Kommentar
08:39 Uhr, 24.08.2016

US-Zinspolitik: Es könnte so einfach sein!

Die US-Notenbank vollführt einen Eiertanz allererster Güte. Dabei wäre doch alles so einfach.

Die US-Notenbank hat derzeit eine schwierige Aufgabe. Viele Argumente sprechen für eine Zinsanhebung, viele sprechen dagegen. Derzeit löst die Fed das Problem, indem sie schlichtweg gar nichts tut. Für alle Ewigkeit ist das natürlich kein Erfolgsrezept.

Die Zinsen könnten zweifellos angehoben werden, wenn man die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt betrachtet. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig und Monat für Monat werden hunderttausende neue Jobs geschaffen. Inzwischen steigt sogar der Aufwärtsdruck auf die Löhne. Vor allem die Reallöhne steigen so schnell wie seit vielen Jahren nicht mehr.

Der Aufschwung führt immer mehr dazu, dass auch die Gesamtbeschäftigung wieder steigt. Es kommen vermehrt Menschen zurück auf den Arbeitsmarkt, die in den vergangenen Jahren die Jobsuche aufgegeben hatten. Das führt zu neuen Beschäftigungsrekorden und immer mehr Menschen, die Geld für Konsumausgaben zur Verfügung haben.

Die US-Wirtschaft ist stark vom Konsum abhängig. Solange hier der Motor rund läuft, gibt es keinen ernsthaften Grund zur Sorge. Also wieso dann nicht gleich die Zinsen anheben, wenn alles rund läuft?

Die Frage muss man sich ernsthaft stellen, denn niedrige Zinsen führen auf Dauer zu Fehlallokationen von Kapital. Anleger, Investoren und Unternehmen nehmen zu hohe Risiken auf sich. US-Unternehmen sind zwar im Vergleich zu Unternehmen aus z.B. China nur mit geringen Schulden belastet, doch der Trend zu immer höheren Schulden ist bedenklich.

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Unternehmen nehmen diese Schulden auf, um Aktien zurückzukaufen oder Dividenden auszuschütten. Investiert wird nicht. Kurzfristig mag das sinnvoll erscheinen, langfristig ist es kontraproduktiv. Schulden haben Fälligkeiten und müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Steigen die Zinsen dann doch irgendwann einmal, könnte es zu einem Problem kommen, wenn es darum geht die Schulden zu refinanzieren. Es drohen Liquiditätsengpässe.

Zu niedrige Zinsen über einen zu langen Zeitraum begünstigen auch die Spekulation auf dem Immobilienmarkt. Aktuell hecheln Firmen der Nachfrage hinterher. Einerseits ist es ein gutes Zeichen, dass sich der US-Immobilienmarkt erholt, andererseits kommt es gerade zu einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Wären die Zinsen etwas höher, müsste man keine Überhitzung befürchten.

An den Finanzmärkten ist die Risikobereitschaft ohnehin groß. Anleger strömen nach wie vor in Anleihen, als ob es morgen keine mehr gäbe. Die Renditen sind dadurch so niedrig, dass sie das Risiko nicht mehr ausgleichen.

Hebt die Notenbank die Zinsen nicht bald an, dann kommt es zu so großen Ungleichgewichten, dass deren Korrektur schmerzhaft wird. Aktuell ließe sich noch schonend Luft ablassen.

Aber: hebt die Notenbank die Zinsen jetzt an, in mehreren aufeinanderfolgenden Schritten, dann ist sie praktisch die einzige große Notenbank der Welt, die diesen Weg beschreitet.

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Steigen die Zinsen in den USA und bleibt der Dollar stark bzw. wertet weiter auf, dann wird die Handelsbilanz, die ohnehin tiefrot ist, noch negativer. Die Industrie und das Gewerbe kommen wieder unter Druck und die Abwanderungswelle der Produktion nimmt wieder Fahrt auf.

Eine Zinsanhebung ist auch aus ganz anderen Gründen problematisch. Steigen die kurzfristigen Zinsen, bleiben die langfristigen Zinsen aber stabil oder sinken, dann flacht die Zinskurve ab. Die Zinsdifferenz zwischen kurz- und langlaufenden Anleihen ist schon jetzt sehr niedrig (Grafik 1). Invertiert die Zinskurve (kurzfristige Zinsen sind höher als langfristige), wird dies schnell problematisch.

Sind die kurzfristigen Zinsen höher als die langfristigen, dann ist der Anreiz groß, kurzfristig weniger Geld auszugeben oder Investitionen nicht heute, sondern in der Zukunft zu tätigen. Eine invertierte Zinskurve bringt viele Probleme mit sich.

