Kommentar
08:39 Uhr, 05.06.2015

US Notenbank Fed: Entscheidung zwischen Inflationsziel und Stabilität des Systems

Vergangene Woche bekräftigte Janet Yellen das Vorhaben einer Leitzinsanhebung in den USA in diesem Jahr. Wenn es wirklich soweit kommt, dann zumindest nicht wegen der Inflation.

Für Janet Yellen sind zwei Faktoren für eine Zinserhöhung ausschlaggebend: die Inflation und der Arbeitsmarkt. Das Mandat der Notenbank besteht darin, diese zwei Messgrößen zu steuern. Wie gut sie das kann, sei dahingestellt. Sie muss jedoch auf beides reagieren und ihr bestes geben.

Kritik an den Maßnahmen um Vollbeschäftigung und Preisstabilität (d.h. 2% Inflation) gibt es genügend. So steigen die Preise einiger Assetklassen in Höhen, die einfach nicht mehr nachvollziehbar sind. Dazu gehören Aktien ebenso wie Anleihen. In den USA ist die Preisblase bei Anleihen weniger stark ausgeprägt als in Europa, dafür aber sind Aktien höher bewertet als hierzulande.

Janet Yellen und Ben Bernanke sind sich der hohen Bewertungen bewusst. Preisblasen zu bekämpfen gehört per se nicht zum Mandat der Notenbank. Sie soll allerdings für die Stabilität des Finanzsystems sorgen. Alle drei Dinge – Preisstabilität, Vollbeschäftigung und Systemstabilität – lassen sich nicht unbedingt gleichzeitig erreichen. Ben Bernanke hat das nach seiner Amtszeit ausführlich analysiert und kommt genau zu diesem Schluss. Eines der drei Ziele fällt den jeweils anderen zum Opfer. Um Vollbeschäftigung zu erreichen, muss man für gewöhnlich Abstriche bei der Preisstabilität machen. Ist Vollbeschäftigung erreicht, dann steigt die Inflation rasch über 2%.

Will eine Notenbank die Inflation anheben, dann riskiert sie die Stabilität des Finanzsystems, indem Preisblasen z.B. am Aktienmarkt entstehen. Notenbanken stecken immer in einem Dilemma. Preisstabilität lässt sich nicht immer gleichzeitig mit Vollbeschäftigung und Systemstabilität erreichen. Fokussiert sich die Notenbank auf die Stabilität des Finanzsektors, dann erreicht sie möglicherweise nicht Vollbeschäftigung und Preisstabilität. Will sie Vollbeschäftigung in den Vordergrund stellen, dann kann es bei Preisen und Finanzstabilität Probleme geben.

Die US Notenbank ist sich der Zwickmühle bewusst. Auch der frühere Notenbankchef Alan Greenspan tut inzwischen Buße und gesteht ein, dass unter seiner Führung zwar Beschäftigungs- und Inflationsziele erreicht wurden, dafür aber die Systemstabilität litt.

In den vergangenen Jahren war die US Notenbank in der komfortablen Situation, dass alle drei Faktoren gleichzeitig relativ zufriedenstellend waren. Die Arbeitslosenrate sinkt auf ein Niveau, das nahe der Vollbeschäftigung liegt. Die Inflation liegt zwar unter 2%, aber nicht viel und die meisten Vermögenswerte sind zwar nicht gerade billig, aber auch noch nicht historisch teuer.

Damit die einigermaßen ausgeglichene Situation auch so bleibt muss die Fed die Zinsen dringend anheben. Tut sie es nicht, dann riskiert sie die Finanzmarktstabilität komplett zu ignorieren und für große Verwerfungen zu sorgen. Aktien und Anleihen sind hoch bewertet. Sie sollten korrigieren, damit die Preisblase nicht zu groß wird. Noch ist die Bewertung in einem Rahmen, in dem eine Korrektur von 20% für Ruhe sorgen kann.

