Kommentar
14:19 Uhr, 02.05.2022

Sell in May and go away?

Die Weltwirtschaft wird von einer Krise in die nächste getrieben. Nach dem Corona-Schock belasten die rasant steigenden Energiepreise und der russische Angriffskrieg die Weltwirtschaft. Gleichzeitig sind die westlichen Notenbanken gezwungen, die Leitzinsen aufgrund der hohen Inflation nach oben zu korrigieren.

Erwähnte Instrumente

  • Twitter Inc.
    Kursstand: 49,020 $ (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • Alphabet Inc. (Class C)
    ISIN: US02079K1079Kopiert
    Kursstand: 2.299,330 $ (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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Im März lag die Inflationsrate mit einer Steigerung von 7,3 % gegenüber dem Vorjahr so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr. Infolgedessen haben die weltweiten Börsen kaum Impulse, um weiter zu steigen und befinden sich seit einigen Wochen im Korrekturmodus. Zusätzlich beginnt der Mai…

Ein Beitrag von Yuki Meeh aus dem Goldesel Magazin 2022 #05.


Sell in May and go away

Der Frühling ist da und viele Anleger erinnern sich an eine alte Börsenweisheit: „Sell in May and go away.“ Der Spruch baut auf der Beobachtung auf, dass sich die Aktienmärkte in den Sommermonaten schlechter entwickeln als im Rest des Jahres. Der Spruch allein gibt jedoch keine Auskunft darüber, wann wieder ein guter Zeitpunkt ist, wieder einzusteigen. Der zweite Teil dieser Börsenweisheit gibt hierüber Aufschluss: „But remember to come back in September.“ Damit soll der Einstieg vor der berühmten Jahresendrallye stattfinden. Bewahrheitet sich diese Regel in diesem Jahr und was steckt wirklich hinter dem Spruch? Sind der Mai und die darauffolgenden Monate für Anleger tatsächlich suboptimal?

Um diese Frage seriös beantworten zu können, müssen wir in die Vergangenheit reisen und die monatliche Performance unter die Lupe nehmen. Ich habe vom weltweit wichtigsten Index, dem S&P 500, knapp 700 Monate abgeklappert und die durchschnittliche Rendite der einzelnen Monate berechnet. Wirft man einen Blick auf die historische Performance des S&P 500 und beobachtet die Kursentwicklung der einzelnen Monate detailliert, so erkennt man, dass der Mai mit einer durchschnittlichen Performance von 0,2 % tatsächlich ein schwächerer Börsenmonat ist. Der September ist mit durchschnittlich -0,4 % der mit Abstand schwächste und als einziger Monat negativ. Die Monate Juni und August sind mit einer Performance von jeweils 0,2 % und 0,1 % ebenfalls keine Monate, in denen die Bullen in der Vergangenheit regelmäßig dominiert haben. Insofern steckt hinter der Börsenregel „Sell in May and go away, but remember to come back in September” tatsächlich ein Stückchen Wahrheit. Wobei man erst Ende September und nicht bereits am Anfang in die Aktienmärkte wieder einsteigen sollte.

Schaut man genauer auf die Daten, so kann festgestellt werden, dass der Juli mit einer durchschnittlichen Rendite von 0,6 % in der Regel kein schlechter Börsenmonat ist. Diese Rendite würde man beim Befolgen der Regel verpassen.

Monat

Ø Performance

Ø positiv

JAN

1,1 %

60 %

FEB

0,0 %

54 %

MAR

0,9 %

63 %

APR

1,7 %

74 %

MAI

0,2 %

58 %

JUN

0,2 %

58 %

JUL

0,6 %

51 %

AUG

0,1 %

56 %

SEP

-0,4 %

47 %

OKT

0,9 %

60 %

NOV

1,4 %

68 %

DEZ

1,3 %

72 %


6-Monats-Periode

Da sich nur die wenigsten Anleger bei einer Investitionsentscheidung auf die Rendite der einzelnen Monate verlassen würden, habe ich die Renditen von 6-Monats-Perioden berechnet. Hier erkennt man tatsächlich eine historisch schwächere Börsenphase zwischen den Monaten Mai und Oktober. Der S&P 500 stieg seit 1950 durchschnittlich nur um 1,7 % in diesem Zeitfenster. Damit ist es die schwächste 6-Monats-Periode des Index. Der Spruch „Sell in May and go away but remember to come back in September” hat also seine Daseinsberechtigung. Des Weiteren beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass der Index nach der 6-Monats-Peridode höher steht, nur 64,8 %. Auch nach dieser Variablen schneiden die Monate Mai bis Oktober am schlechtesten ab.

