Kommentar
17:00 Uhr, 05.08.2016

So funktionieren Arbeitslosenstatistiken

Die Debatte, ob die offiziellen Arbeitslosenstatistiken zuverlässig sind, gewinnt wieder an Fahrt. Kann man den Daten trauen? Sind sie überhaupt aussagekräftig und belastbar?

Die Debatte, ob die Statistiken akkurat sind, ist nicht neu. Sie wird seit Jahren geführt und es ist gut, dass diese Diskussion stattfindet. Die Debatte geht allerdings häufig am eigentlichen Kernthema vorbei. Das sollte sich dringend ändern.

Debattiert werden die offiziellen Arbeitsmarktdaten. An Kritik mangelt es dabei nicht. So wird bemängelt, dass die offiziellen Statistiken bestimmte Personengruppen ausklammern. Die Arbeitslosenquote beinhaltet etwa nicht jene Personen, die in bestimmten Förderprogrammen untergebracht sind. Es sind jedoch häufig Menschen, die arbeiten wollen, aber keine Arbeit haben. Wer in einem Förderprogramm steckt, ist zwar beschäftigt (verbringt seine Zeit mit einer Tätigkeit), aber trotzdem arbeitslos.

Die Berechnungsmethode der Arbeitslosenquote wird dementsprechend kritisiert, weil sie nicht die wahre Anzahl an Arbeitslosen berücksichtigt. Die Kritik kann man durchaus gelten lassen, denn entweder ist jemand in Arbeit oder er ist es nicht. Dadurch, dass bestimmte Gruppen, die zwar beschäftigt, nicht aber in Arbeit sin, in der Quote nicht aufscheinen, ist die Quote praktisch geschönt.

Es ist nun aber nicht so, dass die Bundesagentur die Zahlen unterschlägt. Neben der medial breit diskutierten Quote gibt es auch die sogenannte Unterbeschäftigtenquote. Grafik 1 zeigt, wie sich diese zusammensetzt und zur allgemein diskutierten vergleicht. Der Unterschied zwischen den beiden Raten liegt immerhin bei zwei Prozentpunkten oder 900.000 Menschen.


Die Bundesagentur unterscheidet im Detail, welche Gruppen zu welcher Art der Unbeschäftigten bzw. Unterbeschäftigten zählt. Arbeitslose im weiteren Sinne schließen z.B. Personen ein, die sich in „Aktivierung und beruflicher Eingliederung“ befinden. Zählt man hier noch Unterbeschäftigung im engeren Sinne hinzu (kurzfristige Arbeitsunfähigkeit, Arbeit unter Beschäftigungszuschuss usw.) steigt die Zahl an Arbeitslosen auf 3,54 Mio.

Den letzten Arbeitsmarktdaten nach waren im Juli 2,661 Mio. ohne Arbeit. Das ist auch die Zahl, die zur Berechnung der allgemein verwendeten Quote herangezogen wird. Zählt man sämtliche Unterbeschäftigung hinzu, dann ergibt sich eine Gesamtarbeitslosenzahl von knapp 3,6 Mio.

Man muss sich bei so vielen unterschiedlichen Zahlen schon fragen, was denn nun gilt. Es kann letztlich ja nur eine Arbeitslosenquote geben und die Sache erscheint zumindest intuitiv einfach: entweder arbeitet jemand oder er arbeitet nicht. In der Praxis ist das weniger offensichtlich. Das zeigen auch die Statistiken aus den USA sehr schön (Grafik 2).

Die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei knapp 5 %. Zählt man entmutigte arbeitsfähige Personen und Teilzeitbeschäftigte hinzu, die gerne Vollzeit arbeiten würden, liegt die Quote bei knapp 10 %. Das ist ein sehr großer Unterschied.

Die am weitesten gefasste Rate ist die höchste. Sie beinhaltet jedoch auch Personen, die arbeiten, aber gerne mehr arbeiten wollen. Zählt das nun wirklich als arbeitslos? Ist das bestimmende Kriterium „in Arbeit“ gegenüber „nicht in Arbeit“, dann ist die Sache klar. Diese Personen dürfen eigentlich nicht als arbeitslos zählen. Sie arbeiten ja.

Ebenso kann man bei den deutschen Statistiken argumentieren, dass jene, die sich in Förderprogrammen befinden, zwar kein Geld verdienen, aber beschäftigt sind. Sie befinden sich in Weiterbildungen, Ausbildungen oder sonstigem. Man erhält zwar kein Geld dafür, dass man lernt, aber man ist beschäftigt, indem man jeden Tag regelmäßig etwas tut.

Die Sache ist in der Praxis wirklich nicht so einfach. Die Debatte darum, welche Quote nun die beste ist, wird daher auch ewig weitergeführt werden. Persönlich empfinde ich eine solche Diskussion jedoch als wenig zielführend. Anstatt darüber zu philosophieren, ob jemand, der beschäftigt ist, jedoch kein Geld verdient, offiziell als arbeitslos gilt, sollte man sich lieber mit der Frage auseinandersetzen, was es braucht, um von einer Beschäftigung leben zu können.

Um den besten Eindruck über die Gesundheit des Arbeitsmarktes zu bekommen, muss man feststellen können, wie viel Arbeit für ein eigenständiges Leben zur Verfügung steht. Man sollte also die Stellen zählen, die ein Leben oberhalb der Armutsgrenze ermöglichen. Es hilft ja nicht, wenn die Mehrzahl an Menschen arbeitet, Geld verdient, aber davon nicht leben kann.

Regierungen sollten vielmehr diese Größe als Maßstab heranziehen. Nur, wenn mehr Menschen Arbeit finden, die ihnen auch ein Leben ermöglicht, ist die Politik erfolgreich. Sinkt die Arbeitslosenquote, sind aber mehr und mehr Menschen auf Zusatzleistungen angewiesen, dann stimmt etwas ganz offensichtlich nicht.

Anstatt sich jedoch auf diese Frage zu konzentrieren wird lieber darüber gestritten, wer nun zu welcher Personengruppe zählt und ob man diese als arbeitslos bezeichnen kann oder nicht. Das geht vollkommen am Thema vorbei. Zeit, dass sich das ändert.

Clemens Schmale

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5 Kommentare

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  • godfather
    godfather

    Um das wahre Ausmaß der Arbeitslosenzahlen zu erfassen, genügt ein Blick auf den ständig steigenden Etat „Arbeit und Soziales“ in unserem Land. Neben Mio. von Hartz IV Empfängern wird dieser inzwischen auch durch jede Menge neuer Gesichter, die in unser Land kommen, immer stärker belastet. Insofern ist die Arbeitslosenstatistik, ob nun incl./excl. Unterbeschäftigte etc. ein glatter Witz. Die Politik des totalen Staatsversagens nimmt weiter ihren Lauf…

    10:40 Uhr, 08.08.2016
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    Sehr gut, da fehlen aber wohl noch ein paar. Wer arbeitet freiwillig gern in Zeitarbeit ? Wie viele sind durch die Einführung der "ICH AG" in Scheinselbständigkeiten gedrängt wurden ? Wieviele ältere gehen lieber mit 60 Jahren und Abzügen in Rente, um sich die Gängeleien der Arbeitsämter nicht mehr anzutun ? Und wieviele Harz 4 Empfänger wollen auch gern arbeiten, aber um die kümmert sich eh keiner. Es sind wohl eher 10 Mio.

    21:28 Uhr, 05.08.2016
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    d

    21:22 Uhr, 05.08.2016
  • Gargol
    Gargol

    Auf den Punkt, zutreffend und leider ein weiterer Beleg für Desinformation durch staatliche Stellen.

    Danke für die Analyse der Fakten, hoffe ich lese noch mehr davon.

    20:28 Uhr, 05.08.2016
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    @Herrn Schmale:

    Vernünftige Ausführungen und Gedanken zu den "Statistiken".

    Ihrem beeindruckenden Schlussabsatz ist nichts hinzuzufügen. Danke.

    18:19 Uhr, 05.08.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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