Fundamentale Nachricht
12:22 Uhr, 02.08.2017

„Über die erstaunliche Selbstgefälligkeit am Anleihenmarkt"

Für das Credit-Team von Robeco sind ausgewählte Segmente des globalen Markts für Unternehmensanleihen attraktiv, zum Beispiel europäische Finanzinstitute und Versicherungen.

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  • EURO STOXX 50
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    Kursstand: 3.475,31 Pkt (STOXX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Rotterdam (GodmodeTrader.de) - Das Credit-Team von Robeco sieht an den globalen Anleihenmärkten zahlreiche Ungleichgewichte, die über Jahre fortbestehen, aber auch jederzeit zu einer Korrektur führen könnten. Sorgen bereiten dem Team um Sander Bus und Viktor Verberk vor allem die Selbstgefälligkeit sowie die hohen Bewertungen an den Märkten, die nicht mehr die Fundamentaldaten widerspiegeln. Zwar scheint es noch nicht zur Wende zu kommen, Anleger sollten jedoch unerwartete Risiken vor allem im Zusammenhang mit China und den fallenden Rohstoffpreisen im Blick behalten, wie die Robeco-Experten in einem aktuellen Marktkommentar schreiben.

Es gebe viele Quellen möglicher Ungleichgewichte an den globalen Finanzmärkten: Hierzu zählten disruptive Schritte der Notenbanken, ein nie zuvor dagewesenes Kreditwachstum in den Schwellenländern und noch einige mehr. Die Bewertungen riskanter Vermögenswerte lägen auf hohem Niveau. Doch Fakt sei: Tatsächlich könnten Märkte über Jahre hinweg in einem Zustand der Selbstgefälligkeit verharren, heißt es weiter.

„Uns ist jedoch bewusst, dass es jederzeit aus vielfältigen Gründen – und damit unerwartet – zu einer Korrektur von Ungleichgewichten kommen kann. Das erstaunlichste Maß an Selbstgefälligkeit sehen wir hierbei in China, gemessen am Verhältnis zwischen Wirtschaftswachstum und Anstieg des Kreditvolumens. In der Volksrepublik steigt das Risiko eines starken Wachstumseinbruchs mit deflationärer Wirkung“, so das Robeco-Credit-Team.

Aus wirtschaftlicher Sicht hätten wir allerdings noch etwas Zeit. Europa befinde sich in einer Phase kräftiger Expansion. Die Europäische Zentralbank habe es mit ihrer Leitzinsanhebung zwar nicht ganz eilig, denn bislang sei es ihr nicht gelungen, höhere Inflationserwartungen zu erzeugen. Die geringe Inflation angesichts der Entwicklung an den Arbeitsmärkten sei nicht ganz zu erklären. Es bestehe ein erhebliches Risiko, dass die Notenbanken hinter der Entwicklung hinterherhinkten, sollte sich das Wachstum der Löhne unerwartet beschleunigen, heißt es weiter.

„Die Konjunkturabschwächung in den USA könnte vorübergehender Natur sein. Nachdenklich stimmen uns allerdings einige Frühindikatoren, die auf eine Wachstumsabschwächung hindeuten könnten. Die sinkenden Unternehmensgewinne und Margen, die flacher werdende Zinskurve oder der sehr schwache Investitionszyklus zeigen, dass die aktuelle wirtschaftliche Expansion anfällig ist. Sorgen bereitet uns auch die steigende Einkommensungleichheit in den USA. In der Vergangenheit haben sich Volkswirtschaften, die auf Chancen statt auf Ergebnisgleichheit achten, besser entwickelt als Systeme, in denen es eine unüberwindbare Kluft zwischen ‚Wohlhabenden‘ und ‚Geringverdienern‘ gibt“, so die Robeco-Experten.

Diese Überproduktion an Eliten scheine sich in der US-Gesellschaft fest verankert zu haben und erkläre zum Teil unsere zweite Sorge: Die Kreditvergabe an Kunden mit geringer Bonität („Subprime") boome wieder. Bei Subprime-Autokrediten beispielsweise lägen die Zahlungsrückstände auf einem Niveau, wie es seit 2007/2008 nicht mehr zu beobachten gewesen sei. Obwohl die Ausweitung der Geldmenge durch die Notenbank zu einem enormen Vermögenswachstum geführt habe, sei dieses sehr ungleich verteilt. Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen hätten Schwierigkeiten, ihre Schulden zu bedienen, heißt es weiter.

„Auch wenn die Erholung der US-Wirtschaft noch hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt, gibt es einige gute Nachrichten: Die Unternehmenserträge sind überraschend stark gestiegen, die Banken machen nach wie vor sehr gute Gewinne und der Arbeitsmarkt ist robust. Auch wenn vorerst nichts auf eine unmittelbar bevorstehende Rezession hindeutet, halten wir sie in den kommenden zwei Jahren für wahrscheinlich“, so das Robeco-Credit-Team.

China bleibe ein Sorgenkind. Das Kreditwachstum sei im Vergleich zum nominalen Wirtschaftswachstum deutlich zu hoch, denn Kredite würden nach wie vor zu leichtfertig vergeben. Das Trendwachstum der Wirtschaft gehe zurück, zwischenzeitlich komme es zu kurzen zyklischen Einbrüchen. In solchen Phasen – zuletzt im Jahr 2015 – reagierten die Entscheider panisch, und die Kreditvergabe werde erneut angeheizt. Das Kreditwachstum, das durch die Kreditvergabe staatlicher Banken an Unternehmen in öffentlicher Hand befeuert werde, sei jedoch unausgewogen, komme unproduktiven Teilen der Wirtschaft zugute und habe ein gefährliches Ausmaß angenommen, heißt es weiter. „Wir wollen keine Blasen vorhersagen, doch wir rechnen damit, dass China in den kommenden Jahren einen ernsthaften Wachstumsrückschlag erleiden wird“, so die Robeco-Experten.

Die Bewertungsniveaus am Anleihenmarkt hätten sich erhöht. Im Hochzinssegment bewegten sich die Renditeaufschläge („Spreads") gemessen an der Historie inzwischen in das erste und damit teuerste Quartil hinein. Investment-Grade-Unternehmensanleihen und Emerging-Markets-Papiere seien noch im Rückstand, ihre Spreads lägen knapp unterhalb des Medianwerts. Die Vergangenheit zeige: solche Bewertungsniveaus könnten über Jahre fortbestehen. Daher bestehe kein Anlass zur Panik, Anleger sollten lediglich vorsichtiger sein, heißt es weiter.

„Für uns sind ausgewählte Segmente des globalen Markts für Unternehmensanleihen attraktiv, zum Beispiel europäische Finanzinstitute und Versicherungen. Die technische Situation am Markt ist derzeit relativ stabil, die Sorgen angesichts der europäischen Wahlsaison sind vorerst in den Hintergrund getreten – und enorme Mengen an Liquidität warten darauf, investiert zu werden. Wir behalten unseren Fokus auf Qualität bei und suchen unter taktischen Gesichtspunkten nach aussichtsreichen Gelegenheiten in bestimmten Segmenten oder Märkten“, so das Robeco-Credit-Team.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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