Für das Dilemma der Fed, die einerseits die Zinsen anheben sollte, aber nicht wirklich will, um die Risiken zu minimieren, die aus dem Handel und Wechselkursbewegungen erwachsen, ließe sich mehr oder minder einfach lösen. Die Fed sitzt auf 4,5 Billionen Dollar an Assets in ihrer Bilanz (Grafik 2).


Durch die QE-Programme hat sie knapp 2,5 Billionen an Staatsanleihen in ihre Bilanz geladen. Dazu kommen noch 1,75 Billionen an MBS (Mortgage Backed Securities). Das ist eine enorme Manövriermasse, die die Notenbank in ihrer Bilanz hat. Sie müsste sie nur nutzen.

Im Kern geht es darum, dass die Notenbank die Zinsen vor allem am langen Ende etwas anheben müsste. Die niedrigen kurzfristigen Zinsen sind kein überbordendes Problem. Die meisten Schulden, um entweder Immobilien zu kaufen oder Anleihen für Aktienrückkäufe auszugeben sind an die langfristigen Zinsen gebunden. Die wenigsten Kredite oder Anleihen, die in der Zukunft ein Problem darstellen werden, sind kurzfristig.

Um effektiv ein Ungleichgewicht zu verhindern und den Immobilienmarkt abzukühlen müssen die langfristigen Zinsen steigen. Die Fed kann die langfristigen Zinsen aber nicht festlegen. Sie kann nur die kurzfristigen Zinsen anheben und hoffen, dass dies die langfristigen Zinsen ebenfalls nach oben drückt. Das tut es jedoch nicht, schon allein deswegen nicht, weil die Nachfrage nach US-Bonds aus dem Ausland sehr hoch ist.

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Die Fed hat in ihrer Bilanz die Instrumente, um die Zinskurve nicht weiter abflachen zu lassen, sondern wieder nach oben zu drücken. Sie müsste dafür nur ihren Anleihebestand nutzen. Das hat sie bisher nicht getan und es gibt auch keine offiziellen Diskussionen darüber. Aktuell heißt es, dass man zuerst die Leitzinsen normalisieren wolle, bevor man die Bilanz verkleinert.

Durch die hohe Nachfrage aus dem Ausland hätte die Fed jetzt die Chance ihre Bilanz zu verkleinern und die wichtigen langfristigen Zinsen nach oben zu drücken. Sie hat Anleihen mit allen Fälligkeiten in ihrer Bilanz (Grafik 3). Sie sollte die fällig werdenden Anleihen nicht mehr wie bisher durch neue ersetzen, sondern einfach auslaufen lassen. Allein schon die Ankündigung dürfte die langfristigen Zinsen anheben.

Eine Bilanzverkleinerung ist ein großes Experiment. Es auszuprobieren lohnt sich aber. Abzuwarten bis zu große Ungleichgewichte entstehen hat schon in der Vergangenheit nicht funktioniert. Das Experiment der Bilanzverkleinerung und der Anhebung der langfristigen Zinsen mag zwar missglücken, doch es besteht eine gute Chance auf Erfolg. Abwarten hat eine ziemlich hohe Chance auf Misserfolg.

Clemens Schmale

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  • backstage
    backstage

    Vor dem 08. November 2016 passiert seitens der FED nichts, aber auch gar nichts, was die Geldanlagen des US-Wählers irgendwelchen Turbulenzrisiken aussetzen könnte.

    Oder glaubt hier irgendjemand, Janet Yellen möchte sich nach der Wahl vorwerfen lassen, Donald Trump den Weg ins Weiße Haus geebnet zu haben?

    11:06 Uhr, 24.08. 2016
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Nicht einleuchtend - Wenn die FED zusätzliche Papiere auf den Markt bringt, vergrößert sich das Angebot. Dasselbe geschieht, wenn die auslaufenden Anleihen vom Staat durch neue ersetzt werden müssen. Etwas anders wäre das derzeit in Deutschland z.B. da könnte der Staat aufgrund der hohen Steuereinnahmen auf neue Emissionen verzichten. Davon, dass die FED selbst auf Rückzahlung verzichtet, war bisher nirgends die Rede. Das ist etwas völlig anderes als "auslaufen lassen".

    09:45 Uhr, 24.08. 2016
  • netzadler
    netzadler

    soweit einleuchtend

    das Problem ist nur, dass die FED verkaufen will oder muss.

    damit hat die nachfrage mehr preismacht. das bringt die preise vielleicht sehr schnell ins rutschen.

    09:15 Uhr, 24.08. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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