Kommentar
07:01 Uhr, 20.10.2015

US-Zinswende: So wird das nichts

Die US Notenbank ist eigentlich für ihre Gradlinigkeit bekannt. Schlägt sie einmal einen Kurs ein, dann bleibt sie dabei. Es muss sehr viel geschehen, damit sich ihre Meinung ändert. In den vergangenen Wochen ändert die Notenbank nun fast täglich ihre Einschätzung. So wird das mit der Zinswende nichts.

Bereits 2013 leitete die US Notenbank die Zinswende ein. Mehr als zwei Jahre nach der Ankündigung ist noch nicht viel geschehen. Zugegeben, die Zentralbank kauft nicht mehr Anleihen um 85 Mrd. im Monat. Das ist immerhin schon etwas. Von einer echten Straffung der Geldpolitik ist die Fed jedoch noch immer ein Stück entfernt.

Anfang 2015 zeigten sich die Notenbanker optimistisch. Der Markt wurde auf eine Zinsanhebung im Juni eingeschworen. Dann kamen die Wachstumszahlen des ersten Quartals. Mit der Erstschätzung, die eine Kontraktion annahm, war die Zinswende im Juni vom Tisch. Der nächste Termin wäre September gewesen. Wieder wurden Ausflüchte gefunden. Die Lage in Übersee war zu unübersichtlich.

Janet Yellen bekennt sich noch zur Zinswende in diesem Jahr. Vor allem nach der Enttäuschung, dass die Zinsen im September nicht angehoben wurden, betonte sie bei jeder Gelegenheit die nahende Zinswende – noch dieses Jahr. Andere im Offenmarktausschuss stimmberechtigte Banker sehen das inzwischen wieder anders. Ähnlich äußern sich einige Chefs lokaler Notenbanken, die nicht stimmberechtigt sind. Sie sind in ihrer Mitteilsamkeit großzügiger als die Banker, die die Zinsen letztlich festlegen.

Viele Notenbanker haben ihre Zweifel an einer Zinswende in diesem Jahr geäußert. Diese Zweifel kommen, nachdem die Fed nach der Septembersitzung recht bullisch in Bezug auf steigende Zinsen war. Jetzt wird zurück gerudert. Es wirkt fast so, als wollte die Fed den Markt darauf vorbereiten, dass die Zinsen doch noch nicht im Dezember angehoben werden.

Im bisherigen Jahresverlauf ist die Notenbank so wankelmütig wie selten. In einem Monat stehen die Zeichen auf Zinserhöhung, im nächsten wieder nicht. Das ist genau die Unsicherheit, die der Markt nicht braucht. Gleichzeitig geht die Notenbank auch das Risiko ein, dass der Markt aufhört, auf die Prognosen der Fed zu hören. Dreht sich die Meinung der Notenbank täglich mit dem Wind, dann bekräftigt das nicht unbedingt den Glauben an die Zentralbank. Das muss momentan kein Problem sein. Doch was, wenn die nächste Krise kommt und der Notenbank nicht mehr zugetraut wird, dass sie in der Lage ist das Notwendige zu tun, weil sie so wankelmütig ist?

Yellen betont, dass die Entscheidung aufgrund von Wirtschaftsdaten getroffen wird und Wirtschaftsdaten sind nun einmal alles andere als gradlinig. Da ist viel Wahres dran. Aber: die US-Wirtschaftsdaten sind seit Jahren solide. Trotzdem wird Woche um Woche auf neue Daten gewartet. Verschlechtern sie sich erst einmal wieder, wartet die Notenbank dann auch monatelang, bis sie zu dem endgültigen Schluss kommt, dass sie wieder lockern muss?

Die Federal Reserve braucht inzwischen so viele Daten und so viel Sicherheit, dass sie vollkommen handlungsunfähig geworden ist. Wie handlungsfähig ist sie, wenn sich die Lage wieder eintrübt? Wie lange braucht die Notenbank, bis sie sich von den Daten überzeugen lässt, wenn es abwärts geht?

