Fundamentale Nachricht
11:30 Uhr, 18.01.2017

USA: „Ich fürchte, das böse Erwachen kommt schon bald“

Emiel van den Heiligenberg, Head of Asset Allocation beim britischen Vermögensverwalters Legal & General Investment Management (LGIM), hält die langfristigen Folgen des Trump-Wahlsieges für beunruhigend.

Erwähnte Instrumente

  • Dow Jones
    ISIN: US2605661048Kopiert
    Kursstand: 19.826,77 Pkt (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

London (GodmodeTrader.de) - Die US-Bürger haben Donald Trump zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Investoren stehen damit beschwerlichere Zeiten bevor, ist Emiel van den Heiligenberg, Head of Asset Allocation beim britischen Vermögensverwalters Legal & General Investment Management (LGIM), überzeugt. Er rechnet damit, dass sich das makroökonomische Umfeld eintrübt und die Aktienkurse nicht so weiter steigen wie bisher. In einem Interview, das GodmodeTrader.de freundlicherweise von LGIM zur Verfügung gestellt wurde, erläutert er, warum er die langfristigen Folgen des Trump-Wahlsieges für beunruhigend hält, die Fed das geldpolitische Ruder nicht herumreißen wird und der Brexit nun in ein neues Licht rückt.

Herr van den Heiligenberg, die Aktienkurse in den USA haben auf den Wahlausgang verhalten reagiert. Der S&P-500-Index legte in drei Tagen um 0,6 Prozent zu, hatte zuvor aber zwischenzeitlich ganze fünf Prozent verloren. Der Dow erreichte kurz nach der Wahl ein neues Rekordhoch. Wie ist das zu erklären?

Van den Heiligenberg: Diese Reaktion scheint auf den ersten Blick in der Tat widersprüchlich. Dazu muss man berücksichtigen, dass es auf Sektorebene enorme Unterschiede gab und gibt. Besonders gut haben sich bislang Finanztitel geschlagen, die von den höheren Anleiherenditen und der Aussicht auf einen geringeren Regulierungsdruck profitieren konnten. Auch die Kurse der Industriewerte haben zugelegt, weil die Investoren darauf wetten, dass die Regierung mehr Geld für die Sanierung und den Ausbau der Infrastruktur ausgibt. Anleiheähnliche Sektoren wie Versorger und Immobilien gehören dagegen zu den Verlierern. Ganz offensichtlich aber haben die Marktteilnehmer bereits vergessen, mit welchen bizarren Äußerungen Trump seinen Wahlkampf bestritten hat. Ich fürchte, das böse Erwachen wird schon bald kommen.

Welche Welt werden die Anleger dann erleben?

Van den Heiligenberg: Die langfristigen Auswirkungen des Trump-Wahlsiegs sind beunruhigend: mehr Isolationismus und Protektionismus, weniger Globalisierung, Vertrauen in die Medien und öffentliche Institutionen, mehr Opportunismus, ein Verfall von politischen Umgangsformen, weniger Einwanderung, weniger Sparen, weniger Handel, geringeres Trendwachstum, mehr Inflation, höhere Unsicherheit, mehr soziale Unruhen und Proteste, höhere Sicherheits- und Verteidigungsausgaben und noch einiges mehr. Kurzfristig kann allerdings die Aussicht auf höhere US-Staatsausgaben der globalen Nachfrage auf die Sprünge helfen. Andererseits könnte ein weniger offenes Handelssystem der US-amerikanischen Wirtschaft schaden und das Export- und Wirtschaftswachstum der US-Handelspartner, allen voran Mexikos und Chinas, beeinträchtigen. Die wirtschaftlichen Aussichten für globale Exporteure wie Korea, Taiwan, die Niederlande und Deutschland dürften sich ebenfalls eintrüben.

Ist denn zu erwarten, dass der Wahlsieg von Donald Trump die Geldpolitik der Fed verändert?

