Fundamentale Nachricht
12:15 Uhr, 29.05.2018

US-Dollar-Comeback: Trendwende oder Strohfeuer?

Witold Bahrke, Senior-Stratege bei Nordea Asset Management, rechnet damit, dass der US-Dollar bis Jahresende weiter aufwertet.

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  • EUR/USD
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    Kursstand: 1,16490 $ (FOREX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Stockholm (GodmodeTrader.de) - Der US-Dollar ist zurück. Nach dem elfprozentigen Einbruch im vergangenen Jahr waren sich die Analysten einig: 2018 geht es weiter abwärts. Tatsächlich aber hat die US-Währung im Jahr 2018 den Markt überrascht und seit ihrer Talsohle im Februar um fünf Prozent zugelegt, wie Witold Bahrke, Senior-Stratege bei Nordea Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

„Vereinfacht ausgedrückt verursacht ein sinkender US-Dollar einen positiven und ein steigender Dollar einen negativen Liquiditätsschock, denn der US-Dollar ist die wichtigste Finanzierungswährung der Welt. Über zwei Drittel aller Schwellenländer-Schulden lauten auf US-Dollar”, so Bahrke. Der günstige Dollar wäre also gleichbedeutend mit günstigen Finanzierungen, sodass letztes Jahr die Risikobereitschaft und die Schuldenhebel gestiegen seien. Gewinne der Dollar umgekehrt an Stärke, hätten die Dollar-Schuldner bei gleichem Einkommen eine höhere Schuldenlast und der Schuldendienst werde teurer, was ihre Kreditwürdigkeit untergrabe.

Dadurch sei die künftige Entwicklung der US-Währung von zentraler Bedeutung. „Um zu klären, ob der Niedergang des US-Dollars jetzt endgültig gestoppt ist oder ob wir nur ein kurzes Zwischenhoch erleben, müssen wir die Hintergründe der Aufwertung betrachten”, so der Experte. Was hat den Dollar erstarken lassen? Bahrke sieht drei Faktoren:

Asynchrone Inflation: Anders als noch 2017, sei die Inflation in den USA aktuell überraschend hoch, in Europa und China hingegen rückläufig. Je weiter die Inflationsraten auseinanderdrifteten, desto unterschiedlicher falle auch die Geldpolitik aus. Die US-Notenbank (Fed) dürfte eher zu restriktiv als zu lax vorgehen, während andere Zentralbanken womöglich expansiver aufträten als erwartet. Davon profitiere der US-Dollar. So sei kürzlich die Zinsdifferenz zwischen den USA und China gestiegen, nachdem die chinesische Zentralbank die Reserveanforderungen für Banken gelockert habe. Und die EZB schaffe es immer noch nicht so recht, das Ende ihres Anleihenkaufprogramms anzukündigen, heißt es.

Asynchrones globales Wachstum: „Die „synchrone Erholung“ des Jahres 2017 werde allmählich durch eine „asynchrone Abschwächung“ abgelöst. „Neben der generellen Verlangsamung des Weltwirtschaftswachstums im Zuge der langsam greifenden Straffungsmaßnahmen warten einige Regionen (und besonders Europa) mit deutlich weniger positiven Konjunkturüberraschungen auf als die USA, während sich die meisten Regionen letztes Jahr noch ähnlich entwickelten”, sagt Bahrke. Dadurch fließe weniger Kapital aus den USA in Regionen, die in guten Zeiten höhere Erträge versprächen. Dieses Umfeld mache die sogenannten Carry Trades weniger attraktiv und trage dadurch zur US-Dollar-Stärke bei.

Abzinsungseffekt: Die Rendite von zehnjährigen US-Staatsanleihen hätte vor kurzem die psychologisch wichtige Hürde von drei Prozent genommen. Dadurch seien die Anleger auf die enorme Renditedifferenz gegenüber anderen Regionen aufmerksam geworden, die schon seit einiger Zeit für einen stärkeren US-Dollar sprächen. Mit der steigenden Attraktivität der US-Renditeniveaus profitierten der US-Dollar und US-Anleihen plötzlich von der allgemeinen Suche nach Rendite, heißt es weiter.

Was sagten uns diese Faktoren über die weitere Entwicklung des US-Dollar? Bahrke erklärt: „Wir rechnen damit, dass der US-Dollar bis Jahresende weiter aufwertet. Grund hierfür sind zunächst einmal die weiter asynchronen Inflationstendenzen. Besonders die chinesische Inflation könnte noch weiter sinken.” Und es scheine, als müsste die EZB ihre Straffungsziele zurücknehmen – mit dem Resultat eines schwächeren Euro. Zum anderen befeuerten die Steuersenkungen der Trump-Regierung das US-Wachstum und leisteten damit der asynchronen Wachstumsdynamik weiter Vorschub, während der Euroraum gleichzeitig unter der letztjährigen Eurostärke leide. Das langsamere Kreditwachstum in China wiederum bremse die zweitgrößte Wirtschaft der Welt. Und schließlich spreche unter dem Renditeaspekt wohl auch weiter alles für den US-Dollar, selbst wenn die Staatsanleihenrenditen vermutlich nicht nennenswert weiter stiegen. Dass die EZB die Euro-Zinsen über die weitere Drosselung ihrer Anleihenkäufe freigebe, solange sich das Wachstum verlangsame und die Inflation weit unter dem Zielwert liege, sei schwer vorstellbar.

