Kommentar
09:55 Uhr, 30.03.2025

Truflation: Vom Orakel zum Oracle

Können staatliche Inflationszahlen von präziseren, unabhängigen Daten übertroffen werden? Der Schweizer Truflation-Gründer Stefan Rust erklärt im Interview, wie sein Projekt mit 30 Millionen Preispunkten täglich die US-Inflation 45 Tage im Voraus prognostiziert – und warum seine Daten zunehmend zur Geheimwaffe von Hedgefonds und DeFi-Protokollen werden.

1 | Woran arbeitet ihr bei Truflation und was ist das truf.network?

Truflation wurde 2021 mit dem Ziel gegründet, eine transparente und zeitnahe Alternative zu den offiziellen Inflationsdaten zu schaffen. Heute hat Truflation circa 300.000 Nutzer, einen Vorsprung von 45 Tagen gegenüber staatlichen Inflationsdaten und berechnet die Inflationsraten der folgenden Länder: USA, UK, Indien und Argentinien.

Die Inflationsdaten werden über dezentrale Oracle-Networks onchain gebracht, um sie nachvollziehbar, fälschungssicher und frei verfügbar zu machen. Daraus entstand das truf.network: eine eigene Appchain, um Finanzdaten wie Rohstoffpreise, Aktienindizes oder Wetterdaten onchain erhältlich zu machen.

2 | Wie gelingt es euch, die offiziellen US-Inflationszahlen mit einer Abweichung von nur 0,04 % vorherzusagen – und worin unterscheidet sich euer Ansatz von der Methodik des Bureau of Labor Statistics (BLS)?

Truflation verarbeitet täglich über 30 Millionen Preispunkte aus mehr als 80 Quellen – darunter Datenprovider, Marktplätze, Supermärkte und Crowdsourcing-Apps. Das BLS greift dagegen auf etwa 80.000 manuell erhobene Datenpunkte zurück, die nur monatlich aktualisiert werden.

Truflation verfolgt zwei Ansätze: Zum einen basiert der hauseigene Inflationsindex auf einer eigenen Methodologie – etwa mit stärkerer Gewichtung von Lebensmitteln und geringerer Berücksichtigung von Energiepreisen, um die gefühlte Inflation realistischer abzubilden.

Zum anderen werden die gesammelten Daten gezielt kalibriert, um die BLS-Methode zu spiegeln – mit dem Ziel, deren Inflationszahlen möglichst genau vorherzusagen.

3 | Eure Finanzdaten werden sowohl von traditionellen Finanzunternehmen als auch von DeFi-Protokollen genutzt. Wie genau setzen diese unterschiedlichen Akteure eure Daten ein?

Traditionelle Finanzunternehmen – insbesondere Hedgefonds, Family Offices und sogenannte Inflation Traders – nutzen Truflation-Daten vor allem zur Prognose der offiziellen BLS-Inflationszahlen und für kurzfristige Handelsentscheidungen. Die Nachfrage in diesem Bereich ist hoch und wächst stetig.

Auf der DeFi-Seite wiederum steigt das Interesse spürbar, vor allem in den letzten Monaten: Protokolle nutzen die Daten des truf.networks etwa für Prediction Markets, synthetische Assets oder für Lending-Produkte. Während TradFi auf Genauigkeit in der Vorhersage setzt, sucht DeFi nach verlässlichen Quellen für Inflations- und weitere Finanzdaten.


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