Fundamentale Nachricht
12:29 Uhr, 12.06.2018

Unsicherheiten bei Schwellenländeranleihen

Der Fokus auf Fundamentaldaten ist nach Einschätzung von Paul McNamara, Investment Director für Schwellenländeranleihen bei GAM Investments, jetzt besonders wichtig.

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Zürich (GodmodeTrader.de) - Ein starker US-Dollar hat für die jüngste Schwäche bei Schwellenländeranleihen in lokaler Währung gesorgt. Seit Mitte April hat der Greenback nochmals deutlich zugelegt. Zwar sprechen kurzfristig einige Gründe für einen steigenden Dollarkurs – Paul McNamara, Investment Director für Schwellenländeranleihen bei GAM Investments, glaubt jedoch nicht, dass dieser Anstieg von Dauer sein wird: „Mittelfristig korreliert der US-Dollar mit der Weltkonjunktur, insbesondere mit der Differenz zwischen dem US-Wachstum und dem weltweiten Wachstum. Unseres Erachtens werden die Fundamentaldaten für das Weltwirtschaftswachstum stark bleiben. Wir gehen von einer Erholung in der Eurozone und einer Konsolidierung in den Schwellenländern außerhalb Chinas aus“, schreibt der Experte in einem aktuellen Marktkommentar.

In China zeichne sich dagegen allmählich eine Abkühlung ab. In diesem Umfeld dürfte der US-Dollar seitwärts tendieren. Die zugrunde liegenden EM-Fundamentaldaten hält McNamara für solide. „Die Anlageklasse bietet derzeit hervorragende Relative-Value-Chancen. Die beiden wichtigsten Faktoren auf der fundamentalen Seite sind unserer Meinung nach der Wachstumsausblick und die Zahlungsbilanz“, so Paul McNamara.

Bezüglich der Außenbilanz schnitten zurzeit neben dem von Sanktionen gepeinigten Russland die beiden Länder Türkei und Argentinien am schlechtesten ab. Einen Grund zur Sorge sieht McNamara in der aktuell schwächeren Außenbilanz jedoch nicht: „Sie ist zwar schwächer als vor ein paar Jahren, aber immer noch wesentlich stärker als kurz vor den großen Verkaufswellen in den Jahren 2008 und 2013. EM FX sind weitaus stabiler und verzeichnen selten größere Rückgänge, wenn ein Leistungsbilanzüberschuss erwirtschaftet wird.“

Zudem seien die Nettokapitalzuflüsse gemessen an den historischen Standards nach wie vor recht gering. „Wir erwarten, dass sie sich angesichts des robusten Wachstums des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Schwellenländer und großzügiger Renditen mit der Zeit normalisieren. Wenn die Kapitalzuflüsse zunehmen und die Devisenreserven weiter steigen, dürften sich die Schwellenländerwährungen gut entwickeln“, so der Experte weiter.

Der Wachstumsausblick sei ebenfalls gut. Zwar sei das Kreditwachstum zwischen 2011 und 2015 in den Schwellenländern außerhalb Chinas gesunken. Als es sich 2016 jedoch wieder stabilisiert habe, habe der Kreditimpuls angezogen und das reale BIP-Wachstum der Schwellenländer habe um vier Prozent zugelegt. „Gegenwärtig liegt das Kreditwachstum noch deutlich unter dem BIP-Wachstum, während die Verschuldungsquote sinkt. Wir erwarten, dass auch das Kreditwachstum zunimmt, wenn sich die Bilanzen verbessern, und dass der positive Kreditimpuls dann Nachfrage und BIP-Wachstum ankurbeln wird. Diese unterstützende Wirkung wird wahrscheinlich die nächsten zwei Jahre anhalten“, so McNamara. In China stelle sich das Bild ganz anders dar: Das Kreditwachstum sei hier nach wie vor stark, und das Verhältnis von Kreditvolumen zum BIP steige, heißt es weiter.

Neben soliden Fundamentaldaten für die Anlageklasse insgesamt böten Schwellenländeranleihen in Lokalwährung momentan besonders attraktive Relative-Value-Chancen. Der argentinische Peso und die türkische Lira hätten sich in den letzten Wochen beide stark abgeschwächt. „Unser Ausblick für diese Währungen ist jedoch sehr unterschiedlich“, erläutert McNamara.

In beiden Ländern sei die Nachfrage zuletzt robust gewesen. Aufgrund der schlechteren Handelsbilanz müssten beide Länder mit Zinsschritten reagieren - oder sich mit einer weiteren Währungsschwäche abfinden. In Argentinien deutet McNamara zufolge alles auf Zinserhöhungen und eine stabile Währung hin. „Die Fremdwährungsschuld ist in dem südamerikanischen Land relativ hoch, die Inlandskredite dagegen eher niedrig. Sollte sich der argentinische Peso zu sehr abschwächen, wird die Schuldenlast zunehmen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass höhere inländische Zinssätze die Binnenwirtschaft in eine Rezession stürzen, da der Verschuldungsgrad niedrig ist.“ Darüber hinaus hätten Argentiniens Politiker ihre Bereitschaft gezeigt, alles Notwendige zu unternehmen, um den argentinischen Peso zu schützen. In den vergangenen zwei Wochen hätten sie die Leitzinsen um 12,75 Prozent angehoben.

In der Türkei dagegen hätten sich Privathaushalte und Unternehmen im Laufe der Zeit zunehmend verschuldet, und die politische Führung lehne Zinserhöhungen entschieden ab. „Mit dem Zinsschritt im Jahr 2017 wurden die möglichen Auswirkungen auf die Wirtschaft durch die Einrichtung eines Kreditgarantiefonds abgefedert, sodass das Kreditwachstum nach der Zinserhöhung tatsächlich noch zunahm. Die Kreditbedingungen wurden gelockert, anstatt sie zu straffen. Die Türkei würde eine Wachstumsverlangsamung vor der Wahl nur ungern hinnehmen. Deshalb wird die dortige Zentralbank die Zinsen wahrscheinlich nicht wesentlich anheben. Der Ausgleich wird daher eher über eine Schwäche der türkischen Lira erfolgen“, schlussfolgert McNamara.

Die Türkei sei mit ihrer hohen Fremdwährungsschuld, ihrem anfälligen Bankensektor, ihrer Abhängigkeit vom Baugewerbe als Wachstumstreiber und ihrer politischen Spaltung eher gefährdet als Argentinien, wo die sehr geringe Inlandsverschuldung hohe Zinsen tragbarer mache.

„Angesichts der positiven fundamentalen Aussichten für Schwellenländer behalten wir unsere Übergewichtung in den meisten Hochzinswährungen mit guten Fundamentaldaten bei. Dazu zählen der Rubel, der Mexikanische Peso Nuevo, der Brasilianische Real und der Peruanische Sol. Auch im argentinischen Peso sind wir übergewichtet. In der türkischen Lira dagegen sind wir stark untergewichtet, ebenso wie im polnischen Zloty, um das Risiko durch den starken US-Dollar etwas abzufangen“, schließt der Experte.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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