In diesen Tagen machen der Fed Inflationsdaten zu schaffen. Grafik 1 zeigt den Verbraucher- und Erzeugerpreisindex der USA. Die Verbraucherpreise steigen noch minimal an. Erzeugerpreise brechen regelrecht nach unten weg. Das liegt insbesondere an den Input-Preisen, die für gewöhnlich von Rohstoffpreisen bestimmt werden.

Die Entwicklung der Erzeugerpreise zeigt große Parallelen zum Ölpreis. Nach dem massiven Anstieg bis 2008 stiegen auch die Erzeugerpreise schnell an. So schnell sie gestiegen waren, fielen sie bis 2009. Von 2011 bis 2014 tendierten die Erzeugerpreise seitwärts, so wie auch beim Öl.

Die Verbraucherpreise sind nicht so stark von den Rohstoffpreisen beeinflusst wie die Erzeugerpreise. Erzeuger – oder Verkäufer – geben die Preisschwankungen von Rohstoffen nicht sofort und in voller Höhe an Verbraucher weiter. Wer einen Hinweis haben möchte, dass das wirklich so ist, muss nur regelmäßig tanken gehen.

Die Erzeugerpreise fallen derzeit mit einer Jahresrate von über 5% (Grafik 2). Die Verbraucherpreise schwanken um den Nullpunkt. Der Notenbank passt das gar nicht. Inflation ist ein wichtiger Gradmesser für sie. Ohne Inflation gibt es keine Zinserhöhung. Die niedrige Arbeitslosenrate wird von der Notenbank so interpretiert, dass die Inflation der guten Beschäftigungslage schon bald folgen wird. Je niedriger die Arbeitslosenrate, desto höher ist der Druck, höhere Löhne zu zahlen. Dadurch wird mehr konsumiert. Die Preise steigen, einerseits, weil die Nachfrage anzieht und andererseits, weil Unternehmen höhere Lohnkosten an Konsumenten weitergeben wollen.

Diese Systematik hat in der Vergangenheit gut funktioniert. Inzwischen ist das nicht mehr der Fall. Immer mehr Notenbanker zweifeln daran, dass der niedrigen Arbeitslosigkeit höhere Inflation folgen wird. Da hilft es auch nicht, wenn die Güternachfrage bestenfalls stagniert. Das Wachstum der persönlichen Konsumausgaben ist ebenfalls in Grafik 2 dargestellt. Das Wachstum ist inzwischen fast so niedrig wie zur Zeit des Abschwungs Anfang des Jahrtausends.

Die Inflation kann sich mit stabilen Rohstoffpreisen wieder normalisieren. Das hat dann allerdings wenig mit dem Zustand der Wirtschaft zu tun. Steigen die Preise, ohne dass die Löhne steigen, wird das der Wirtschaft eher schaden als nützen. Wenn dies jedoch das Kriterium der Fed ist, dann hebt sie die Zinsen in dem Moment an, in dem Menschen wegen steigender Preise, aber gleichzeitig stagnierender Löhne, weniger Geld zur Verfügung haben. Ein grandioser Masterplan ist das nicht.

In diesem Fall ist es vielleicht sogar zu begrüßen, wenn die Zinswende jetzt noch nicht kommt. Der optimale Zeitpunkt ist ohnehin verpasst und eine Zinserhöhung – gebunden an Inflation – wird die Wirtschaft aller Wahrscheinlichkeit nach abwürgen.

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1 Kommentar

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  • Ragazzo
    Ragazzo

    Es ist sicher nicht richtig, dass Janet Yellen die Märkte über einen langen Zeitraum in Unsicherheit versetzt. Man muss jedoch auch bedenken, dass die Emerging Markets am Tropf des US - amerikanischen Geldes hängen, weil sie sich mit Krediten finanziert haben.

    China befindet sich gerade im Umbau seiner Volkswirtschaft , Brasilien geht es mehr als schlecht und Russland leidet unter dem Erdölpreisrückgang und den Sanktionen.Kein Staat kann nur noch die eigenen Interessen im Blick heben, dazu ist die weltweite Vernetzung einfach zu gross.

    08:49 Uhr, 20.10.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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