„Wir erwarten nicht, dass der US-Dollar durch die Decke geht. Dennoch müssen Anleger angesichts des gestiegenen Wechselkurses jetzt mit restriktiveren monetären Rahmenbedingungen zurechtkommen, nachdem nicht nur die Fed aggressiver auftritt, sondern auch der US-Dollar an Stärke gewonnen hat. Damit sind die Marktkonditionen heute ganz anders als noch im vergangenen Jahr”, so der Senior Stratege. Die jüngsten Schwellenländerprobleme etwa seien eindeutig eine Konsequenz des starken US-Dollar, weil die Region mehr als andere von ausländischer Dollarliquidität abhänge. Die Schwellenländer könnten hier kaum gegensteuern, während die Fed bisher nach dem Motto agiere: „Es ist unser Dollar, aber Euer Problem.“ Entsprechend werde die Luft für Schwellenländeranlagen künftig dünner, und Anleger müssten Regionen und Länder vorsichtiger selektieren, denn der letztjährige Renditehunger und die entsprechend höhere Risikobereitschaft nähmen ab. Im Schwellenländervergleich sollten Lokalwährungsanleihen bis Ende 2018 schlechter abschneiden als Hartwährungsanleihen, heißt es weiter.

Anleger auf der Suche nach Rendite müssten nicht länger auf die relativ riskanten Schwellenländeranleihen ausweichen. Mittlerweile biete das traditionelle US-Anleihensegment attraktive Renditen mit einem besseren Chance-Risiko-Profil als zuletzt in den Schwellenländern. Aus europäischer Sicht sei der Renditeaufschlag in den USA bereits seit einiger Zeit attraktiv, aber viele EU-Anleger ließen sich angesichts des letztjährigen Abwärtstrends beim US-Dollar von den Währungsrisiken und/oder den hohen Absicherungskosten abschrecken. Bahrke schließt: „Da die oben beschriebenen Makrotrends die US-Währung aber auch künftig stützen sollten, lohnt ein gewisses Währungsrisiko durchaus. Verglichen mit deutschen Staatsanleihen ist der Renditeaufschlag sowohl am kurzen als auch am langen Ende so hoch wie seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr.”

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5 Kommentare

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    die nächsten zinssenkungen sind nicht mehr weit entfernt bei dem tempo der jährlichen neuverschuldung der usa.

    genauso wie dann auch das nächste qe (x) programm anläuft.

    im verhältniß zur eu erhöht sich die us verschuldung im vergleich zum bip zuwachs schon seit mehreren jahren und eine trendwende ist nicht abzusehen, eher eine ausweitung dieses mißverhältnisses.

    wenn die langfristige betrachtung oberhand gewinnt, ist der klare verlierer nicht mehr zu verstecken.

    jetzt kann natürlich japan als gegenbeispiel aufgeführt werden, aber im vergleich zur usa hat die boj ein besseres geldmanagement und eine sehr gute zinskontrolle.

    11:38 Uhr, 30.05. 2018
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Langfristig ist er tot, der USD. Immerhin hat er in den letzten 100 Jahren bereits 97% von seinem Wert verloren, wenn man ihn mit echtem Geld (Gold) vergleicht. Kurfristig wechseln sich die Papierwährungen immer mal ab auf der Reise nach Süden.

    09:15 Uhr, 30.05. 2018
  • kingmidas
    kingmidas

    Damit hätten wir nun alles abgedeckt von EUR wird auf 1,60 steigen bis Dollar gewinnt weiter an stärke bis zum Jahresende. Viele verschiedene Experten Meinungen und ich frage mich, ob ihr von Godmode Bahrke zustimmt?

    Wenn ich mich nicht irre, war die überwiegende Meinung der Godmode Redakteure, dass der Euro bis zum Jahresende eher steigen wird?

    Meine Frage, ist das immer noch so oder hat sich mittlerweile etwas daran geändert?

    Meiner Meinung nach ist der Euro trotz der aktuellen Abwertung immer noch stark positioniert und wird wenn nichts unplanmäßiges dazwischen kommt wieder eine Rallye starten.

    Jedenfalls sehr interessantes Thema.

    19:23 Uhr, 29.05. 2018
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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