Kommentar
09:23 Uhr, 30.04.2019

US-Wachstum deutlich über Erwartungen - und dennoch keine Partylaune?

Die US-Wirtschaft ist Anfang des Jahres um über 3% gewachsen. Das ist ein Knaller. Es feiert aber niemand. Wieso?

Die Börse ließ die Veröffentlichung der Zahlen am Freitag vollkommen kalt. Obwohl die Zahlen auf den ersten Blick sehr gut sind, hat niemand gefeiert. Es ist sogar etwas vollkommen Unerwartetes geschehen. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung bis Ende 2019 stieg fast sprunghaft von 58 % auf 65 % an. Hohe Wachstumsraten sollten ja eigentlich das Gegenteil bewirken. Geht es der Wirtschaft gut, sollten die Zinsen steigen, nicht fallen. Trotzdem sprang die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung nach oben. Das ist schon ein Ding.

Das liegt daran, dass es an den Zahlen viel zu kritisieren gibt. Ein Grund für das höhere Wachstum waren höhere Staatsausgaben. Diese werden als nicht nachhaltig betrachtet. Persönlich empfinde ich das nicht als großen Kritikpunkt. Der Einfluss der Staatsausgaben war insgesamt begrenzt (Grafik 1). Die Ausgaben erhöhten das Wachstum zwar um 0,41 Prozentpunkte, doch von insgesamt 3,2 % ist das nicht viel.

Dafür erhöhte sich der Bestand an Vorräten. Es wurde mehr produziert als verkauft wurde. Das erhöht das Wachstum, obwohl auf Halde produziert wurde. Das kann in einzelnen Quartalen vorkommen. Unternehmen haben keine Glaskugel und können nicht immer genau wissen wie viel sie tatsächlich verkaufen werden.

Dafür haben sie nun einen hohen Vorratsbestand, was die Produktion im aktuellen Quartal reduzieren kann. Das Wachstum würde dann mit dem Abbau des Lagerbestandes niedriger ausfallen. Hohe Werte in diesem Bereich rächen sich also meist ein bis zwei Quartale später.

Der eigentliche Star der Daten war aber der Außenhandel. Dieser trug über einen Prozentpunkt zum Wachstum bei (Grafik 2). Die USA importieren sehr viel weniger. Die Exporte schrumpften weniger als die Exporte. Das trägt positiv zum Wachstum bei. Auch hier handelt es sich teils um Sonderfaktoren. Keiner weiß, wann nun erneut Zölle erhoben werden, falls überhaupt.


Das führte bereits vergangenes Jahr zu einem hohen Beitrag, weil schnell noch US-Güter aus China gekauft wurden. Tendenziell wachsen die US-Importe schneller als die Exporte. Der positive Beitrag dürfte sich also auch in einem der nächsten Quartale umkehren und für besonders niedriges Wachstum sorgen.

Wirklich wichtig sind für die US-Wirtschaft die Investitionen und der private Konsum, die über 80 % der Wirtschaftsleistung ausmachen. Bei diesen zwei Komponenten des Wachstums gibt es Probleme (Grafik 3). Der Unterschied dieser zwei Komponenten zum Gesamtwachstum war seit 2009 nicht mehr so groß. Das zugrundeliegende Wachstum, ohne volatile Faktoren wie Vorratsbestand und Außenhandel, ist abwärts gerichtet.

Es zeigt, dass sich auch die US-Wirtschaft weiter abkühlt. Die Binnennachfrage schwächelt. Trotz der augenscheinlich guten Zahlen, gibt es keinen Grund für Feierlaune. Persönlich finde ich die Daten allerdings auch nicht schlecht. Trübsal muss man nicht blasen. Im Gegenteil sogar, es hätte sehr viel schlimmer sein können.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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