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15:53 Uhr, 02.05.2013

Überblick: EZB senkt Leitzins auf 0,50%

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei ihrer geldpolitischen Ratssitzung am Donnerstag wie erwartet den Leitzins gesenkt. Außerdem wurden weitere wichtige Entscheidungen getroffen. So will die EZB unter anderem die Versorgung kleinerer und mittlerer Unternehmen mit Bankkrediten verbessern.

Leitzins

Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich die Geschäftsbanken bei der EZB refinanzieren können, wird um 0,25 Prozentpunkte auf das neue Rekordtief von 0,50% verringert, wie der geldpolitische Rat der EZB bei seiner Auswärtssitzung in Bratislava beschloss. Draghi begründete die Leitzinssenkung mit den schwachen wirtschaftlichen Aussichten für die Eurozone. Die Inflationserwartungen seien weiter "fest verankert", sagte Draghi. In den vergangenen neun Monaten hatte der Leitzins bei 0,75% gelegen. Die Volkswirte hatten im Schnitt für die heutige Sitzung mit einer Senkung um 25 Basispunkte auf 0,50% gerechnet. Draghi betonte, dass die EZB auch nach dieser Zinssenkung weiter handlungsfähig bleibe. Man sei bereit zu handeln, wenn dies notwendig werde.

Spitzenrefinanzierungsfazilität und Einlagezinsen

Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität, mit der sich die Banken bei dringendem Liquiditätsbedarf kurzfristig über Nacht Geld bei der EZB beschaffen können, wird um 50 Basispunkte auf 1,00 % gesenkt. Der Zinssatz für die Einlagefazilität, mit der die Geschäftsbanken überschüssiges Geld bei der EZB "parken" können, wird unverändert bei 0,00 % belassen. Sämtliche Zinssatzänderungen gelten ab dem 8. Mai 2013.

Negative Einlagezinsen

EZB-Präsident Mario Draghi wollte für die Zukunft auch negative Einlagezinsen nicht ausschließen. Man stehe dieser Möglichkeit "unvoreingenommen" gegenüber und sei auch technisch darauf vorbereitet, sagte Draghi auf der Pressekonferenz. Im Falle eines negativen Einlagezinssatzes müssten die Banken für das Parken von Geld bei der EZB Gebühren entrichten, statt Zinsen zu erhalten. Dadurch könnte die EZB einen zusätzlichen Anreiz für die Banken schaffen, das Geld durch Kreditvergabe der Realwirtschaft zur Verfügung zu stellen statt es bei der Notenbank zu parken.

Vollzuteilung bis Mitte 2014

Neben den Zinsentscheidungen traf die EZB noch einige weitere wichtige Entscheidungen. So kündigte die EZB an, die seit der Finanzkrise geltende Vollzuteilung bei Refinanzierungsgeschäften mindestens bis zum 8. Juli 2014 beizubehalten. Das bedeutet, dass die EZB den Banken weiterhin so viel Geld zur Verfügung stellt, wie diese benötigen. Nach dem vor der Finanzkrise von der EZB angewandten Zinstenderverfahren erhielten nur die Banken mit den höchsten Zinsangeboten Geld von der EZB. Durch die Verlängerung der Vollzuteilung werde die ausreichende Versorgung der Banken mit Liquidität sichergestellt, sagte Draghi auf der Pressekonferenz.

Kreditversorgung kleinerer und mittlerer Unternehmen

Die EZB beschäftigte sich außerdem mit der schwierigen Versorgung kleinerer und mittlerer Unternehmen mit Bankkrediten. Die EZB werde zu diesem Thema Beratungen mit anderen europäischen Institutionen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) aufnehmen, sagte Draghi. Der Markt für forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset Backed Securities, ABS) solle dadurch wieder in Gang gesetzt werden, so Draghi. Dabei gehe es insbesondere um Papiere, die mit Kreditforderungen an Unternehmen unterlegt sind. Viele Unternehmen in den Krisenländern der Eurozone kommen nur zu sehr hohen Zinsen oder überhaupt nicht an frische Bankkredite. Die EZB hofft nun, durch die Wiederbelebung des ABS-Marktes die Kreditversorgung kleinerer und mittlerer Unternehmen zu verbessern. So könnten derartige Kredite von der EIB verbrieft werden und damit auch weiterverkauft werden. EZB-Präsident Mario Draghi gab auf der Pressekonferenz aber zu, dass man noch keine klare Vorstellung davon habe, wie ein solches Programm für die Kreditvergabe an kleinere und mittlere Unternehmen aussehen könnte. Die ABS-Papiere hatten zur Finanzkrise in den USA beigetragen, weil durch sie "faule" Hypothekenkredite in großem Stil weiterverkauft werden konnten.

Fortschritte bei der Krisenbekämpfung

EZB-Präsident Mario Draghi forderte die Euro-Länder nachdrücklich auf, in ihren Konsolidierungsmaßnahmen nicht nachzulassen. Die Sparpolitik habe deutliche Fortschritte bei der Konsolidierung der Staatshaushalte gebracht. Die Target2-Salden seien weiter zurückgegangen, sagte Draghi. Außerdem forderte der EZB-Präsident die schnelle Einrichtung der gemeinsamen Bankenaufsicht in der Eurozone sowie einer gemeinsamen Behörde zur Abwicklung von Banken.

Zyprische Staatsanleihen wieder notenbankfähig

Von Zypern begebene oder in vollem Umfang garantierte Anleihen werden für die Kreditgeschäfte des Eurosystems wieder als notenbankfähige Sicherheiten eingestuft, sie unterliegen allerdings speziellen Bewertungsabschlägen. Die Anwendung des sog. Bonitätsschwellenwerts, der nach den Regelungen über die Zulässigkeit von Sicherheiten für die Kreditgeschäfte des Eurosystems eigentlich vorgesehen ist, wird bis auf Weiteres ausgesetzt. Zyprische Anleihen werden also auch dann akzeptiert, wenn sie von den Ratingagenturen nicht die eigentlich notwendigen Bonitätsnoten erhalten.

Oliver Baron

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Über den Experten

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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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