Analyse
23:50 Uhr, 28.08.2015

US-Indizes - Waffenruhe am 50%-Retracement

Bullen und Bären retten sich nach einer heroischen Auseinandersetzung am Aktienmarkt in die Pause und verschieben die endgültige Entscheidung. Am Anleihenmarkt kommt es derweil zur Anwendung der Nuklearoption mit überraschendem Ergebnis.

Erwähnte Instrumente

  • Dow Jones
    ISIN: US2605661048Kopiert
    Kursstand: 16.643,01 Punkte (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • S&P 500
    ISIN: US78378X1072Kopiert
    Kursstand: 1.988,87 Punkte (Chicago Mercantile Exchange) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Dow Jones - WKN: 969420 - ISIN: US2605661048 - Kurs: 16.643,01 Punkte (NYSE)
  • S&P 500 - WKN: A0AET0 - ISIN: US78378X1072 - Kurs: 1.988,87 Punkte (Chicago Mercantile Exchange)
  • Nasdaq-100 - WKN: A0AE1X - ISIN: US6311011026 - Kurs: 4.329,12 Punkte (NASDAQ)

Handelsverlauf und Sektorenentwicklung

Nach einer wahrhaft epischen Schlacht, welche schon jetzt in die Aktienmarktgeschichte eingehen wird, graben sich Käufer, Verkäufer und die wankelmütige Partei der Algorithmen zum Wochenschluss am 50%-Retracement ein um sich über das Wochenende neu zu formieren.

Der Dow Jones geht mit -0,07% aus dem Handel, der breite S&P 500 schafft ein kleines Plus von 0,06% und der NASDAQ 100 konnte sogar 0,10% zulegen.

Verlierer war heute mit -0,57% der Health Care-Bereich, während der Energie-Komplex, heute mit großem Abstand im Ziel einlief, und ein Plus von 2,26% verzeichnen konnte.

Grund hinter dieser Entwicklung ist der seit gestern stattfindende Monster-Squeeze bei Rohöl für den zwar ein umfangreicher Misch-Masch an Spekulationen (Yemen, Venezuela, Nigeria, USA, etc.) verantwortlich gemacht werden könnte, der aber grundsätzlich auf die extreme Übervölkerung dieses derzeit sehr "hippen" Trade zu reduzieren ist. Händler welche sich jetzt in Trendrichtung positionieren wollen sei ans Herz gelegt, dass sich die Rahmenbedingungen jedoch kaum verändert haben. Bemerkenswert ist allerdings, dass das schwarze Gold seine typischerweise negative Korrelation zum Dollar, der im Vergleich zum Euro aufwerten konnte, zuletzt aufgegeben hat.

Die Renditen für 10-jährige Treasuries zeigten sich wie schon seit gestern kaum verändert und beerdigten mit ihren moderaten 2,184% zum Wochenende ganz nebenbei die beliebte Verschwörungstheorie die da postuliert, dass die Welt wie wir sie kennen genau dann aufhört zu existieren, wenn China anfängt seine US-Schulden zu liquidieren. Trotz dem Eintreten dieser angeblichen Mutter aller Katastrophen zucken die US-Zinsen bisher aber nicht einmal mit der Wimper.

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Der Tag an der Wall Street

An den Handelsplätzen in New York dominierte heute hauptsächlich nur Eines, nämlich die unzähligen Einlassungen einer ganzen Reihe an Notenbankern. Es würde den Rahmen dieses Formats sprengen, wollte man ausführlich jede Aussage bewerten, aber der Grundtenor muss bis auf Ausnahmen als „hawkish“ eingestuft werden.

Laut James Bullard beispielsweise ist die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft eingepreist, und die gegenwärtige Volatilität wird den datenabhängigen Ausblick der Fed kaum beeinflussen. Eine Leitzinsanhebung würde dem Markt Vertrauen schenken.

Loretta Mester ließ durchblicken, dass sie keinen großen Fokus auf die erodierenden Inflationserwartungen der Märkte legt, sondern umfragebasierten Einschätzungen größere Bedeutung beimisst. Aufgrund der Volatilität an den Märkten können aus marktbasierte Gradmessern nur schwierig Rückschlüsse gezogen werden. Ihrer Meinung nach befindet sich der amerikanische Arbeitsmarkt nahe an der Vollbeschäftigung, die Geldpolitik sei ab hier nicht mehr in der Lage für weitere Verbesserungen zu sorgen.

Der "ultradovishe", aber (zum Glück) stimmlose Narayana Kocherlakota blieb seiner schon seit langem formulierten Linie treu, und forderte deutlich mehr Engagement von der Federal Reserve. Auf die Frage welche Werkzeuge seiner Zentralbank noch zur Verfügung stünden, brachte er unter anderem weitere Leitzinssenkungen, sowie neue Ankäufe ins Spiel. Wichtig sei aber vor allem, dass die Fed ihre Kommunikation neu ausrichtet, um die viel zu niedrige Inflation zu bekämpfen.

Stanley Fischer auf der anderen Seite ließ die Tür zu einer Leitzinserhöhung im September zum Missfallen der Märkte weit offen. Das Wachstum der US-Wirtschaft sei beeindruckend und bis zum nächsten Meeting im September sei noch genug Zeit die derzeit turbulente Lage in Ruhe zu überdenken.

