Kommentar
08:41 Uhr, 26.03.2015

Sind die Zinsen zu hoch?

In den USA gibt es für 10 jährige Anleihen 1,9% Rendite, für 30 jährige sind es 2,5%. In Deutschland gibt es gerade noch 0,2% und 0,65%. Ist das noch immer zu viel?

Die Renditen für deutsche Staatsanleihen sind nicht zu hoch, aber (und das mag überraschen) sie sind auch nicht zu tief. Soviel sei vorab gesagt. In den USA sieht das anders aus. Dort stehen die Renditen deutlich über dem Niveau, welches sie eigentlich haben sollten. Sowohl in Deutschland als auch in den USA weichen die Langfristrenditen von ihren typischen Werten ab. Obwohl die Rendite in den USA eigentlich zu hoch ist gibt es Angst, dass mit der ersten Zinserhöhung der Notenbank der Anleihenmarkt in sich zusammenfallen könnte. Das wird nicht geschehen.

Für US Anleihen geht schon lange die Angst einer Übertreibung um. Durch das Quantiative Easing der Notenbank wurden Renditen in den Keller gedrückt. Das gleiche geschieht derzeit in Europa. Der Unterschied zwischen den USA und Europa ist sicherlich das Ausmaß, in dem die Manipulation stattfindet. Das QE Programm der EZB ist mit dem der US Notenbank vergleichbar. Die Größenordnungen unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander. Das Resultat ist hingegen ganz und gar nicht ähnlich. Das Rekordtief für 10 jährige Staatsanleihen lag in den USA bei 1,45%. In Deutschland bewegen wir uns auf die 0% Marke zu. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass es eine negative Rendite geben wird. Dann würde dem Staat Geld dafür gezahlt, dass er sich für 10 Jahre Geld leiht.

Intuitiv ist das alles ganz und gar nicht. Es drängt sich der dringende Verdacht einer Übertreibung auf. Platzt die Blase dann irgendwann, dann wird es hässlich. Bevor es in Europa soweit ist können wir beobachten, was in den USA passieren wird. Dort ist der Zyklus immer neuer Lockerung am Ende. Sollte die Anleihenblase irgendwo zuerst platzen, dann wohl in den USA.

Ein Kursrutsch und ein rascher Anstieg der Renditen wären katastrophal. Viele Zinssätze orientieren sich an den Renditen. Würden diese rasch steigen, z.B. auf 5%, dann wird ein Häuslebauer kaum einen Kredit auf 20 Jahre für 3% bekommen. Ein rascher Anstieg der Renditen würde wohl einen Zinsschock auslösen, der ziemlich sicher in die Rezession führen würde. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht: soweit wird es nicht kommen, da die Renditen zu hoch sind.

Nobelpreisträger Robert Shiller hat vor 40 Jahren ein Modell entwickelt wie sich langfristige Renditen vorhersagen lassen. Das Modell ist denkbar einfach. Das Modell sagt die angemessene Langfristrendite voraus, indem es einen Mittelwert von Inflation und kurzfristigen Realzinsen heranzieht. Es handelt sich bei beiden um Mittelwerte über einen längeren Zeitraum (18 Quartale).
Grafik 1 zeigt das Resultat. Dargestellt sind die tatsächliche Langzeitrendite und der vorhergesagte Wert auf Basis des Modells. Von 1953 bis Mitte der 90er Jahre funktionierte die Vorhersage auf Basis des Modells wirklich sehr gut. In den vergangenen Jahren entfernten sich der theoretische und tatsächliche Wert immer weiter voneinander. Betrachtet man den Modellinput (Inflation und kurzfristige Zinsen), dann ist klar, wieso die vorhergesagte Rendite so unglaublich niedrig ist. Sowohl Inflation als auch kurzfristige Zinsen sind entweder sehr niedrig oder negativ.