Das Inflationsziel der Fed ist noch nicht erreicht. Dieses dürfte jedoch inzwischen zweitrangig geworden sein. Wichtiger als eine Inflation von 2% ist jetzt die Finanzmarktstabilität. Eine minimale Zinserhöhung signalisiert dem Markt, dass die Fed noch weiß, wie man die Geldpolitik auch straffen kann. Das dürfte etwas Luft ablassen und viele Assetklassen wieder ein klein wenig von ihrem sehr hohen Niveau zurückführen. Wenn dafür der Preis eine etwas zu geringe Inflation ist, dann ist das in Ordnung. So zumindest scheint die Fed zu denken.

Das Inflationsziel wird auf absehbare Zeit nicht erreicht werden. Die Inflationsrate ist auf Jahressicht leicht negativ. Das ist vor allem den gesunkenen Energiepreisen zu verdanken. Grafik 1 zeigt die Inflationsrate und die Veränderung der Erzeugerpreise. Die Erzeugerpreise zeigen die Rohstoffkosten an. Sinkt der Preis für Rohstoffe, die für die Produktion gebraucht werden, dann schlägt sich das hier sofort nieder. Entsprechend ist dieser Preisindex auf Jahressicht stark negativ. Mit fast -10% ist er so negativ wie seit 2008 nicht mehr.

Die Inflationsrate wird von den Erzeugerpreisen stark beeinflusst. Sie laufen parallel. Weil Rohstoffpreise sehr volatil sind, ist ein etwas besserer Maßstab für die Inflationsmessung die Kerninflationsrate. Diese misst die Preisentwicklung ohne Nahrungsmittel und Energie. Diese Rate ist in Grafik 2 dargestellt. Tendenziell läuft sie auch zu den Erzeugerpreisen parallel, allerdings mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Bis die niedrigeren Erzeugerpreise bei Verbrauchern ankommen dauert es 6 bis 12 Monate.

Die Kerninflationsrate liegt derzeit bei knapp 2%. Das ist nahe des Ziels, welches die Notenbank anstrebt. Die Kerninflationsrate wird sich in den kommenden Monaten wahrscheinlich von der 2% Marke entfernen. Erst in den nächsten Monaten werden sich die niedrigeren Erzeugerpreise auch in der Kernrate widerspiegeln. Bis Jahresende ist daher nicht mit einem Anstieg zu rechnen.

Die Fed könnte das zum Anlass nehmen, die Zinserhöhung weiter hinaus zu zögern. Das macht jedoch nur Sinn, wenn sie bereit ist für ihre Zielerreichung an dieser Stelle die Finanzmarktstabilität aufs Spiel zu setzen. Dass sie das tut, kann ich mir fast nicht vorstellen. Nur ein offensichtlicher und deutlicher wirtschaftlicher Abschwung kann die Zinserhöhung noch aufhalten. Alles andere ist fahrlässig. Da kann der Internationale Währungsfonds noch so sehr mahnen, die Zinsen erst im kommenden Jahr anzuheben. Genau das tat er nämlich gestern. Die US Notenbank dürfte das nicht weiter beeindrucken. Sie geht ziemlich stur ihren eigenen Weg.

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    aktienpreise können grundsätlich keine sogenannte blase bilden, da in einenm long/short system nur wetten eingegangen werden und die kurse sind der wetteinsatz.

    alle nebenbemerkungen wir kgv, kurs buchverhältniss, vermögenwerte usw.. sind doch nur beliebige argumente, um marktteilnehmer in eine long oder short wette zu dirigieren.

    in diesem wettspiel gibt es dann wie in jedem anderen spiel und nichts anderes ist eine kauf (long) oder verkauf (short) entscheidung am aktienmarkt gewinner und verlierer.

    anders würde es am aktienmarkt aussehen wenn es keine short gewinnmöglichkeiten gäbe, dann würde es sich nicht um ein spiel sondern um ein werthaltiges investment handeln.

    mit staatsanleihen verhält es sich genauso auch hier gibt es da es sich um ein long/short system handelt keine blasenmöglichkeit.

    es können zwar argumente, wie ob es sinn macht einen negativen zinssatz zu akzeptieren aufkommen, das ändert aber nichts am spiel.

    12:03 Uhr, 05.06.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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