Kommentar
12:29 Uhr, 24.05.2022

USA: Notenbank oder Anleger, wer hat recht?

Die US-Notenbank hält die Wirtschaft für stark genug, um die Zinswende gut zu überstehen. Der Finanzmarkt glaubt schon lange nicht mehr an diese Sichtweise. Wer hat recht?

Es wird immer offensichtlicher, dass die Notenbank selbst nur noch bedingt an ihr Märchen von einer weichen Landung der Wirtschaft glaubt. Zu Beginn der Zinswende versprach die Fed eigentlich, dass sie die Inflation drücken würde, aber die Wirtschaft gleichzeitig nicht abgewürgt werden soll. Noch vor wenigen Wochen konnte man an diese Sichtweise glauben. Mit etwas Fantasie kann man das auch heute noch, wenn man nur die Vergangenheit betrachtet und nicht in die Zukunft schaut. Ein Blick auf die Vergangenheit entspricht dem Blick auf Wirtschaftsdaten. Diese Daten werden erhoben und zeigen bei Veröffentlichung das, was war. Was war, lässt sich durchaus sehen. Die Kapazitätsauslastung ist in den USA auf den höchsten Stand seit über 20 Jahren gestiegen (Grafik 1). Das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Die Industrie zeigte jahrzehntelang einen Abwärtstrend bei der Auslastung. Aktuell wird über Engpässe bei Material und Arbeitskraft gejammert. Trotzdem läuft alles doch irgendwie ganz gut und auf Hochtouren.


Die Kapazitätsauslastung ist ein Datensatz, den man mit beliebig vielen untermauern kann, sei es mit Konsumausgaben, Investitionen, Bautätigkeit usw. Das alles beschreibt jedoch die Vergangenheit. Auf Basis dieser Daten macht die Notenbank alles richtig. Die Zinsen sollten steigen, wenn die Inflationsrate hoch und die Arbeitslosigkeit niedrig ist. Fasst man beides in einem Indikator zusammen, macht die Fed derzeit genau das, was sie immer getan hat (Grafik 2).

Blickt man nun aber in die Zukunft, muss man Zweifel daran bekommen, dass das Vorgehen wirklich das korrekte ist. Nach Lieferengpässen und Konsumboom leerten sich die Lager der Unternehmen zunächst. Jetzt, da sie wieder Material und Güter bekommen, füllen sich die Lager so schnell wie noch nie (Grafik 3).

Irgendwann sind die Lager voll. Wird der Lagerbestand heute schnell aufgebaut, bedeutet das zukünftig weniger Bestellungen. Produzierende Unternehmen erkennen das Ungemach, welches droht. Der zukünftig erwartete Auftragsbestand bzw. nicht ausgeführte Aufträge sinken auf den tiefsten Stand seit fast 25 Jahren (Grafik 4).

Die tiefen Werte im Jahr 1998 und 1995 wirken dabei wie Ausrutscher. Es handelte sich je um einen einzelnen Monat mit tiefem Wert.

Heute sinkt die Erwartung geordnet immer tiefer. Das wirkt wie eine Wachstumskrise wie Ende der 80er Jahre oder wie die zwei Rezessionen in den 70er Jahren. Das zukünftig erwartete Wachstum erreicht den tiefsten Stand seit der Finanzkrise. Beides zusammen kündigt eine Industrierezession an.

Auf Basis dessen, was war, ist die Wirtschaft stark und braucht Zinserhöhungen. Blickt man in die Zukunft, sieht es düster aus. Unter normalen Umständen müsste man die Wirtschaft anschieben und nicht bremsen. Die Inflationsbekämpfung hat jedoch Vorrang. So ändert sich auch das, was die Fed selbst von ihrer Politik erwartet.

Zunächst wurde von einer sanften Landung der Wirtschaft geträumt. Dann hieß es, dass die Landung nicht ganz sanft sein wird. Nun ist davon die Rede, dass es eine sichere, aber ruppige Landung wird. In einem Monat ist dann wohl von Rezession die Rede… Anleger wussten es bereits.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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