Fundamentale Nachricht
10:55 Uhr, 15.12.2022

US-Zinsentscheid: Falkenhafte 50 Basispunkte

Nach Einschätzung von Christian Scherrmann, US-Volkswirt bei der DWS, ist die Federal Reserve Bank (Fed) noch nicht davon überzeugt, dass sich die Inflation bereits auf einem nachhaltigen Abwärtspfad befindet.

Wie allgemein erwartet, hat die US-Notenbank die Leitzinsen um „nur“ 50 Basispunkte erhöht, also weniger aggressiv als die 75 Basispunkte zuletzt. Erste milde Anzeichen einer sich abkühlenden Inflation waren jedoch höchstwahrscheinlich nicht der Hauptgrund für diesen Schritt. Die Arbeitsmärkte sind nach wie vor sehr angespannt, und in bestimmten Wirtschaftssektoren übersteigt die Nachfrage weiter das Angebot. Wir denken, dass höchstwahrscheinlich die oft zitierte zeitliche Verzögerung, mit der sich die Geldpolitik auf die Wirtschaft auswirkt, der Hauptgrund war, weniger zu tun.

Eine solche falkenhafte Haltung spiegelt sich auch in den aktualisierten Wirtschaftsprojektionen der Zentralbanker wider. Die Mitglieder des Offenmarktausschusses signalisieren darin ihre Bereitschaft, die Zinssätze im Jahr 2023 sogar noch stärker anzuheben, als sie es bereits auf der September-Sitzung angedeutet hatten: nämlich auf 5,1 Prozent von vormals 4.6 Prozent. Auch sind sie offenbar bereit, höhere Kosten zu tolerieren, um die Inflation zu zügeln: Das Wachstumsprognose für 2023 wurde von 1,2 Prozent in den September-Projektionen auf jetzt 0,5 Prozent (Q4/Q4) verringert.

Dies bedeutet nicht zwangsläufig eine Rezession. Angesichts einer derart niedrigen Prognose könnte sie jedoch durchaus realistisch sein. Dennoch haben die Zentralbanker Vertrauen in die Widerstandsfähigkeit des Arbeitsmarkts, wie eine nur geringfügige Anhebung der Erwartung hinsichtlich der Arbeitslosenquote für das Jahr 2023 nahelegt. Diese wird nun bei 4,6 Prozent statt bei 4,4 Prozent erwartet. Eine Normalisierung der Geldpolitik zeichnet sich erst für 2024 und darüber hinaus ab. Dies geschieht jedoch sehr allmählich, die Mitglieder des Offenmarktausschusses beabsichtigen, die Zinssätze in 2024 auf 4,1 Prozent und in 2025 auf 3,1 Prozent zu senken.

In der Pressekonferenz bestätigte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell unsere Einschätzung hinsichtlich der angespannten Lage an den Arbeitsmärkten und des noch andauernden Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage. Ebenfalls wiederholte er das Mantra, dass die Zinsen länger höher bleiben müssten, um den Kampf gegen die Inflation zu gewinnen. Aus seinen Äußerungen geht hervor, dass die Zentralbanker noch nicht davon überzeugt sind, dass sich die Inflation bereits auf einem nachhaltigen Abwärtspfad befindet. Insgesamt hat Powell in der Pressekonferenz keinen taubenhaften Spielraum gelassen.

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