In den USA wäre ein Langfristrendite unter einem Prozent denkbar, wenn man unterstellt, dass das Modell noch immer sinnvolle Ergebnisse liefert. Den Wert, den das Modell liefert, kann man infrage stellen. Er ist wirklich extrem niedrig und dürfte das Risiko für eine 30 jährige Anleihe kaum abdecken. Trotzdem hat das Modell nach wie vor einen großen Wert. Renditen und Modell laufen nach wie vor parallel. Damit mag vielleicht der absolute Wert nicht mehr stimmen, dafür ist die Tendenz nach wie vor gültig.

Die vorhergesagte Rendite wird sich nur ändern, wenn sich einer der zwei Faktoren ändert, der die Rendite bestimmt. Das kann entweder die Inflation oder der kurzfristige Zins sein. Ein rascher Anstieg der Inflation ist kaum denkbar. Ebenso entzieht es sich jeglicher Vorstellungskraft, dass die Notenbanken auf einmal anfangen die Zinsen in großen Schritten anzuheben. Mit anderen Worten: es gibt keinen Grund daran zu glauben, dass sich die Tendenz auf dem Anleihenmarkt umkehrt.

In Europa sieht es übrigens nicht anders aus. Grafik 2 zeigt die Vorhersage für Deutschland. Hier liegen Vorhersage und die tatsächlichen Langzeitrenditen sehr nah beieinander. Es erscheint zwar vollkommen irrational für sehr lange Laufzeiten so niedrige Zinsen zu bekommen, aber es ist tatsächlich keine Überraschung. Ob die Renditen trotzdem so niedrig sein sollten kann man diskutieren. Die Renditen stehen aber nicht vollkommen losgelöst von der Realität im Raum. Im Gegenteil: sie verhalten sich nicht anders als in den vergangenen 60 Jahren.

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5 Kommentare

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  • Löwe30
    Löwe30

    Wenn Zentralbanken die Deflation bekämpfen, bekämpfen sie die Mehrung des Wohlstands breiter Bevölkerungsschichten. Sie verteilen Wohlstand von unten nach oben. Deflation ist nämlich eine Folge der Steigerung der Produktivität und erlaubt es allen Menschen für die gleiche Menge Geld mehr Güter zu erwerben, was nichts anderes bedeutet, als dass sie wohlhabender werden.

    11:35 Uhr, 26.03. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    Die Zinsen sind durch die Notenbanken auf ein viel zu niedriges Niveau manipuliert worden. Sie spiegeln überhaupt nicht mehr die Risiken wieder. Nun haben sich die Notenbanken mit ihrer Politik selber in eine Bredouille gebracht. Erhöhen sie die Zinsen, bricht die Wirtschaft zusammen. Werden die Zinsen weiter künstlich von den Notenbanken niedrig gehalten, wird es zu immer neuen Fehlentwicklungen kommen und die Wirtschaft wird ebenfalls zusammenbrechen.

    Die sinnvollste Möglichkeit das Dilemma zu beseitigen, wäre es, die Notenbanken abzuschaffen und Geld wieder ein Produkt des Marktes werden zu lassen. Das würde zwar zunächst auch einen Zusammenbruch auslösen, danach könnte es aber zu einem schnellen Gesunden der Wirtschaft kommen, die dann nicht mehr durch die Manipulation der Zinsen gefährdet wäre.

    Es gibt nichts Besseres als die unsichtbare Hand des Marktes. Der Markt muss aufgrund von Angebot und Nachfrage auch den Preis für Geld, den Zins, regeln. Auf dem Markt werden dann auch Risiken entsprechend bewertet und gehen in den Zins ein. Keine zentrale Behörde, wie eine Zentralbank, ist in der Lage den Preisfindungsprozess des Marktes zu ersetzen.

    Die Krisen von 1929, 2000, 2008 und die Euro Krise wurden alle durch die Manipulation der Zinsen durch Zentralbanken verursacht.

    Ron Paul hat unbedingt Recht, wenn er fordert: End the FED!

    11:29 Uhr, 26.03. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Sind die Zinsen SIND zu hoch? Was soll das denn bedeuten? ;-)))))

    09:02 Uhr, 26.03. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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