Kommentar
07:50 Uhr, 30.07.2015

Steigende Zinsen=fallende Aktien?

Die US Notenbank hat ihr Statement zur gestern zu Ende gegangenen Sitzung veröffentlicht. Neue Erkenntnisse findet man darin nicht. Der Weg für eine Zinserhöhung im September ist geebnet, allerdings behält sich die Notenbank natürlich maximalen Handlungsspielraum vor.

Ohne neue Erkenntnisse muss man als Anleger weiterhin mit der Hypothese arbeiten, dass die Zinsen im September oder Dezember 2015 angehoben werden. Was bedeutet das nun aber für Aktien und das Depot?

Goldman Sachs hat zu dieser Frage eine klare Meinung: steigende Zinsen sorgen für eine Underperformance. Die Investmentbank empfiehlt daher explizit, US Aktien erst einmal unterzugewichten. So einfach ist es jedoch nicht. Höhere Zinsen begünstigen Aktien nicht. Das kann man pauschal ruhig so sagen. Insbesondere sind steigende Zinsen für Aktien ungünstig, wenn sich diese auf sehr hohem Niveau befinden. Letzteres ist bei US Aktien schon seit längerem der Fall. Die anstehende Zinserhöhung wäre also ein gutes Argument, um aus US Aktien auszusteigen.

Goldman Sachs argumentiert, dass US Aktien in den 12 Monaten nach einer Zinsanhebung zu einer Underperformance neigen. Die dahinterstehende Überlegung ist relativ einleuchtend. Aktien bieten Anlegern eine bestimmte Rendite. Diese Rendite ist jedoch mit einem Risiko verbunden. Liegt die zu erwartende Aktienrendite bei z.B. 4% und die von sicheren US Anleihen bei 2%, dann sind Anleger bereit für die zusätzliche Rendite auch ein zusätzliches Risiko auf sich zu nehmen. Anleger sind jedoch versucht aus dem Risiko zu gehen, wenn sie z.B. statt 2% über 3% bei US Anleihen erhalten können. Dann lohnt sich das zusätzliche Risiko der Aktien im Verhältnis zur höheren Rendite nicht mehr.

Das alles klingt vernünftig. Nun ist der Markt allerdings nicht unbedingt immer und bedingungslos vernünftig. Insofern lohnt sich ein Blick auf die Historie und wie der Markt auf Zinserhöhungen reagiert hat. Goldman Sachs hat das statistisch ausgewertet und kam zu dem Schluss, dass die Performance von Aktien nach einer Zinserhöhung temporär schwach ist.

Grafik 1 zeigt die langfristigen Nominal- und Realzinsen, sowie den nominalen und realen S&P 500. Die Zinsen sind invertiert dargestellt. Zeigt die Zinskurve nach unten, dann ist das gleichbedeutend mit steigenden Zinsen. Der obigen Überlegung nach sollten auch Aktien fallen, wenn die invertierte Zinskurve fällt. Beide Kurven sollten parallel verlaufen.

Auf den ersten Blick sieht man, dass das nicht der Fall ist. Die Auflösung ist mit einem Zeithorizont von 90 Jahren zugegebenermaßen nicht besonders detailliert. Die Grafik sagt daher wenig über kurzfristige Bewegungen aus. Was man jedoch schon einmal festhalten kann ist, dass Zinserhöhungen mittel- bis langfristig nur geringe Auswirkungen auf Aktien haben.
Kurzfristig kann das anders aussehen. Goldman Sachs bezieht sich ja auch eher auf das kurze Zeitfenster von 12 Monaten nach einem Zinsschritt. Grafik 2 zeigt die Performance des S&P 500 nach einem Zinsschritt. Ob man daraus nun einen klaren Trend erkennen kann, muss jeder für sich entscheiden. In einem Drittel der Fälle fielen Aktien in den 12 Monaten nach einer Zinserhöhung. Der gleiche Wert gilt für Zinssenkungen.

Was die Momentaufnahmen nicht zeigen, das sind die Performancezahlen jedes einzelnen Monats. Wie das auf Monatssicht aussieht, das zeigt Grafik 3. Hier deutet sich ein etwas klareres Bild an. In über 50% der Fälle sinken die Kurse innerhalb eines Monats. Eine Trefferquote von etwas über 50% ist nicht viel besser als ein Münzwurf und statistisch nicht sonderlich signifikant.

Nichtsdestotrotz ist diese Zinserhöhung nicht wie jede andere. Der letzte Zinserhöhungszyklus begann vor über einem Jahrzehnt und wurde vor 8 Jahren abgeschlossen. Viele Marktteilnehmer dürften sich nicht mehr genau daran erinnern wie es damals funktionierte. Insofern kann man als Anleger auf Nummer sicher gehen und sich auf eine erhöhte Volatilität einstellen.

Mittel- bis langfristig sehe ich persönlich keinen Grund für die Behauptung, dass Aktien auf Jahressicht nach einer Zinserhöhung sinken. Fairerweise muss man Goldman Sachs zugestehen, dass sie lediglich von einer Underperformance sprechen und nicht unbedingt von fallenden Kursen. Die Frage, wogegen diese Performance gemessen wird, bleibt unbeantwortet.

US Aktien mögen nach Zinserhöhungen keine Kurssprünge unternehmen, dafür aber tendiert der Dollar zu weiterer Aufwertung. Anleger haben dadurch zumindest Währungsgewinne zu verzeichnen. Berücksichtigt man diesen Umstand, dann ist eine Underperformance kaum noch auszumachen.

Sieht man über all das hinweg und verliert sich nicht in Details, sondern den größeren Zusammenhang, dann kann man als langfristig orientierter Anleger erst einmal investiert bleiben. Grafik 4 zeigt den S&P 500, die Rendite 10-jähriger US Anleihen und die Aktienrendite. Die zuletzt genannten Datenreihen sind wie in Grafik 1 invertiert. Man kann erkennen, dass die implizite Rendite von Aktien noch immer deutlich höher ist als die von Anleihen. Solange die Zinsen fielen war das nicht der Fall. Steigen die Zinsen, dann ist die implizite Rendite für gewöhnlich nur etwas höher. Um diesen Zustand wieder zu erreichen müssen die Zinsen in den USA erst einmal um 2% steigen, bevor sich eine Korrektur bei Aktien aufdrängt. Davon sind wir wahrscheinlich noch 18 bis 24 Monate entfernt.

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2 Kommentare

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  • Marco Soda
    Marco Soda

    alte Börsenregel

    Steigt das Fahrgeld ( Zins ) musste den Zug ( Aktien verlassen

    08:33 Uhr, 30.07.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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