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09:04 Uhr, 06.05.2013

Sinn: "Euro-Austritt steckt die deutsche Wirtschaft problemlos weg"

München (BoerseGo.de) - Der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, hat sich erneut zur Euro-Krise zu Wort gemeldet. Im Interview mit der Tageszeitung „Welt“ äußerte Sinn seine Überzeugung, dass Deutschland gut auch ohne den Euro klarkäme. Die Horrorszenarien, die für einen Austritt gemalt würden, seien allesamt übertrieben, meint der Ökonom. „Insbesondere stimmt es nicht, dass die Exportindustrie dann kaputt ginge. Ein bisschen Aufwertung täte Deutschland gut, weil der Vorteil der Verbilligung der Importe den Nachteil eines schlechteren Exportgeschäfts mehr als aufwiegen würde“.

Stärkere Aufwertungen könnte die Bundesbank zudem verhindern, indem sie ausländische Wertpapiere gegen eigene Währung erwerbe, ähnlich wie das die Schweizer Notenbank mache, erläutert Sinn. Diese Wertpapiere würden dann an die Stelle ihrer ziemlich wertlosen Target-Forderungen im heutigen System treten. „So gesehen gäbe es technisch gesehen allerlei Vorteile“.

Allerdings - warnt Sinn - sollte Deutschland den Euro aus politischen Gründen nicht verlassen, „weil der Euro ein zentrales europäisches Integrationsprojekt ist, und auch, um nicht die Auslandsforderungen unserer Banken und Versicherungen, nicht zuletzt die alten Target-Forderungen der Bundesbank zu entwerten“. Wenn ein Land aber mit dem Euro nicht zurechtkomme, weil es nicht mehr wettbewerbsfähig sei, sollte es besser selbst austreten. „Deutschland sollte aufhören, solche Länder künstlich mit immer mehr öffentlichen Krediten, die nie zurückgezahlt werden, im Euro zu halten“, sagt Sinn.

Seiner Meinung nach wäre etwa Griechenland bereits längst über den Berg, wäre es im Frühjahr 2010 in Konkurs gegangen und ausgetreten. Es wäre von seiner Schuldenlast weitgehend befreit worden und hätte mit einer abgewerteten Drachme seine Wettbewerbsfähigkeit wieder erreicht. Sinn: „Es war ein Riesenfehler, den Maastrichter Vertrag zu brechen und Griechenland mit öffentlichen Krediten von mittlerweile 160 Prozent des Bruttoinlandprodukts, die nie bedient werden, im Euro zu halten. Das hat unseren und den französischen Banken geholfen, auch so manchen Reichen in Griechenland, doch für die Bevölkerung hat es nur Arbeitslosigkeit und Siechtum bedeutet“. Sinns Resümee: „Die Steine, die man auf uns wirft, werden immer größer werden, je länger wir die jetzige Politik fortsetzen“.

Er rät dazu, Deutschland solle seiner Verantwortung gerecht werden und nach tragfähigen Lösungen für die Euro-Zone suchen, die nur in einer „flexibleren Gestaltung des Währungssystems zwischen einem Festkurssystem und einer nationalen Währung wie dem Dollar“ bestehen können. „Mir schwebt eine offene Währungsunion vor, aus der man temporär austreten kann, wenn man nicht zurechtkommt und dabei auf Hilfen der Staatengemeinschaft für den Übergang rechnen kann“, so Sinn. Er plädiert für einen Marshall-Plan für Griechenland nach dem Austritt. Das sei besser und billiger, als alles Geld durch kollektive Rettungsinstitutionen wie die EZB verteilen zu lassen, „bei denen wir kaum etwas zu sagen haben, am meisten zahlen und dann dennoch den Schwarzen Peter bekommen“.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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