Kommentar
15:40 Uhr, 27.08.2020

Fed gibt sich geldpolitischen Freifahrtsschein

Die US-Notenbank Federal Reserve will ihre Geldpolitik künftig nicht mehr so strikt am Inflationsziel ausrichten wie bisher. Das Inflationsziel von zwei Prozent soll nur noch "durchschnittlich im Zeitverlauf" gelten. Die ultralockere Geldpolitik könnte zum Dauerzustand werden.

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Fed-Präsident Jerome Powell hat auf seiner mit Spannung erwarteten Rede auf dem Online-Notenbanksymposium von Jackson Hole wie erwartet eine strategische Neuausrichtung der Geldpolitik angekündigt. Die wichtigsten Punkte:

  • Die Fed strebt künftig ihr Inflationsziel von zwei Prozent nur noch durchschnittlich im Zeitverlauf an. Dies bedeutet, dass nach einer Phase schwacher Inflation wie in den vergangenen Jahren die Fed auch eine zeitweise höhere Inflation tolerieren oder sogar anstreben wird, um ihr Inflationsziel zu erreichen. Die Fed betrachtet die Kern-Preisrate der persönlichen Konsumausgaben (Core PCE Rate) als wichtigstes Inflationsmaß, daran dürfte sich nichts geändert haben, auch wenn Powell darauf in seiner Rede nicht einging.
  • Das Inflationsziel soll "flexibel" gehandhabt werden. Es gibt keine mathematische Formel, mit der die durchschnittliche Inflation im Zeitverlauf definiert werden soll. Gleichwohl werde die Fed handeln, wenn sich übermäßiger Inflationsdruck aufbauen sollte, so Powell.
  • Das Ziel der "maximalen Beschäftigung" soll künftig breit und inklusiv ausgelegt werden und mehr Aufmerksamkeit erhalten. "Diese Änderung spiegelt unsere Wertschätzung für die Vorteile eines starken Arbeitsmarktes wider, insbesondere für viele [Menschen] in einkommensschwachen und Gemeinschaften mit mittleren Einkommen."
  • Künftig sollen nicht mehr die "Abweichungen" vom maximalen Beschäftigungslevel sondern nur noch eine "Unterschreitung" der maximalen Beschäftigung bei der Geldpolitik berücksichtigt werden. "Diese Änderung mag subtil erscheinen, spiegelt jedoch unsere Ansicht wider, dass ein robuster Arbeitsmarkt ohne Anziehen der Inflation aufrechterhalten werden kann." Mit anderen Worten: Eine mögliche "Überhitzung" des Arbeitsmarktes wird der Fed künftig nicht mehr die Sorgenfalten ins Gesicht treiben, weil dies auch zu einem Anstieg der Inflation führen könnte. Das theoretische Modell für den früher zu beobachtenden, inversen Zusammenhang zwischen Inflation und Beschäftigung, die sogenannte Phillips Curve, spielt damit in den Betrachtungen der Fed keine wohl keine große Rolle mehr.
  • Die geldpolitische Strategie soll künftig alle fünf Jahre überprüft werden.

Fazit: Das Inflationsziel der Fed dürfte künftig noch flexibler gehandhabt werden als bisher schon. Mit ihrer neuen geldpolitischen Strategie gibt sich die Fed einen Freifahrtsschein, die ultralockere Geldpolitik auch dann noch beibehalten zu können, wenn die Inflation nach Jahren zu niedriger Inflation wieder deutlicher anziehen sollte. Damit dürfte die ultralockere Geldpolitik der vergangenen Jahre, die im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal erheblich gelockert wurde, auf absehbare Zeit fortgesetzt werden. Gleichzeitig passt die Fed ihre Ziele auch einfach der Realität an, nachdem es ihr bisher kaum gelungen war, nennenswert Inflation zu entfachen. Die Aussagen Powells deuten an, dass das Ziel "maximaler Beschäftigung" künftig ähnlich wichtig werden könnte wie das Inflationsziel.

Marktreaktionen: Die Rede Powells enthielt keine Überraschungen, die strategische Neuausrichtung der Geldpolitik war so bereits mehr oder weniger erwartet worden. Die Wall Street startete nach der Powell-Rede etwas fester mit neuen Allzeithochs im S&P 500 und im Nasdaq-100 in den Handel.

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Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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