Kommentar
21:07 Uhr, 13.08.2020

Sind (zu) niedrige Zinsen kontraproduktiv?

Null- und Negativzinsen stehen in vielen Ländern in der Kritik. Zu Recht?

Die Krise hat bei vielen Notenbanken zum Umdenken geführt. Negativzinsen waren für einige Notenbanken ein Tabuthema. Einige, wie etwa die Bank of England, sind da heute flexibler und schließen Negativzinsen nicht mehr aus. Man fragt sich nur, weshalb. Es ist ja nicht so, dass Negativzinsen in Japan und der Eurozone gewirkt hätten. Negativzinsen schwächen das Bankensystem. Banken geben Negativzinsen größtenteils nicht an ihre Kunden weiter. In einigen Ländern haben Banken allerdings Schwellenwerte eingeführt. Geld auf dem Konto oberhalb dieser Grenzwerte wird mit negativen Zinsen belegt. Den Durchschnittskonsumenten betrifft das nicht. Die Grenzwerte liegen häufig bei mehreren Millionen. Banken müssen die Negativzinsen an die Zentralbank zahlen. Das verringert die Ertragskraft. Das funktioniert auf Dauer nicht. Das hat auch die EZB erkannt...

Sie hat zahlreiche Tricks angewendet, um Negativzinsen durch die Hintertür wieder abzuschaffen. Der negative Einlagensatz bleibt, dafür müssen Banken nicht mehr auf die gesamten Überschussreserven Negativzinsen zahlen.

Es gibt Freibeträge und bei der letzten Finanzierungsrunde konnten sich Banken Geld mit einem Zinssatz von -1 % bei der EZB beschaffen. -1 % liegt deutlich unterhalb des Einlagensatzes von -0,5 %. Banken können im besten Fall also 0,5 % verdienen. So müssen Banken in diesem Jahr erstmals seit Jahren nicht mehr Zinsen an die EZB zahlen, sondern erhalten wieder Zinsen.

Das Bankensystem ist nur ein Teil der Wirtschaft. Für Banken steht aber fest, dass Negativzinsen nicht sinnvoll sind. Fragt sich, ob wenigstens die Wirtschaft profitiert. Kredite werden ja günstiger. Das stimmt, aber nur zum Teil. Weil Banken bisher Negativzinsen zahlen mussten, verringerte das die Marge. In der Folge sanken die Kreditzinsen nicht mehr. Das ist sowohl in der Eurozone, als auch in der Schweiz tendieren die Zinsen seit Jahren seitwärts.

Man kann sagen, dass Negativzinsen nicht in der Wirtschaft ankommen. Kredite werden nicht mehr günstiger. So bleibt noch eine Komponente, der Konsum. Geben Verbraucher wenigstens mehr aus, wenn sie keine Zinsen mehr auf dem Konto erhalten?

Auch hier ist die Entwicklung ernüchternd. In den USA stieg der Konsum relativ zum frei verfügbaren Einkommen mit sinkenden Zinsen an. Das galt solange die Zinsen von einem Hoch von über 10 % Richtung 4 % fielen. Seither sinkt der Konsum. Es entspricht zudem der Zeit nach 2008 (schwarze Punkte in der Grafik).


Die Ausreißer nach unten entsprechen den letzten Monaten. Hier konnte teilweise nicht konsumiert werden, weil Geschäfte geschlossen waren. Doch auch ohne diese Ausreißer ist der Trend negativ. Es scheint, dass der Konsum mit tieferen Zinsen zurückgeht. Es muss mehr gespart werden, wenn man in der Vorsorge niedrigere Zinsen kompensieren will.

Die Beweislage ist erdrückend. Dennoch schließen immer mehr Notenbanken Negativzinsen nicht aus. Negativzinsen funktionieren nur, wenn sie bedingungslos weitergegeben werden, also an Sparer und auch bei den Krediten. Solange das nicht der Fall ist (wie jetzt), sind Negativzinsen kontraproduktiv.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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