Kommentar
14:54 Uhr, 24.07.2015

US Präsidentschaftskandidat Jeb Bushs Vision: 4% Wachstum

Jeb Bush ist der Sohn des ehemaligen Präsidenten Bush (Golfkrieg) und Bruder des vorletzten Präsidenten George W. Bush (Afghanistan- und Irakkrieg). Einen dritten Bush im Amt möchte man sich bei diesem Trackrecord eigentlich nicht wünschen. Immerhin hat Jeb Bush auch eine wirtschaftliche Vision: 4% Wachstum.

4% Wachstum stampft man nicht so einfach aus dem Boden. Trotz Konjunkturprogrammen und ultraniedrigen Zinsen ist es der US Wirtschaft seit 2008 nicht mehr gelungen, auf den alten Wachstumspfad zurückzukehren. Vor 2008 ging das Wachstum über mehrere Jahre zurück, allerdings von einem sehr hohen Niveau aus. Dieses Niveau lag bei gut 4% und wurde vor etwas mehr als einem Jahrzehnt erreicht.

Jeb Bush möchte, dass die USA wieder in diesem Tempo wachsen. Von alleine geht das nicht. Wie das bewerkstelligt werden soll ist im Detail nicht klar. Ein Rezept hat der Präsidentschaftskandidat dafür aber: mehr Amerikaner sollen einfach mehr arbeiten.

Der erste Punkt spielt auf die immer weiter sinkende Partizipationsrate an. Sie erreichte im Juni den tiefsten Stand seit den 70er Jahren. Die Grafik zeigt die aktuelle Partizipationsrate in mehreren Ländern. In den USA lag sie zuletzt bei 62,6%. Das ist nicht nur sehr niedrig im Vergleich der jüngeren Geschichte, sondern auch nicht mehr weit von den Raten der 50er Jahre entfernt.

Von 1950 bis 1972 schwankte die Partizipationsrate in den USA zwischen 58 und 60%. Geht der aktuelle Trend so weiter, dann sind die USA von diesem Niveau nur noch ein gutes halbes Jahrzehnt entfernt. Wenn ein immer kleinerer Anteil der Bevölkerung arbeitet, dann kann die Wirtschaft schwerlich ihr Wachstum beschleunigen.

Jeb Bush ist der Meinung, dass das so nicht geht und will mehr Amerikaner zur Arbeit motivieren. Per se ist das nicht verwerflich, allerdings liegt es nicht unbedingt daran, dass Amerikaner auf einmal faul geworden sind. Vielmehr sinkt die Partizipationsrate, weil immer mehr Menschen nach langer Arbeitssuche aufgeben und sich aus dem Arbeitsmarkt verabschieden.

Bushs zweiter Vorschlag – mehr arbeiten – ist besonders kritisch. Die demokratischen Präsidentschaftskandidaten, allen voran Hillary Clinton, haben mit Bushs impliziten Vorwurf der Faulheit eine gute Vorlage erhalten. Clinton kommentierte entsprechend: „Wer glaubt Amerikaner würden nicht genug arbeiten, der hat noch nicht viele amerikanischen Arbeiter kennengelernt.“

Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Die Jahresarbeitszeit liegt in den USA mit knapp 1.800 Stunden international im Mittelfeld. Natürlich könnten Amerikaner mehr arbeiten, aber es würde nicht unbedingt viel mehr bringen. Die Arbeitszeit ist nur eine Komponente. Mehr Zeit an der Maschine oder im Büro zu verbringen bedeutet nicht automatisch, dass auch mehr produziert wird. Das ist letztlich eine Frage der Produktivität.

Produktivität wird international von der OECD in kaufkraftbereinigten Stundenlöhnen gemessen. Dieser Faktor ist in der Grafik ebenfalls dargestellt. Die Produktivität liegt in den USA vergleichsweise hoch. Höher liegt sie nur in Luxemburg und Norwegen. Luxemburg ist ein Sonderfall, weil hier durch hohe Einkünfte aus dem Finanzsektor die Einkommensstatistik verzerrt wird.

Generell ist der kaufkraftbereinigte Stundenlohn nur ein grober Maßstab. Sind die Gehälter in der Finanzwirtschaft systematisch höher als in anderen Bereichen, dann ist ein Finanzplatz deshalb nicht unbedingt produktiver, nur weil die Gehälter höher sind. Einen Finanzplatz mit einem Land zu vergleichen, indem greifbare Güter produziert werden, ist schwierig. Die Produktivität eines Fondsmanagers ist sicherlich anders als die eines Maschinenbauers.

Die Statistik gibt immerhin eine gewisse Richtung vor. So kann man sagen, dass Amerikaner nicht unterdurchschnittlich viel arbeiten. Das könnte man eher von Deutschen behaupten. Hier sind nicht nur mindestens 5 Wochen bezahlter Urlaub im Jahr Standard, sondern auch viele gesetzliche Feiertage. Schlechter geht es den Deutschen deswegen nicht, auch wenn man auf den ersten Blick von den Kennzahlen wie Jahresarbeitszeit auf die Idee kommen könnte.

In Deutschland ist man ungefähr so produktiv wie in den USA, allerdings wird im Jahr fast ein Fünftel weniger gearbeitet. In Relation haben die USA also eher an der Produktivitätsseite Nachholbedarf und nicht bei der Jahresarbeitszeit.

Produktivität hilft dem durchschnittlichen Amerikaner natürlich kaum. Heute produziert ein Durchschnittsamerikaner drei Viertel mehr als in den 70er Jahren, verdient aber real nicht viel mehr.

Als wäre das nicht schon alles schlimm genug leiden die USA auch noch an einer relativ hohen Einkommensungleichheit. Die grünen Dreiecke in der Grafik zeigen die Einkommensungleichheit. Je höher der Index ist, desto ungleicher ist das Vermögen verteilt. Hier liegen die USA relativ weit vorne und werden nur von Ländern wie Russland und Mexiko überboten.

Zusammenfassen lässt sich das eigentlich so: US Amerikaner arbeiten viel, werden dafür aber schlecht bezahlt; sie profitieren nicht von Produktivitätsgewinnen und haben eine hohe Einkommensungleichheit.

Jeb Bush reagiert auf diese Sammlung von Problemen mit dem Vorschlag, dass jeder mehr arbeiten soll. Nun, wenn das sein Wirtschaftsprogramm und Verständnis ist, dann kann man nur auf einen anderen Präsidenten hoffen.

Lernen, traden, gewinnen

– bei Deutschlands größtem edukativen Börsenspiel Trading Masters kannst du dein Börsenwissen spielerisch ausbauen, von professionellen Tradern lernen und ganz nebenbei zahlreiche Preise gewinnen. Stelle deine Trading-Fähigkeiten unter Beweis und sichere dir die Chance auf über 400 exklusive Gewinne!

Jetzt kostenlos teilnehmen!

9 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Gott bewahre uns vor solchen Idioten, die aus der Bush-Familie kommen.

    Die haben schon zweimal eine Katastrophe angerichtet ...

    19:08 Uhr, 24.07.2015
    2 Antworten anzeigen
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Unser Altkanzler "Helmut Schmidt" hat mal gesagt:

    "Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen!"

    Das empfehle ich Jeb Bush auch ... !!!

    18:28 Uhr, 24.07.2015
  • 1 Antwort anzeigen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten