Kommentar
00:15 Uhr, 22.06.2016

So knackte George Soros die Bank of England

Mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn machte George Soros mit seinen Spekulationen gegen das britische Pfund an einem einzigen Tag. Die Ereignisse des 16. Septembers 1992 sind bis heute mitverantwortlich für die weitverbreitete Europa-Skepsis der Briten.

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Der 16. September 1992 ist als „Black Wednesday“ (Schwarzer Mittwoch) in die britische Geschichte eingegangen. Gegen den erklärten Willen der Regierung musste Großbritannien den sogenannten Europäischen Wechselkursmechanismus (European Exchange Rate Mechanism, ERM), einen Vorläufer des Euro, verlassen und eine Abwertung des Pfunds vornehmen. Die Bank of England verbrannte Milliardensummen beim vergeblichen Versuch, das Pfund zu stützen.

Zuvor hatten Spekulanten sich auf das britische Pfund eingeschossen und mit immer größeren Summen auf eine Abwertung spekuliert. Wie schaffte es der in Ungarn geborene US-Spekulant George Soros, für seinen Hedgefonds mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn an einem einzigen Tag zu erzielen?

Der Europäische Wechselkursmechanismus, dem Großbritannien am 8. Oktober 1990 beigetreten war, sah vor, dass die einzelnen Mitgliedsländer ihre Währung innerhalb einer bestimmten Bandbreite zu den anderen Währungen halten mussten. Damit sollten zu starke Währungsschwankungen verhindert werden. Konkret war festgelegt worden, dass das Pfund bei 2,95 DM gehalten werden sollte, wobei eine Abweichung um sechs Prozent nach oben und nach unten erlaubt waren.

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Mit dem Wechselkurs von 2,95 DM war das Pfund allerdings von Anfang an zu stark bewertet. Großbritannien wollte durch die hohe Pfund-Bewertung die Inflation dämpfen und Importe verbilligen und setzte sich über die eigentlich vorgesehene einvernehmliche Bestimmung des Wechselkurses der ERM-Partner hinweg, indem öffentlich verkündet wurde, dass man dem ERM zu einem Wechselkurs von 2,95 DM zum Pfund beitreten werde.

Großbritannien hoffte darauf, durch den Beitritt zum ERM die traditionell niedrige Inflation in Deutschland und die Stärke der Deutschen Mark auch für die eigene Wirtschaft nutzen zu können. Doch die deutsche Wiedervereinigung hatte zunächst den gegenteiligen Effekt: Unerwartet stieg die Inflation in Deutschland stark an. Die Bundesbank schraubte deshalb den Leitzins deutlich nach oben. Der sogenannte Diskontsatz wurde von 6 % Ende 1990 bis auf 8,75 % im Juli 1992 erhöht. Am 15. September, dem Tag vor dem Schwarzen Mittwoch, wurde der Diskontsatz leicht auf 8,25 % gesenkt.

Die hohen Leitzinsen in Deutschland führten dazu, dass auch die anderen ERM-Mitglieder ihre Leitzinsen erhöhen mussten. Denn andernfalls hätten sie ihre Währungen nicht innerhalb der vom ERM festgelegten Grenzen halten können. Höhere Leitzinsen waren zwar für die deutsche Wirtschaft wirtschaftlich angemessen, nicht aber für viele andere ERM-Mitglieder. Während die Bundesbank traditionell als Hüterin der Geldwertstabilität galt und Inflationsgefahren mit aller Entschiedenheit bekämpfte, sorgten sich andere Notenbanken vor allem darum, das Wachstum zu fördern und nahmen dafür auch eine schwächere Währung in Kauf. Schon damals prallten die unterschiedlichen geldpolitischen Vorstellungen, die bis heute in der Eurozone und der EZB eine Rolle spielen, unversöhnlich aufeinander.

Die hohen Zinssätze lähmten auch in Großbritannien die wirtschaftliche Aktivität. Viele Hauskäufer konnten angesichts der hohen Zinssätze ihrer Hypotheken nicht mehr bezahlen, es drohte eine ernste Immobilienkrise. Die britische Regierung versuchte deshalb Druck auf Deutschland auszuüben, die Leitzinsen in Deutschland zu senken.

Die Bundesbank war allerdings (anders als die Bank of England zur damaligen Zeit) bereits unabhängig von politischen Vorgaben. Der Druck, den Großbritannien auf die Bundesregierung und die Bundesregierung ihrerseits auf die Bundesbank ausübten, blieben deshalb ohne größere Auswirkungen.

Mehr und mehr wurde klar, dass Großbritannien und andere ERM-Mitglieder wie Italien ihre Währungen auf Dauer nicht innerhalb der festgelegten Grenzen der vom ERM festgelegten Grenzen halten konnten, ohne ihrer Wirtschaft durch zu hohe Zinsen schweren Schaden zuzufügen. Spekulanten wie George Soros setzten deshalb darauf, dass das Pfund früher oder später deutlich abwerten würde und die vom ERM festgelegte Untergrenze von 2,773 DM unterschreiten würde. Soros und andere Spekulanten bauten deshalb riesige Short-Positionen auf das britische Pfund auf. Soros lieh sich mehrere Milliarden Pfund bei britischen Banken und kaufte damit D-Mark und französische Francs.

Am 16. September 1992 spitze sich die Lage schließlich zu. Am Vorabend hatte Bundesbank-Präsident Helmut Schlesinger dem "Handelsblatt" und dem "Wall Street Journal" ein Interview gegeben, in dem er davon sprach, dass vor einem angesetzten französischen Referendum zum Vertrag von Maastricht „ein oder zwei Währungen aus dem EWS unter Druck kommen“ könnten. Diesen Aussagen wurden später die Mitschuld gegeben an dem dramatischen Verkaufsdruck beim britischen Pfund und der italienischen Lira.

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Am Vormittag des Schwarzen Mittwochs erreichte das Pfund die vom ERM festgelegte Untergrenze von 2,773 DM. Mit Stützungskäufen im Milliardenbereich versuchte die Bank of England, das Pfund innerhalb der vom ERM festgelegten Grenzen zu halten. Doch die Stützungskäufe zeigten kaum Wirkung. Deshalb wurden im Laufe des Tages gleich zwei Leitzinserhöhungen angekündigt: Zunächst von 10 Prozent auf 12 Prozent und wenige Stunden später sogar auf 15 Prozent. Auch die Bundesbank wurde eingebunden und sollte durch Pfund-Käufe helfen, die britische Währung innerhalb der vom ERM festgelegten Grenzen zu halten. Doch trotz der Bemühungen der Notenbanken setzten sich die Spekulanten, die immer mehr Pfund verkauften, durch. Sie waren sich sicher: Früher oder später würde eine Abwertung des Pfunds verkündet werden.

Das Pfund fiel immer weiter und notierte am frühen Abend deutlich unter der festgelegten Untergrenze. Die Spekulanten wussten, dass sie am längeren Hebel saßen: Die Bank of England konnte ihre Stützungskäufe nur fortsetzen, solange sie noch über Devisenreserven verfügte. Denn zum Kauf von Pfund musste sie ihre Devisenreserven verkaufen. Die Bundesbank wiederum beteiligte sich von Anfang an nur widerwillig und mit geringen Summen an den Stützungskäufen.

Am Abend des 16. Septembers war klar, dass die Spekulanten gegen die Notenbanken gewonnen hatten: Das Pfund notierte deutlich unter der vom ERM festgelegten Untergrenze und die Notenbanken hatten ohne Erfolg Milliardenbeträge verbrannt, um das Pfund innerhalb der festgelegten Grenzen zu halten.

Die wirtschaftliche Realität hatte sich gegen politisches Wunschdenken durchgesetzt. Am Abend trat deshalb Finanzminister Norman Lamont vor die Presse und verkündete, was die Spekulanten schon lange erwartet hatten: Großbritannien würden den ERM verlassen. Außerdem wurde die zweite Leitzinserhöhung auf 15 % zurückgenommen. Innerhalb fünf Wochen fiel das Pfund um fast 15 % gegenüber der deutschen Mark und um 25 % gegenüber dem US-Dollar.

George Soros hatte an diesem Tag mit seinen Spekulationen gegen das britische Pfund mehr als eine Milliarde Dollar für seinen Hedgefonds verdient und galt fortan als „The man who broke the Bank of England“.

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Auch zum heutigen Brexit-Referendum hat George Soros eine klare Meinung: Sollten sich die Briten für den Austritt aus der EU entscheiden, würde dies nach Einschätzung von Soros einen „Schwarzen Freitag“ auslösen, der die Geschehnisse des Schwarzen Mittwochs vor 24 Jahren noch in den Schatten stellen würde. Die Briten könnten gut beraten sein, auf die Worte des legendären Spekulanten zu hören.

Sehen Sie sich auf Youtube die folgende interessante BBC-Dokumentation zum Black Wednesday und der Pfundkrise an (auf Englisch):

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7 Kommentare

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  • 1000Bagger
    1000Bagger

    Wenn die Mark und das Pfund goldgedeckt gewesen wären,hatte Soros und andere NICHT Milliarden verdient - sondern alles wäre in den technischen Fortschritt gegangen, die einfachen Menschen hätten profitiert. Die Papierwährungen wurden nur zu diesem Zweck geschaffen. Wenn England und Deutschland zur Goldwährung zurückkehren würden, könnte ein neue Wohlstandsperiode beginnen. Daher sind Gold, Silber und Goldaktien auch das Invest der Stunde! http://gebert-trade.weebly.com/potential-goldaktie...

    09:59 Uhr, 26.06.2016
  • bembes
    bembes

    Das Britische Pfund von damlas ist heute der Euro dank Draghi und Konsorten.

    Alles Betrug !!!!!!

    07:50 Uhr, 26.06.2016
  • LAMBO_BABY
    LAMBO_BABY

    Sorros Schwarzer Freitag Ankündigung hat sich doch wunderbar erfüllt! :~)

    13:09 Uhr, 25.06.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Super-Hobel
    Super-Hobel

    Ich frage mich ernsthaft, wann die Staaten endlich diesen Zockereien einen Riegel vorschieben, die niemandem nützen außer Superreiche noch reicher zu machen.

    09:38 Uhr, 25.06.2016
  • tourguide
    tourguide

    Wie immer steht hier die Frage: Wen nützt es? Geht es hier "nur" um Finanzspekulation, oder möchte man wirklich den Austritt verhindern. Wenn ja, warum? Ich denke, die einmalige Gelegenheit ein so großes Gebilde, wie die EU mir einer Währung zu beherrschen, ist der Traum der Finanzjongleure. Das macht sich natürlich besser, wenn man den Einfluß auf die EU ausüben kann und dabei sogar noch seine eigene Währung(Pfund) schützt.

    07:51 Uhr, 23.06.2016

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Über den Experten

Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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