Kommentar
06:28 Uhr, 19.07.2016

Türkei, Frankreich, USA - Chaos regiert die Welt!

In der Türkei missglückt ein Staatsstreich, Frankreich versinkt im Terror und in den USA kommt es zu einer Eskalation der Gewalt. Alles nur Zufall?

Die Ereignisse überschlagen sich derzeit. Man weiß gar nicht mehr, wo man zuerst hinschauen soll. Frankreichs Präsident Hollande kündigte am Nationalfeiertag an, dass man den Ausnahmezustand bald aufheben wolle. Wenige Stunden später sterben 84 Menschen in Nizza. Erst im vergangenen Jahr starben bei Anschlägen in Paris 130 Menschen. Anfang 2015 kamen 12 Menschen bei den Anschlägen auf Charlie Hebdo ums Leben.

In den USA kommt der Konflikt um Polizeigewalt nicht zur Ruhe. Man kann teilweise schon fast von Rassenunruhen sprechen. Inzwischen scheint die Bereitschaft groß, nicht mehr auf die Politik zu warten, bis sich etwas ändert, sondern Selbstjustiz zu üben. Nun muss sich die Polizei fürchten selbst Ziel von Gewalt zu werden.

In der Türkei kam es zu einem der wohl kürzesten Putschversuche der Geschichte. Kaum hatte der Putsch begonnen, war er auch schon wieder beendet. Die Folgen werden uns jedoch lange begleiten. In weiser Voraussicht scheint Erdogan eine Liste mehrerer tausend Personen griffbereit gehabt zu haben. Diese Liste wird nun abgearbeitet, indem alle, die auf dieser Liste stehen festgenommen werden.

Keine weiß, was in der Türkei wirklich geschehen ist. Man kann nicht einmal sagen, ob der Putschversuch echt oder inszeniert war. Das Militär hatte in der Vergangenheit immer wieder eingegriffen, wenn eine Partei versuchte, ihre Macht einzuzementieren.

Man kann kaum bestreiten, dass die regierende Partei und Präsident Erdogan seit Jahren versuchen, ihre Macht auszubauen und zu festigen. Es ist auch kein Geheimnis, dass Erdogan ein Präsidialsystem einführen möchte. Nach Ende des Putschversuches ist das Präsidialsystem wahrscheinlich fast überholt. Man muss sich so langsam vor einem diktatorischen System fürchten.

Die Pressefreiheit ist schon länger unter Beschuss. Kritische Journalisten werden in größeren Zahlen als in China hinter Gitter gesperrt. Der Putschversuch gibt der Regierung und den Präsidenten nun die Möglichkeit ihre Agenda weiter und schneller voranzutreiben. Alle, die nicht offen pro AKP und Erdogan sind, werden nun aus Militär und Justiz entfernt. Erdogan selbst nennt dies Säuberung. Spätestens an diesem Punkt muss man sehr genau darüber nachdenken, was folgen wird.

Die Türkei hatte 2004 die Todesstrafe abgeschafft. Dies war eine Bedingung für Beitrittsverhandlungen mit der EU. Nun soll die Todesstrafe wieder eingeführt werden. Bedenkt man, dass gerade 6.000 Menschen verhaftet wurden, will man diese zwei Dinge im Geiste gar nicht zusammenführen. Es drohen Massenexekutionen.

Die Türkei entwickelt sich im Eiltempo zu einer Autokratie. Ein Ende von Meinungsfreiheit, totaler Überwachung, Festnahmen, ... sind nicht zu erwarten. Im Gegenteil, es kann noch viel schlimmer werden. Die Forderung nach der Todesstrafe für potentiell hunderte oder tausende Menschen gibt einen Vorgeschmack darauf.

Von außen kann man nur fassungslos zusehen. Es geht so ungeheuerlich schnell, dass man die Vorkommnisse und Entwicklungen gar nicht erfassen kann. So wird auch eine angemessene Reaktion der EU und der internationalen Gemeinschaft zu spät kommen, vermutlich erst dann, wenn die Autokratie schon errichtet ist. Derzeit mahnen Politiker weltweit die Beachtung der Rechtsstaatlichkeit an, doch das ist nichts, was die Geschehnisse aufhält.