Die zweitschlechteste 6-Monats-Peridode ist der Zeitraum zwischen April und September. Auch in diesem Zeitraum sind logischerweise die Sommermonate vertreten. Die beste Zeit, um für 6 Monate an der Börse investiert zu sein, ist zwischen November und April. In diesem Zeitraum hat man historisch gesehen rund 6,8 % Rendite erwirtschaftet. Vergleicht man das mit der Faustregel, dass man durchschnittlich rund 8 % Rendite pro Jahr am Aktienmarkt erwirtschaftet, so sind die Wintermonate essenziell, um am Aktienmarkt eine gute Performance zu erzielen.

Periode

Ø Performance

Ø positiv

NOV-APR

6,8 %

77,1 %

OKT-MAR

6,4 %

69,0 %

DEZ-MAI

5,4 %

71,4 %

SEP-FEB

4,7 %

69,0 %

JUL-DEZ

4,7 %

70,4 %

AUG-JAN

4,6 %

70,4 %

MAR-AUG

4,2 %

71,8 %

JAN-JUN

4,2 %

68,6 %

FEB-JUL

4,1 %

71,8 %

JUN-NOV

3,3 %

67,6 %

APR-SEP

2,9���%

64,8 %

MAI-OKT

1,7 %

64,8 %


Jüngste Vergangenheit

Der Börsenmythos ist also nicht aus der Luft gegriffen, doch die Aktienmärkte entwickeln und verändern sich im Laufe der Zeit und so auch die saisonalen Phänomene. Hätte man in den vergangenen 10 Jahren nach diesem Börsenansatz gehandelt, so hätte man im Mai ordentlich Rendite liegen gelassen. Die durchschnittliche Rendite in den vergangenen 10 Jahren betrug im Mai 3,54 %. Vergleicht man das mit den historischen Monatsrenditen aus der ersten Grafik, so wäre der Mai mit Abstand der lukrativste Monat. Zusätzlich schloss der Mai in den letzten 10 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 82 % im Plus.

Jahr

Performance

2011

-8,1 %

2012

1,0 %

2013

10,0 %

2014

7,1 %

2015

-0,3 %

2016

2,9 %

2017

8,0 %

2018

2,4 %

2019

3,1 %

2020

12,3 %

2021

0,6 %


Unser Fazit

Die Börse ist nie schwarz oder weiß. Es gibt immer Gründe, wieso man Aktien kaufen oder verkaufen sollte. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass der Kauf einer Aktie nur möglich ist, weil ein anderer Marktteilnehmer die Aktie im selben Moment verkauft und beide in diesem Moment denken, dass sie die richtige Entscheidung treffen. Die Sommermonate waren in der Vergangenheit schwächer als die Wintermonate, doch vergangene Bewegungen sind keine Garantie für die zukünftige Performance. Die Börsenweisheit „Sell in May and go away“ hat ihre Daseinsberechtigung, ist aber in den letzten Jahren aus der Mode gekommen.


Rutschen wir in eine Rezession?

Anfang April war am US-Anleihemarkt ein seltenes und gleichzeitig besorgniserregendes Phänomen zu beobachten. Das erste Mal seit dem Jahr 2006 überstiegen die Renditen der 5-jährigen Staatsanleihen die der 30-jährigen. Bei solch einem Szenario spricht man von einer inversen Zinskurve. In der Regel haben festverzinsliche Wertpapiere mit einer langen Laufzeit höhere Zinsen als kurzfristige Papiere, da Anleger sich länger binden müssen und daher ein höheres Risiko eingehen. Ist jedoch das Gegenteil der Fall, so spricht man von einer inversen Zinskurve. Dieses Phänomen kann eintreten, wenn Investoren eine wirtschaftliche Schwächephase befürchten und ihr Kapital vermehrt in langfristige Anleihen umschichten, wodurch sie die Renditen drücken.

Des Weiteren treiben die zu erwartenden Zinserhöhungen der US-Notenbank die kurzfristigen Renditen nach oben. In der Vergangenheit war eine inverse Zinskurve ein Warnsignal vor bevorstehenden wirtschaftlichen Problemen und womöglich sogar für eine sich anbahnende Rezession. Welche Aktien könnten sich trotz des schwierigen Börsenumfelds durchsetzen? Ein Bereich, der hiervon profitieren könnte, ist die Reisebranche. Unabhängig vom aktuellen wirtschaftlichen Umfeld, könnten viele Menschen zum ersten Mal seit dem Beginn der Coronapandemie in diesem Sommer in den Urlaub reisen. Aufgrund dessen findet ihr in dieser Ausgabe des Goldesel Magazins eine ausführliche Aktienanalyse zu Booking Holdings.


Amazon und Alphabet mit Aktiensplit

Der weltgrößte Onlinehändler Amazon hatte Mitte März den ersten Aktiensplit seit 23 Jahren angekündigt. Dabei sei vorgesehen, dass Investoren, die aktuell eine Amazon-Aktie besitzen, nach dem Split weitere 19 Anteilsscheine ins Depot gebucht bekommen. Beim aktuellen Kurs von rund 3.300 USD wird der neue Preis pro Aktie bei rund 165 USD liegen. Der Handel mit den gesplitteten Aktien soll am 6. Juni beginnen. Auch Googles Mutterkonzern Alphabet hat Ende Februar einen 20:1 Aktiensplit angekündigt. Dies gilt für alle Aktien der Klassen A, B und C des Unternehmens. Der Handel beginnt am 15. Juli.

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Was ist ein Aktiensplit

Bei einem Aktiensplit erhöht das Unternehmen die Anzahl der ausstehenden Aktien, indem es bereits bestehende Aktien teilt. An der fundamentalen Bewertung des Unternehmens ändert sich aber nichts. Durch einen Aktiensplit soll der Handel mit der jeweiligen Aktie erschwinglicher gemacht werden und Kleinanleger können bereits mit geringem Vermögen Anteilsscheine am Unternehmen erwerben.


Dow Jones Aufnahme

Während Technologieschwergewichte wie Apple oder Microsoft bereits im ältesten Index der Welt gelistet sind, mussten Amazon und Alphabet auf der Ersatzbank Platz nehmen. Der Grund hierfür sind die Kriterien der Zusammensetzung des Index. Während die meisten Indizes nach Marktkapitalisierung und somit nach der Größe des Unternehmens gewichtet werden, so ist der Dow Jones seit 1892 preisgewichtet. Das bedeutet, dass die Berechnung der Gewichtung ausschließlich auf Basis der Aktienkurse beruht. Die beiden Konzerne hätten bei den aktuellen Kursen mit Abstand die höchste Gewichtung im Index. Apple hat es jedoch 2015 vorgemacht und wurde nach einem Aktiensplit erfolgreich in den Dow Jones aufgenommen. Jedoch unterliegt der Aufstieg in den bekanntesten amerikanischen Index keinen quantitativen Regeln. Eine Aktie wird laut den Indexbetreibern normalerweise nur dann hinzugefügt, wenn das Unternehmen einen ausgezeichneten Ruf hat, nachhaltiges Wachstum zeigt und großes Interesse von Investoren weckt. Dass bei Amazon und Alphabet diese Voraussetzungen erfüllt werden, ist klar. Eine Aufnahme in den Index könnte die Aktien der beiden Konzerne beflügeln, da sich ETFs und Fonds, die den Dow Jones abbilden, mit den Aktien von Alphabet und Amazon eindecken müssten. Des Weiteren könnten die günstigeren Kurse neue Privatanleger anlocken, hierdurch die Nachfrage ankurbeln und somit den Kurs weiter in die Höhe treiben.


Twitter - Was ist hier los?

Anfang April hat Elon Musk, der reichste Mensch der Welt und CEO von Tesla, mit seinem Einstieg bei Twitter für Schlagzeilen gesorgt. Mit einem Anteil von 9,2 % wurde Musk zum größten Twitter-Aktionär. Das Investment dürfte ihn etwa 3 Milliarden USD gekostet haben. Der Gründer und ehemalige CEO von Twitter, Jack Dorsey, hat im Vergleich „nur“ einen Anteil von 2,3 %. Die Investoren begrüßten den Einstieg des Tech-Milliardärs zunächst und die Aktie stieg nach der Meldung vorbörslich um stolze 27 %. Rund eine Woche vor seinem Einstieg befragte Musk seine Twitter-Follower, ob sich der Kurznachrichtendienst rigoros an den Grundsatz der Redefreiheit halte und betonte, dass die Konsequenzen dieser Umfrage sehr bedeutend sein würden. Rund 70 % der teilnehmenden Twitter-Nutzer stimmten dabei mit „Nein“ ab. In seinem ersten Tweet nach Bekanntgabe des Einstiegs schrieb Musk nur „Oh hi lol“, anstatt seine Beweggründe für das Investment zu erklären. Typisch Musk.

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Nicht einmal 2 Wochen später gab der Tesla-Chef bekannt, dass er Twitter komplett übernehmen und daraufhin den Konzern von der Börse nehmen wolle. Musk argumentierte, dass Twitter nur so sein volles Potenzial als Plattform für Redefreiheit ausschöpfen könne. Er bot den Twitter-Aktionären 54,20 USD pro Aktie an und verwies darauf, dass der vorgeschlagene Preis einen Aufschlag von mehr als 38 % gegenüber dem Aktienkurs vor seinem Einstieg bedeuten würde.

Am 20. April wurde dann final die Übernahme durch Elon Musk bekanntgegeben. Der Tech-Milliardär zahlt für Twitter rund 44 Milliarden USD. Für den Kauf hat Musk von etlichen Banken Zusagen für Kredite in Höhe von 25,5 Milliarden USD erhalten. Rund 21 Milliarden USD stellt er selbst an Eigenkapital zur Verfügung.

In diesem Zusammenhang kommt Tesla ins Spiel. Bei einem Vermögen von über 270 Milliarden sollte der Übernahmebetrag keine Probleme darstellen. Jedoch besteht ein Großteil seines Vermögens aus seinem Anteil an Tesla und ich bezweifle, dass Elon Musk mehr als 21 Milliarden USD in Bar besitzt. Er könnte daher gezwungen sein, sich von weiteren Tesla-Aktien zu trennen, was den Kurs weiter belasten würde. In den letzten Tagen scheint sich dies bereits abzuzeichnen. Tesla verlor seit dem 26. April 2022 in der Spitze über 15 % an Wert.

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Nach der erfolgreichen Übernahme meldete sich prompt Twitter-Gründer Jack Dorsey zum Deal. „Elon ist die einzige Lösung, der ich vertraue“, twitterte er zur Übernahme. „Twitter als Unternehmen war immer mein einziges Problem und mein größtes Bedauern. Es wurde von der Wall Street und dem Werbemodell beherrscht. Es von der Wall Street zurückzuerobern, ist der erste richtige Schritt.“

Yuki Meeh

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Über den Experten

Michael Flender
Michael Flender

Michael Flender ist seit dem Jahr 2007 hauptberuflich als Trader an der Börse tätig. Seine Schwerpunkte liegen auf dem Handel von Aktien mit einem meist mittelfristigen Zeithorizont. Hierbei berücksichtigt er sowohl den Nachrichtenfluss und die operative Entwicklung als auch die charttechnischen Trends. Gelegentlich führt er auch Short-Positionen oder kurzfristige Trades vor oder nach den regulären Handelszeiten durch. Seit 2020 ist er zudem vermehrt in den sozialen Medien aktiv und teilt täglich aufregende Neuigkeiten und Entwicklungen im Bereich Börse. Zusätzlich dazu verwaltet er auf der Plattform Goldesel.de mehrere Echtgelddepots und vermittelt dort auch die Prinzipien eines nachhaltigen Aktienhandels.

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