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16:22 Uhr, 21.02.2013

Verliert Berlusconi, gewinnen italienische Aktien

Kronberg im Taunus (BoerseGo.de) - Am kommenden Sonntag wählen die Italiener ein neues Parlament und damit einen neuen Regierungschef. Die Aufholjagd Silvio Berlusconis in den jüngsten Umfragen hat die Märkte spürbar verunsichert. Alberto Chiandetti, Manager des Fidelity Italy Fund, erklärt, welchen Wahlausgang er erwartet und was das für den italienischen Aktienmarkt bedeutet.

Die leicht gestiegene Wahrscheinlichkeit, dass die Italiener eine konservative Regierung und mit ihr Silvio Berlusconi an die Schalthebel der Macht wählen könnten, habe ausgereicht, um die Märkte in Aufregung zu versetzen und die Renditen italienischer Staatsanleihen deutlich nach oben zu treiben. Auch die Aktienmärkte hätten daraufhin einen Teil der guten Gewinne des letzten Monats wieder abgegeben. Neben einer starken Marketingoffensive habe Berlusconi der Skandal um die Monte Dei Paschi di Siena geholfen. Denn Verbindungen des Mitte-Links-Bündnisses zu dieser Bank hätten es den Gegnern leicht gemacht, negative Stimmung gegen den Spitzenkandidaten Pier Luigi Bersani zu machen, meint Chiandetti.

„Aber es ist noch alles offen und ich messe der Aufmerksamkeit für Berlusconis Wahlversprechen - die zuletzt vom Papstrücktritt in den Medien verdrängt wurde - nicht zu viel Bedeutung zu. Am wahrscheinlichsten ist meiner Meinung nach eine Mitte-Links-Koalition unter Bersani und Mario Monti. Tritt dieses Ergebnis ein, wird die allgemeine Erleichterung zu einer Rallye am italienischen und anderen europäischen Aktienmärkten führen. Selbst wenn die Wahl überraschend eine Regierung unter Berlusconi hervorbringen sollte, die sich nicht an den eingeschlagenen Austeritätspfad hält, werden die Märkte die Rückkehr zum Sparkurs durch Abstrafen sehr schnell erzwingen“, so der Fondsmanager.

Die Aussicht auf eine negative Wachstumsentwicklung in Italien hätten die Märkte schon voll eingepreist. Insofern lohne es sich jetzt, darauf zu schauen, wie viel Potenzial für eine positive Überraschung in Italien stecke. Es sei jetzt wenig sinnvoll, sich ausschließlich defensiv aufzustellen. Das gelte umso mehr, als Italien das dritthöchste Bruttoinlandsprodukt in Kontinentaleuropa erwirtschafte. Die Unternehmen des Landes seien exportorientiert und ihre Absatzmärkte und Waren gut diversifiziert. Ein Blick auf die italienische Börse zeige die Internationalität der Firmen: Die 60 größten Unternehmen im Index erzielten mehr als die Hälfte ihrer Umsätze außerhalb der Heimat. Zudem erwirtschafte Italien trotz einer tiefen Rezession wieder einen Haushaltsüberschuss. Es stehe also gar nicht so schlecht um Italien. Dazu trage sicherlich auch die allgemeine Verbesserung der weltweiten Wirtschaftsaussichten bei, die zu geringerer Volatilität, gestiegenem Vertrauen der Investoren und zu einer Normalisierung der Finanzierungskonditionen geführt hat. Von dieser Entwicklung profitiere auch in Italien besonders der Finanzsektor, heißt es.

„Über italienische Banken sollte man wissen, dass die meisten Schulden im Inland gehalten werden und die Banken große Positionen an Staatsanleihen in ihren Büchern haben. Daher waren sie auch sehr stark von der Eurokrise betroffen und haben - genau wie der gesamte europäische Bankensektor - natürlich auch von Draghis Ankündigung im letzten Sommer profitiert. Sieht man sich das vergangene Jahr an, dann war der Sektor von einer großen Unsicherheit gekennzeichnet, die im Wesentlichen auf die Unklarheiten über die zukünftige Entwicklung der Kreditportfolios der Banken zurückzuführen war. Diese Situation hat sich inzwischen stark verbessert. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass sich die Kreditmärkte wieder entspannt haben. Das hat die Finanzierungskosten reduziert, bei einer gleichzeitig gestiegenen Nachfrage nach gut verzinsten Anleihen. Die Märkte stellen den Banken die kritische Menge an Liquidität zur Verfügung und Investoren müssen sich weniger Sorgen um eine angemessene Kapitalausstattung und das Risiko von Insolvenzen machen. Es gibt zahlreiche Chancen bei italienischen Aktien, die historisch betrachtet und auch im Vergleich zu anderen Märkten günstig bewertet sind. Gewinnt die Mitte-Links-Regierung werden wir eine veritable Rallye italienischer Aktien erleben", so Chiandetti.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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