Gemessen an den Umständen ist es absolut verwunderlich, dass der Markt nicht deutlicher reagiert. Es heißt zwar, politische Börsen hätten kurze Beine, doch das, was hier geschieht, sollte zumindest in der Türkei für Angst und Schrecken sorgen. International ist die Türkei nicht groß genug, um für die globalen Märkte von Bedeutung zu sein. Die ausbleibende Reaktion ist verständlich. Dass im Land selbst Aktien nur 7 % nachgeben, spiegelt die Dramatik nicht einmal ansatzweise wider.

Globaler betrachtet sehen wir weltweit eine zunehmende und sich beschleunigende Radikalisierung, sei es durch Terror von außen (Frankreich), eskalierende Gewalt von innen (USA) oder dem Weg in die Autokratie (Türkei). Die Häufung der Ereignisse mag reiner Zufall sein, wahrscheinlich ist sie es jedoch nicht. Es stimmt etwas ganz Grundlegendes nicht. Keiner weiß so recht, was genau im Argen liegt, doch wenn es nicht bald herausgefunden und adressiert wird, haben wir bald sehr viel größere Probleme als den Brexit oder die Notenbankpolitik.

Clemens Schmale

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41 Kommentare

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  • kopfsache
    kopfsache

    langsam, langsam. ich würde mir das wort "chaos" noch aufheben wollen, für wirklich bedeutende ereignisse! lustig wirds erst, wenn die armen trottel vom arbeitgeber "zukunft" für kanonenfutter einen praktikumseinsatz bekommen. kleiner tipp, mal das weissbuch 2016 lesen und dann nochmal 1+1 zusammen zählen. das ganze war bis jetzt erst kinder-pipi wenns los geht. und nochmal grundsätzliches: wenn etwas wie scheisse ausschaut, wie scheisse stinkt und wie scheisse am schuh klebt. ja, dann ist es auch scheisse !

    21:28 Uhr, 19.07. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • 2 Antworten anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Die v Vorbereitungen von diktarurnahen Systemen scgeinen nicht nur in der Tuerkei, sondern glibal viranzuschreiten. man muss nur genau hisehen. etats fuer "innere Sicherheit " wachsen , die buerger vieler Laender sind durch "terror" , wer auch immer dahinterstecken mag, zusehens bereit ihrer Freiheiten fuer vermeintliche Sicherheit zu opfern. Wer das gesammrbild analysiert kommt da eher zu seltsamen schluessen. . nach den tieferen Ursachen und vor allem Verursachern dieses Terrors wird ja gar nicht erst gefragt. . Es kommen offenbar ueble zeiten auf uns zu. dievMenschen sind halt in der masse dumm und leicht zu manipulieren. sie nur die MOEGLICHKEIT , das Soziophaten mit hang zur Gigantonomanie wie trump ueberhaupt so weit kommen konnten. Was da auf die Menschheit zurollt mag ich mir gar nicht ausmalen. Gruss aus Kambodscha .....mit Bedacht ausgewaehlt.

    12:24 Uhr, 19.07. 2016
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    ... ein phantastischer Artikel, Herr Schmale ... - ich lese Ihre Artikel immer gerne ...

    11:49 Uhr, 19.07. 2016
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    ... Hauptsache, wir in Deutschland haben so eine große und grandiose Jahrhundertpolitikerin wie Angela Merkel, die sich und ganz Europa in ihrer Politik von dem autokratischen System "Türkei" vollkommen abhängig gemacht hat ...

    Bravo Angela, du bist richt toll ... - gut gemacht ... - wie fast alles in deiner Regierungszeit.

    Du wirst als die beste Führungspersönlichkeit in die deutsche Geschichte eingehen ...

    Verrecke du alte Spinnerin ... - Gott hab dich nicht seelig ... !!!

    11:46 Uhr, 19.07. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • moneymaker22
    moneymaker22

    1099 in Jerusalem, oh da war doch auch mal was

    08:41 Uhr, 19.07. 2016
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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