Summa sumarum: Die Fed hat sich heute geweigert eine unmittelbar bevorstehende Zinswende vom Tisch zu nehmen und verteidigt weiter ihren Phillipskurven-Ansatz. Den Hoffnungen der Anleger, dass die Zentralbank ihr Mandat auf den VIX ausweitet, wurde heute eine Absage erteilt. Die Fundamentaldaten stehen ohne Zweifel hinter ihr.

Erwähnenswert und von möglicherweise nicht wenig Bedeutung für alle aktiven Trader sind Aussagen von Mohamed El-Erian, der heute im Bloomberg-Chat dem Chef-Quant von JPM beigepflichtet hat: In den nächsten Wochen könnten die fundamentaldatenfrei und sentimentneutral agierenden Algo-Trader das Heft des Handelns energisch an sich reißen. Händler sollten sich auf dieses neue Regime einstellen, und es in ihre Entscheidungen mit einbeziehen.

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Weekly Recap und Ausblick

Am Dienstag meldete der Markit Flash U.S. Services PMI einen Punktestand von 55,2 nach 55,7 im Juli. Der Servicesektor setzt seinen mittlerweile fünfeinhalb Jahre dauernden Lauf fort, und schafft weiterhin Stellen.

Laut den S&P/Case-Shiller Home Price Indices verteuerten sich die Hauspreise in den USA im Juni um rund 5% (y/y) und verdeutlichten damit einmal mehr die bärenstarke Verfassung des Immobilienmarktes, welcher nach Meinung von David Blitzer (Dow Jones Indices) eine Leitzinsanhebung um 25 Basispunkte durchaus verkraften würde.

Der Federal Housing Finance Agency Index bestätigte indes dieses sehr positive Bild und zeigte für den entsprechenden Zeitraum ein annualisiertes Wachstum von +5,6% an.

New Home Sales stiegen im Juli um 25,8% (y/y) auf 507.000 Einheiten und lassen einen weiterhin erfreulichen Trend vermuten.

An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass der amerikanische Satz für Hypotheken mit einer Laufzeit von 30 Jahren weiterhin bei ultraniedrigen 3,84% verharrt, und keine Anstalten macht nennenswert Aufwärtsdrang zu entwickeln. Die dauerhafte Aussetzung der Zinswende beziehungsweise QE4 sind für die Fed damit möglicherweise keine Option.

Die Richmond-Fed goß dann mit ihrem Manufacturing Activity Survey, der im Vergleich zum Juli um 13 auf 0 Zähler einbrach, schließlich doch noch etwas Wasser in den Wein. Die Umfrageteilnehmer blieben jedoch trotz dieses Dämpfers bezüglich der Zukunft sehr optimistisch, und rechnen in den nächsten Monaten unter anderem mit höheren Gehältern und weiterhin soliden Investitionsaufwendungen.

Wie am Mittwoch dann bekannt wurde, stiegen die Mortgage Applications zur Vorwoche um annualisierte 0,2% an. Während die Refinanzierungstätigkeit etwas abnahm, waren es vor allem von der US-Regierung subventionierte Kredite, welche den Aufwärtstrend trieben und auf Wochenbasis um 5,6% zulegten.

Die Durable Goods Orders pulverisierten wenig später alle Erwartungen und kündeten von einem Wachstum der Juli-Kernrate (ex Defense & Aircraft) von 2,2%. Der entsprechende Wert für Juni wurde drastisch von -0,9% auf +1,4% nach oben korrigiert.

Am Donnerstag erzeugten die Initial Claims mit einem Zählerstand von 271.000 und das revidierte Q2-GDP von 3,7% für Partystimmung (letzte Schätzung 2,3%, Erwartung 3,3%). Eine ausführliche Besprechung dieser Datenreihe mit Ausblick liefert Clemens Schmale.

Der Pending Home Sales Index stieg im Juli im Vergleich zum Vormonat um 0,5% auf 110,9 Punkte und liegt damit nun 7,4% über dem Vorjahreswert. Laut Lawrence Yun, dem Chefökonom der National Association of Realtors, sorgen die gegenwärtigen Unsicherheiten für niedrige Zinsen und Nachfrage. Immobilien werden von Investoren als relativ stabiler Asset eingestuft.

Der Manufacturing Index der Kansas-Fed sank im August zum Vormonat um 2 auf -9 Zähler. Hauptsächlicher Grund des Rückgangs ist vor allem die schwache Aktivität im Energiebereich.

Am Freitag meldete das Bureau of Economic Analysis einen Anstieg des verfügbaren Einkommens im Juli zum Vormonat um 0,5%. Die Konsumausgaben stiegen entsprechend um 0,3%, während sich die Sparquote um 0,2 Punkte auf 4,9% verbesserte.

Der von der University of Michigan erstellte Survey of Consumers fiel im August von 93,1 auf 91,9 Punkte und lag damit zwar leicht unter den Erwartungen von 93,20 verharrte aber weiter auf hohem Niveau. Die Inflationserwartungen der Verbraucher sind weiterhin fest bei 2,8% verankert. In der Gegenüberstellung zum Conference Board's Consumer Confidence Index, der mit 101,5 Punkten auf dem höchsten Wert seit Januar notiert, ergibt sich ein etwas gemischtes Bild.

Im unmittelbaren Fokus dürfte über das Wochenende jede Einlassung aus Richtung Jackson Hole stehen, es sei deshalb vor einem allzu sorgenfreien Wochenende gewarnt.

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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