Kommentar
07:10 Uhr, 13.06.2016

Ultraniedrige Zinsen: "Schöne" neue Anleihewelt

Der Juni beginnt mit einer kleinen Sensation. Regierungen profitieren mehr davon als Anleger, doch auch sie sollten letztlich positive Effekte spüren.

Im Mai überstieg das Volumen an Staatsanleihen mit negativer Rendite erstmalig die Marke von 10 Billionen Dollar. Laut Ratingagentur Fitch waren es Ende Mai 10,4 Billionen Dollar. Das waren 5 % mehr als noch im April. Dieser Trend setzt sich im Juni munter fort. Deutsche Staatsanleihen erreichten in dieser Woche neue Tiefs und vermutlich wird es noch tiefer gehen.

Zu Jahresbeginn, als das Marktumfeld generell nicht besonders freundlich war, flohen Anleger in sichere Staatsanleihen. Es ist verständlich, dass diese Flucht in Anleihen die Renditen senkte. Ab Mitte Februar bis in den Mai befand sich der Markt allerdings in einem Risk-on Modus. Anleger strömten zurück in Aktien und andere spekulativere Anlageklassen.

Die Renditen für Staatsanleihen sanken in dieser Zeit weiter, obwohl Anleger wieder risikofreudiger waren. Der Trend ist auch überraschend, weil es bis vor wenigen Tagen noch vollkommen klar schien, dass die US-Notenbank die Zinsen bald anheben würde. Eine Fortsetzung der Zinswende in den USA, wenn auch sehr vorsichtig, spricht eigentlich für steigende Renditen.

Die Notenbankpolitik divergiert global. Die USA versuchen die Zinswende, während in Europa und Japan weiter gelockert wird. Trotz dieser Divergenz konnte man in der Vergangenheit beobachten, dass die Zinsen global stiegen, wenn sie in den USA stiegen. Dieses Mal war das nicht der Fall.

Anleger und Investoren scheinen von anhaltend niedrigen Zinsen auszugehen. Es scheint fast so, als wollten Investoren schnell noch die letzten Anleihen aufschnappen, die wenigstens nur knapp im negativen Bereich rentieren.

Ganz besonders ausgeprägt ist das Phänomen in Japan. Japan hat einen Schuldenberg von ungefähr 10,6 Billionen Dollar. Das entspricht 229 % der Wirtschaftsleistung. Der Schuldenberg ist in der Welt einzigartig. Selbst Griechenland wird dagegen fast wie ein Sparfuchs mit ca. 180 % Verschuldungsgrad.

Obwohl Japans Finanzen desolat sind, werden die Anleihen gekauft, als gäbe es bald keine mehr. Sorgen muss man sich da eigentlich keine machen, denn die Regierung hat ein Budgetdefizit von über 7 % der Wirtschaftsleistung. Der Schuldenberg wächst also munter weiter und ein Ende ist nicht in Sicht.

Japans Regierung beschloss vergangene Woche, dass die geplante Mehrwertsteuererhöhung noch einmal verschoben wird. Die Regierung hätte die Einnahmen dringend gebraucht, um das Defizit in den Griff zu bekommen. Bei der letzten Steuererhöhung kam es jedoch zu einem Einbruch des Konsums, sodass die Regierung unterm Strich auch nicht mehr Steuern einnehmen konnte.

Unter diesen Voraussetzungen wird Japan vermutlich nie mehr die Steuern erhöhen, sondern weiter munter hohe Budgetdefizite fahren. Trotzdem sind die Anleihen gesucht wie sonst nirgends auf der Welt. Von den insgesamt 10,6 Billionen an Staatsschulden rentieren 6,6 Billionen im negativen Bereich. Über 60 % der Anleihen haben also eine negative Rendite.

Global sieht das wie in der Grafik dargestellt aus. Noch vor wenigen Jahren waren Anleihen mit negativer Rendite absolute Exoten. Nach aktuellem Stand rentieren 10,4 Billionen im negativen Bereich. Setzt sich der Trend so fort, dann könnten es bis Jahresende 13 bis 14 Billionen sein.

Staaten gewinnen durch die negativen Renditen. Laut Fitch beträgt die durchschnittliche negative Rendite derzeit 0,24 %. Pro Jahr wird Staaten also 25 Mrd. überwiesen, damit sie sich Geld leihen. Noch vor wenigen Jahren hätten Staaten für dieselben Anleihen 125 Mrd. zahlen müssen. Die jährliche Zinsersparnis summiert sich also auf 150 Mrd.

Noch ist die Ersparnis zu gering, um die Schulden wieder abzutragen. Für Regierungen ist es jedoch ein Anfang. Für Investoren, insbesondere Pensionsfonds, ist es ein Graus. Für den regulären Anleger kann diese „schöne“ neue Welt jedoch auch etwas Positives bedeuten.

Je mehr Anleihen im negativen Bereich rentieren, desto größer wird der Anlagenotstand. Viele Pensionsfonds sind dabei ihre Regeln zu ändern, um mehr in Aktien investieren zu können. Der Anlagenotstand hilft Aktien, denn neben Staatsanleihen ist es der größte Markt, der Gelder aufnehmen kann.

Aktienkurse werden zweifelsohne weiterhin volatil bleiben. Nichtsdestotrotz sind die langfristigen Perspektiven gut. Die Kurse sind durch die Verzweiflung von Großanlegern unterstützt. Gerade heute wirkt das nicht so. Man darf allerdings nicht vergessen, dass der Anlagenotstand ein langfristiges Thema ist und nichts, was die Kurse auf Sicht von Tagen beeinflusst.

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33 Kommentare

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  • tschak
    tschak

    ja, ich sehe das genau so! Trotz all dem Chaos - verursacht teilweise durch extreme Inkompetenz, kann der "intelligent Investor" langfristig EXTREM vom Status-Quo und den Anleihen-Aussichten durch ein Aktien-Portfolio profitieren. Dividenden nicht vergessen ;-)

    16:18 Uhr, 13.06.2016
  • Chronos
    Chronos

    Was ich bei den Fundi-Analysen, wo eigentlich abwechselnd jeder Stein umgedreht wird, nicht kapiere, ist warum das offensichtliche fehlt.

    Das die Staaten sich immer selber mehr fressen und damit schon allein niedrige Zinsen brauchen ist klar, das es jetzt an´s Eingemachte und das Tafelsilber geht (Pensionskassen) wird

    in den Medien sehr schwach beleuchtet.

    Ist so wie die Suche nach der Inflation. Bei anderen Ländern bin ich da nicht informiert, aber

    alle die noch nicht in Rente sind, erhalten eine gesetzlich verankerte Inflation von 2% pa.

    Das steht in DEU in den Gesetzbüchern und damit ist das nichts schnelles und auch nichts Neues. Die Freigrenzen werden auch immer kleiner und Ziel 0 ist nicht weit weg.

    12:47 Uhr, 13.06.2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Heute ist Draghi day. Das plunge protection team in action.

    09:26 Uhr, 13.06.2016
  • Market Impact
    Market Impact

    schade nur das man mit bitcoin kaum bezahlen kann. ist halt auch nur ein zocker asset!

    19:46 Uhr, 12.06.2016
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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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