Kommentar
12:06 Uhr, 13.08.2014

Transatlantische Konjunkturdifferenzen

Große konjunkturelle Unterschiede zwischen USA und Europa sollten Anleger als Chance verstehen, um ihre Investments stärker international zu streuen.

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (XETRA)
  • Die konjunkturellen Unterschiede zwischen den USA und Europa sind größer als viele denken.
  • Sie haben erhebliche Auswirkungen nicht nur auf die Geldpolitik, sondern auch auf Aktien-, Bonds- und Devisenmärkte.
  • Bei so großen Unterschieden lohnt es sich für die Anleger, Investments stärker international zu streuen.

Dass die amerikanische Wirtschaft im Moment besser läuft als die europäische weiß jeder. Aber wenige ma­chen sich klar, wie groß der Abstand wirklich ist. Schau­en Sie sich die Grafik an. Da sehen Sie, wie die USA Euroland in Sachen Konjunktur regelrecht deklassieren. In den ersten Jahren nach der großen Finanzkrise war die Entwicklung noch relativ gleichförmig. Seit 2011 ha­ben die Kurven aber gar nichts mehr miteinander zu tun. Seitdem sind die USA um fast 8 % schneller gewachsen als der Euroraum.

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Es ist zu vermuten, dass diese Entwicklung nicht so schnell zu Ende geht. Zum einen sind viele amerikani­sche Unternehmen bei der Anpassung an die Welt nach der Finanzkrise schon weiter gediehen als ihre Konkur­renten. Zum anderen ist die Eurokrise trotz aller erziel­ten Fortschritte noch nicht zu Ende. Vor allem Italien und Frankreich stehen erst am Anfang eines Reformprozes­ses, der schmerzliche Einschnitte erfordert und das Wachstum niedrig hält.

Hinzu kommt, dass sich die geopolitischen Spannungen auf die europäische Wirtschaft stärker auswirken werden als auf die amerikanische. Vor allem die Sanktionen ge­genüber Russland im Handels- und Kapitalverkehr könn­ten die Expansion auf dem alten Kontinent noch weiter dämpfen.

Bei der Beurteilung der Entwicklung muss man freilich die Kirche im Dorf lassen. Es ist nicht so, als ob in den USA alles gut und in Europa alles schlecht wäre. Im Weltmaßstab gesehen ist auch die Konjunktur in den USA eher bescheiden. Das reale Weltsozialprodukt nimmt in diesem Jahr mit 3,6 % deutlich schneller zu als das der USA (2,5 %). Das liegt zum Teil an den Schwel­len- und Entwicklungsländern, die traditionell ein höhe­res Wachstum aufweisen. Zum Teil hängt es aber auch damit zusammen, dass die USA nicht das Tempo wie­dergefunden haben, das sie vor der Krise hatten. Da­mals waren sie an Zuwächse von 3 % bis 4 % p. a. ge­wöhnt. Jetzt liegt die Dynamik nur bei eher 2 % bis 3 %.

Die transatlantischen Differenzen haben für Wirtschaft und Märkte wichtige Auswirkungen: Erstens natürlich auf die Wirtschaft selbst. Aufgrund der besseren Konjunktur steigen die Gewinne der Unternehmen in den USA we­sentlich stärker als in Europa. Das hilft den Aktien. Vor allem trägt es dazu bei, dass die bestehende Überbe­wertung der Kurse in den USA nicht noch größer wird. Umgekehrt werden Aktienmärkte in Europa wegen der schlechteren Konjunktur verwundbarer. Das zeigte sich bei der Aktienschwäche der letzten Wochen. Der DAX ging seit Anfang Juli um 8,5 % zurück, der EURO STOXX um 7,5 %, der amerikanischen Dow Jones da­gegen nur um 1,5 %. Das war kein Zufall.

Zweitens verändert sich das Preisklima. Durch die stei­gende Kapazitätsauslastung und die dynamischere Nachfrageentwicklung erhöhen sich die Verbraucher­preise in den USA wieder schneller. Ihre Zunahme liegt inzwischen bei 2,1 % verglichen mit 1,2 % Ende letzten Jahres. In Europa ist es dagegen umgekehrt. Die Preis­steigerung hat sich seit Jahresbeginn von 0,8 % auf 0,4 % halbiert.

Das erklärt die unterschiedliche Geldpolitik diesseits und jenseits des Atlantik. Die Federal Reserve verabschiedet sich von der ultralockeren Geldpolitik. Die Europäische Zentralbank ist davon noch meilenweit entfernt. Sie denkt im Augenblick noch darüber nach, wie sie die ex­pansiven Impulse noch verstärken kann. Sie will die wirt­schaftliche Aktivität beschleunigen und einen weiteren Rückgang der Inflation verhindern. Das ist nicht Aus­druck unterschiedlicher geldpolitischer Strategien, wie manchmal gesagt wird. Es beruht auf anderen realwirt­schaftlichen Gegebenheiten. Es wird daher auch noch einige Zeit so bleiben, wenn sich die Konjunktur in Eu­ropa nicht nachhaltig bessert.

Spannend wird es drittens an den Bonds-Märkten. Auf­grund der unterschiedlichen Inflationsraten und der ver­schiedenen Geldpolitik müssten die europäischen Zin­sen sinken (oder niedrig bleiben), die amerikanischen dagegen steigen. Andererseits sind die amerikanischen Bonds-Märkte aufgrund ihrer Größe ein Schrittmacher für die Zinsen in aller Welt. Wenn es so sein sollte, dass die Bonds-Renditen in den USA als Folge der neuen Geldpolitik steigen (was im Augenblick freilich noch kei­neswegs sicher ist), werden sie Liquidität aus ande­ren Ländern ansaugen und die Renditen auch außerhalb der Vereinigten Staaten nach oben treiben. Das trifft in ers­ter Linie viele Schwellen- und Entwicklungsländer. Es wird aber auch an Europa nicht unbemerkt vorbeigehen.

Viertens schließlich wäre es merkwürdig, wenn sich die Konjunkturen nicht auf die Wechselkurse auswirken würden. Der Dollar müsste stärker, der Euro schwächer werden. Bisher war die Reaktion auf den Devisenmärk­ten freilich noch sehr verhalten. Der Euro/Dollar-Kurs hat sich in den letzten drei Monaten gerade einmal von 1,39 auf 1,33 Dollar abgewertet. Das lag an den sogenannten "Recovery Trades": Amerikanische Investoren legten Geld in Europa an, um von den Verbesserungen in den Peripherieländern nach der Krise zu profitieren. Damit ist es jetzt aber erst mal vorbei. Deshalb wird sich der Dol­lar weiter aufwerten.

Für die Anleger

In Europa müssen Sie nach den Kursrückgängen der letzten Wochen umdenken. Zwar wird die Marktschwä­che nicht ewig andauern und es wird auch in Europa wieder einmal nach oben gehen. Es macht jedoch Sinn, die Investments im Hinblick auf die Risiken international stärker zu streuen. Hier bieten sich vor allem die US-Märkte an, aufgrund ihres konjunkturellen Vorsprungs und der Chance auf Wechselkursgewinne.

Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.

Weitere Informationen über Assenagon und unsere Publikationen finden Sie auch auf www.assenagon.com.

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