Van den Heiligenberg: Sofern die Volatilität an den Finanzmärkten kurzfristig nicht deutlich zunimmt, besteht für die Fed kein Anlass, auf das Wahlergebnis zu reagieren. Der Offenmarktausschuss hat den Anstieg der Inflationserwartungen an den Finanzmärkten registriert. Dies wird die Mitglieder eher noch darin bestätigt haben, dass das Inflationsziel erreicht wird. Die Fed wird die Märkte weiterhin auf eine sehr langsame Zinsnormalisierung einstimmen. Wir gehen davon aus, dass Fed-Chefin Janet Yellen versuchen wird, die Unabhängigkeit der Fed zu verteidigen und bis zum Ende ihrer regulären Amtszeit Anfang 2018 im Amt bleibt. Würde sie ihren Platz räumen, dürfte das den Märkten empfindlich schaden, denn die Notenbankchefin war entscheidend an der jetzigen geldpolitischen Ausrichtung der Fed beteiligt.

An den US-Anleihemärkten sind die Renditen in den Tagen nach der Präsidentschaftswahl sprunghaft gestiegen. Welches Denkmuster steckt hinter dieser scharfen Kehrtwende?

Van den Heiligenberg: Die vernünftigste Erklärung ist, dass wir eine nüchterne Neubewertung des „herausfordernden“ fiskalischen Kalküls des künftigen Präsidenten erleben. Damit einher gehen Inflationseffekte, die nun eingepreist werden. Beobachter haben die Wahlversprechen von Donald Trump – mehr Infrastruktur, höhere Staatsausgaben, niedrigere Steuern, mehr soziale Absicherung – für die nächsten zehn Jahre auf atemberaubende fünf Billionen US-Dollar beziffert. Auch wenn niemand sagen kann, wie viele Vorhaben letztendlich den Kongress passieren werden, steigt die Nervosität bei den ersten Marktbeobachtern. Die Frage ist nun, ob die Chancen auf eine Kehrtwende in der Fiskalpolitik ausreichen, um die Wirtschaft aus der Phase des Niedrigzinses und Niedrigwachstums zu katapultieren.

Welche Auswirkungen hat der Wahlsieg Trumps auf Europa?

Van den Heiligenberg: Für Großbritannien hat das US-Wahlergebnis positive und negative Auswirkungen. Die Europäische Union wird nun vermutlich noch weniger bereit sein, den Briten einen guten Deal anzubieten, da sie den zunehmenden Populismus als ein noch größeres Risiko wahrnimmt als zuvor. Die USA andererseits könnten das Handelsabkommen mit Großbritannien, dem Obama keine hohe Priorität eingeräumt hat, künftig mit mehr Engagement vorantreiben. Vielleicht weicht auch die Frage, wie es mit der Nato unter Präsident Trump weitergeht, die Haltung der EU gegenüber den britischen Brexit-Verhandlungspositionen auf. Die EU wird jede Einschränkung der britischen Kooperationsbereitschaft in Sicherheitsfragen empfindlich spüren. Das Pfund hat seit der Wahl gegenüber dem Dollar aufgewertet, was unterschiedliche Gründe hat. Zum einen ist der Brexit nicht mehr das Top-Thema an den Märkten. Zum anderen sind die Anleger zuvor eher auf der Verkaufsseite gewesen. Und schließlich sollte das Pfund von einem Präsidenten Trump profitieren, der zu einem Handelsabkommen mit Großbritannien bereit ist und damit einem harten Brexit etwas von seinem Schrecken nimmt.

Die Schwellenländer sind zuletzt wieder stärker in den Fokus der Investoren geraten, doch nun scheint dieses Comeback schneller beendet als es angefangen hat. Ist dieser Rückzug fundamental gerechtfertigt?

Van den Heiligenberg: Der Trump-Wahlsieg hat vor allem das Risiko einer drastischen realen Abwertung des chinesischen Renminbi erhöht. Sollte Trump chinesische Güter mit 45 Prozent besteuern, würden die chinesischen Exporte leiden und die chinesische Währung belasten. Wir erwarten negative Auswirkungen des Antiglobalisierungstrends auf die Schwellenländer, die chinesische Wirtschaft dürfte sich infolge der Einstellung von Ankurbelungsmaßnahmen zyklisch verlangsamen. Mit Trump an der Spitze der USA wird sich jetzt so mancher Investor fragen, ob das die richtige Entscheidung war. Schließlich waren steigende Zinsen und ein starker US-Dollar in der Vergangenheit meist nachteilig für die Schwellenländer.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

1 Kommentar

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Kawasaki
    Kawasaki

    Och, ihr denkt alle zu schlecht über Trump, ich finde ihn ganz ok, mit seiner blonden Danauwelle gröhl :-)

    16:04 Uhr, 18.01. 2017

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

Mehr Experten