ausgereizt. Viele Werte sind gut gelaufen und durch Gewinnmitnahmen ist noch niemand arm geworden.

Es kann natürlich auch etwas mehr dahinterstecken. QE half dem Markt auf die Sprünge, indem es Einfluss auf die Risikobereitschaft nahm. Vor einiger Zeit hatte ich einen Artikel darüber geschrieben, dass das Geld aus QE fast 1 zu 1 als Überschussreserven bei der Notenbank wieder eingelagert wurde. Das Geld aus QE floss nicht in den Markt. Es war also nicht das frisch gedruckte Geld, welches angelegt wurde und so die Kurse trieb.

Vielmehr war der Effekt von QE indirekt. Das lässt sich anhand der Zinsentwicklung erkennen (Grafik 2). Die Zinsen stiegen immer dann, wenn die Notenbank Anleihen kaufte. Das macht auf den ersten Blick keinen Sinn. Steigt die Nachfrage nach Anleihen sollte der Preis steigen und die Rendite sinken. Das war nicht der Fall.

QE wirkte psychologisch. Immer dann, wenn die Notenbank Anleihen kaufte, fühlten sich Anleger sicher. Die Risikobereitschaft stieg. Sichere Anlagen wie Anleihen wurden verkauft und risikoreichere Anlagen wie Aktien gekauft. Als QE endete sanken die Zinsen wieder. Das kam für viele überraschend, passt aber ins allgemeine Bild.

Bis zur US-Wahl oszillierten die Zinsen nahe ihrer Rekordtiefs vom Sommer 2016. Anleger kauften also nach wie vor Anleihen zuhauf. Erst durch Trumps Wahl wurde die Risikoaversion durchbrochen. Anleger flüchteten geradezu aus Anleihen und rein in Aktien. Seit mehreren Wochen zeigt sich nun wieder eine gegenläufige Tendenz. Zinsen fallen ebenso wie Aktienkurse.

Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Grafik 3 zeigt, wieso. Immer dann, wenn die Notenbank frisches Geld druckte, floss Geld in Aktienfonds und Aktien-ETFs. Wurde QE ausgesetzt, floss Kapital ab. Das ist auch nach dem offiziellen Ende von QE nicht anders gewesen. Kapital floss erst wieder mit Trumps Wahl in den Markt. Das relativiert sich derzeit aber wieder.

Genau umgekehrt verhielt es sich bei Anleihen. In QE Zeiten wurde Kapital abgezogen (um es in Aktien zu stecken). Nach dem Ende jeder QE Runde stieg der Mittelzufluss wieder. Das hat sich auch in den letzten Wochen kaum geändert. Nach der Wahl im November gab es einen minimalen Mittelabfluss. Seit zwei Monaten strömt wieder massiv Geld in Anleihen hinein.

Was bedeutet das alles: Anleger sind von alleine immer noch nicht bereit, Risiken einzugehen. Der Kapitalfluss in Anleihen zeigt eine nach wie vor hohe Risikoscheu. Die Euphorie rund um Trump hat das verdeckt und temporär unterbrochen. Man gewann den Eindruck, dass nun endlich alles wieder normal sei. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Daten diesen Eindruck untermauern. Dem Markt fällt es nach wie vor extrem schwer auf eigenen Füßen zu stehen.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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  • Ridicule
    Ridicule

    Wenn sich die Gewinne in Zukunft so entwickeln, wie das was einige Big Players im abgelaufenen Quartal bewerkstellige konnten (siehe heutige Q-Zahlen), dann braucht es erstmal kein QE.

    18:39 Uhr, 25.04.2017
  • tschaki
    tschaki

    ich bin noch guter Dinge - viele. sind paar ältere Kaliber wieder drauf und dran, ihre 60/40 Asset Allocation aufrecht zu erhalten - also: ANLEIHEN Kaufen (ob dies bei aktuellen Bond-yields sehr viel Sinn macht, oder nicht - will ich nicht kommentieren )

    18:27 Uhr, 25.04.2017

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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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