Kommentar
09:17 Uhr, 12.06.2017

Trading: Es gibt kein sicheres Geschäft!

Viele Trader – und auch ich war es eine lange Zeit – sind auf der Suche nach einem sicheren Geschäft an der Börse.

Wir hoffen eine Strategie zu finden, die uns garantierte Gewinne ermöglicht, wie wir sie aus anderen Bereichen, wie z.B. der Wirtschaft kennen, wo oftmals Prognosen und Studien eine höhere Aussagekraft haben als an der Börse.

Wenn man z.B. wüsste, dass ein Unternehmen besonders gut für einen neuen Trend, z.B. für die Elektromobilität oder die Digitalisierung aufgestellt wäre, dann würde man mit hoher Sicherheit mit einer Investition in die Aktien dieser Firma hohe und sichere Gewinne machen.

Oder wenn man wüsste, dass diese Obstwiese am Ortsrand in den nächsten Jahren zu Bauland umgewidmet werden würde, dann würde eine Investition in den Acker zu einem hohen Gewinn führen.

Oder wenn man wüsste, dass Unternehmen X von Milliardär Y nächste Woche mit einem Aufschlag zu Z Prozent übernommen werden wird.

Solche garantierten Gewinne sind der Traum eines jeden Traders.

Im Prinzip funktioniert „Trading“ im Wirtschaftsleben ähnlich.

Dazu eine kleine Anekdote. Als ich meine erste "Trading-Firma" gründete, die den Begriff "Trading" auch im Namen führte, rief mich eine Dame vom Gewerbeamt an und fragte mich, mit welchen Gütern ich denn handeln wollte. Sie ging davon aus, dass ich ein Import-Export-Geschäft eröffnen wollte. Als ich ihr erklärte, dass es sich um Börsengeschäfte handelte, riet sie mir den Namen zu ändern.

Der An- und Verkauf einer Ware in der Wirtschaft kann nur mit "sicheren Gewinnen" funktionieren. Hätten die Händler von der Seidenstraße vor zweitausend Jahren nicht gewusst, dass Gewürze aus China mit garantiert höheren Preisen in Europa vergütet würden, hätte es sich nicht gelohnt diese risikoreiche und strapaziöse Reise auf sich zu nehmen.

Im Einzelhandel heute ist es ähnlich, sonst würde das Risiko der Eröffnung eines Ladengeschäfts und die Beschäftigung von Mitarbeitern keinen Anreiz bieten. Wenn ich als Händler weiß, dass ich z.B. Sportschuhe eines Markenlabels zu einer vom Hersteller festgelegten Preisempfehlung verkaufen kann und diese mit einer „sicheren“ Gewinnmarge von 30 oder 50 Prozent einkaufen kann, dann ist das ein sicherer Deal. Daher ist dieser Markt auch sehr limitiert und „Gatekeeper“, wie Großhändler mit denen die Produzenten exklusiv handeln, schützen dieses lukrative Geschäftsmodell.

Irgendwann musste ich einsehen, dass es so etwas beim Trading, dem Wetten auf Kursbewegungen, nicht gibt.

Das Problem ist, dass den vermeintlich sicheren Gewinnen ein Informationsvorsprung vorausgeht, den wir kaum noch an der Börse finden.

Früher gab es so etwas in Form von Arbitrage-Geschäften, wenn ein Händler eine Aktie an der Börse in Paris kaufte und an der Börse in New York mit sicherem Gewinn weiterverkaufte. Der Vorteil war sein Informationsvorsprung, da ihm die Kurse vorher vielleicht telegrafiert wurden.

Vor einigen Jahren – ich weiß nicht mehr ob dieses Geschäftsmodell noch funktioniert – gab es in Frankfurt jede Menge smarte Algo-Trader, die Zertifikate auf "Misspricings" gegenüber ihren Basiswerten hin untersuchten und dann das Zertifikat kauften und die Aktie, auf die das Zertifikat lief, verkauften und den Gewinn einbuchten. Sie brauchten bloß darauf zu warten, dass der Emittent den Preis des Zertifikates korrigierte.

Wenn wir aber mit Charts oder Mustern in fundamentalen oder technischen Zeitreihen arbeiten, dann funktioniert dieses Denken nicht.

Ich habe schon in vielen anderen Artikel erklärt, warum das so ist:

Zum Beispiel in:

Das nicht abgeschlossene Fahrrad

oder

Das gefährliche Spiel mit der Vergangenheit

Die wichtigsten Gründe sind:

- einer vergangenen Zeitreihe fehlt die zukünftige Information, und das muss (!) bei genügend langer Projektion zu einem Fehler führen

- menschliches Verhalten ist impulsiv und vor allem in Stresssituationen oftmals irrational

- Naturkatastrophen oder menschliches Versagen sind nicht zu 100 % vorhersagbar

Verlässt sich ein Trader zu sehr auf die Aussagekraft einer vergangenen Simulation, dann führt das zu dem bekannten „Truthahn-Phänomen“, bei dem trotz fürsorglicher Fütterung dem armen Truthahn am Abend vor Thanksgiving nicht das Fressen, sondern das Messer präsentiert wird.

Wie also mit dieser Erkenntnis umgehen?

Für mich gibt es hier drei Wege:

1.) Ich akzeptiere, dass Trading ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten ist und nur der gewinnt, der es schafft, Trades sauber und diszipliniert zu handeln (egal ob er gewinnt oder verliert).
2.) Ich konzentriere mich auf Strategien, die ein Maximum an Sicherheit bereithalten, z.B. Qualitätsaktien, die jeden Crash überleben oder langfristiges Investieren mit ETF-Strategien, wie ich Sie im Index-Manager handele.
3.) Ich höre sofort auf nach der 100 %-Strategie zu suchen und Geld an der Börse zu verbrennen (und freunde mich mit Schritt 1 und 2 an oder verlasse die Börse und gebe das Geld lieber für den Sommerurlaub aus).

„Selbst wenn ich Verluste einfuhr, ging ich glücklich nach Hause, da ich so gehandelt habe, wie ich wollte.“ - Mark Spitznagel

Viele Grüße
Jakob Penndorf

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Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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