Scope nimmt zur Schließung der KanAm-Fonds Stellung
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Die Fonds-Ratingagentur Scope hat am 23.01.2006 die folgende Stellungnahme zur Schließung der KanAm-Fonds veröffentlicht:
Als Ratingagentur ist es die verantwortungsvolle Aufgabe der Scope Group, Stärken, aber auch mögliche Schwächen in Kapitalanlagemärkten zu erkennen, sie zu bewerten und in der Folge auch zu kommunizieren. Scope handelt dabei entsprechend den international anerkannten Verhaltensregeln für Ratingagenturen.
Die Scope Group handelt nicht im Auftrag einer oder mehrerer Fondsgesellschaften, vielmehr analysiert die Gruppe ohne Auftrag und auf eigene Kosten. Dabei ist es Bestandteil des Scope-Geschäftsmodells, dass die geschaffenen Ergebnisse gegen eine jährliche Lizenzgebühr auch dritten Marktteilnehmern zur Verfügung gestellt werden. Da sich die vorrangige Klientel der Scope Group aus Investoren und Vermittlern von Kapitalanlagen zusammensetzt, wird von Scope erwartet, dass neben den Ratings auch Klassifizierungen und Handlungsempfehlungen für die einzelnen Investments abgegeben werden.
Verändert sich die Informationsgrundlage eines Ratings, bewerten die Analysten die veränderten Rahmenbedingungen und kommunizieren ihre aktualisierte Einschätzung so zeitnah wie möglich.
Zur Sachlage
Die Schließung des grundbesitz-invest der DB Real Estate im Dezember des vergangenen Jahres hat zu einer tiefgreifenden Verunsicherung in der Anlegerschaft der Offenen Immobilienfonds geführt. Scope hat vor diesem Hintergrund alle Fondgesellschaften aufgefordert, in verkürzten Zeitintervallen Informationen über die Mittelzu- und -abflüsse ihrer relevanten Fonds zur Verfügung zu stellen. Die Kapitalanlagegesellschaft KanAm Grund lehnte es ab, die notwendigen Informationen für ihre beiden Offenen Immobilienfonds zu liefern. In der aktuellen Situation der Branche und angesichts des transparenten Informationsverhaltens der anderen Kapitalanlagegesellschaften konnten die bis dahin geltenden Bewertungen und Handlungsempfehlungen nicht aufrecht erhalten werden. Am 10. Januar 2006 setzte Scope deshalb neben dem Fonds der Credit Suisse, die die Datenlieferung ebenfalls versagte, beide KanAm-Fonds auf die Watchlist.
Am 13. Januar 2006 meldete die Washington Post, dass die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC aufgrund buchhalterischer Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen seit dem Jahr 2000 bei The Mills Corporation Ermittlungen aufgenommen hat. Darüber hinaus wurde bekannt, dass in den Tagen zuvor 14 Top-Manager aus Kostengründen entlassen wurden. Auch wurden zehn geplante Immobilien-Vorhaben gestrichen, was im vierten Quartal 2005 zu Sonderabschreibungen in Höhe von circa 77 Mio. Dollar führte. Abschließend musste Mills kurzfristig einen Kredit über rund 150 Mio. US-Dollar bei J.P. Morgan Chase aufnehmen, um andere Darlehen bedienen zu können.
Am 15. Januar 2006 berief die Scope Group ein außerordentliches Ratingkomitee ein. In diesem Rahmen untersuchten die Scope-Analysten die möglichen Auswirkungen der Meldung auf die Offenen Immobilienfonds der KanAm-Gruppe.
Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Meldung der Ermittlungen gegen The Mills Corporation sowie die – bereits zu diesem Zeitpunkt – bestehenden Anfragen aus dem Markt ließen keinen Zweifel daran, dass die Vorfälle bei The Mills Corporation eine verstärkte, negative Aufmerksamkeit und entsprechende Mittelabflüsse verursachen würden.
Zur Mills-Problematik
The Mills Corporation ist ein börsennotierter Immobilienfonds (US-REIT), der sich auf die Entwicklung und den Betrieb von Einkaufszentren spezialisiert hat. KanAm war Gründungsgesellschafter und größter Anteilseigner, als Mills 1994 an der New Yorker Börse gelistet wurde. Auf das enge Geschäftsverhältnis mit Kan- Am wird zum Beispiel in der Bilanz 2004 von The Mills Corporation, aber auch im KanAm Geschäftsbericht 2004/2005 hingewiesen.
KanAm hatte seit 1994 rund 1 Mrd. US-Dollar Eigenkapital in unterschiedliche Projekte der The Mills Corporation eingebracht. Beide Gesellschaftsstrukturen sind darüber hinaus personell eng verflochten. Der Offene Immobilienfonds KanAm US-grundinvest hält zwei Mehrheitsbeteiligungen (50,99 Prozent) an Einkaufszentren, die The Mills Corporation verwaltet und die ein Drittel der gesamten Mieteinnahmen des Fonds ausmachen.
Die Informationen, die KanAm der Öffentlichkeit aktiv über die Probleme bei ihrem wichtigsten US-Partner lieferte – obwohl die buchhalterischen Unregelmäßigkeiten von The Mills Corporation spätestens seit dem 6. Januar 2006 bekannt waren –, waren in jeder Hinsicht unzureichend. KanAm hat auch die Scope Group weder über die neue Sachlage und die Tragweite der Geschäftsbeziehungen zu The Mills Corporation informiert, noch auf Anfrage von Scope hin erläutert, welche Auswirkungen die eingeleitete SEC-Ermittlungen bei dem US-Partner auf die beiden Offenen Immobilienfonds haben werden. Es wurde lediglich auf eine Pressemitteilung verwiesen und pauschal geantwortet, es gebe „keinen Grund zur Besorgnis“.
Besonderheiten der KanAm-Fonds
Im Rahmen des Ratings aller Offenen Immobilienfonds hatte Scope am 14. April 2005 die beiden Fonds der KanAm Grund als spekulativ eingestuft. Sowohl der KanAm US-grundinvest als auch der KanAm grundinvest Fonds wiesen eine hohe Fremdkapitalquote auf. Eine hohe Fremdkapitalquote beeinträchtigt das Risikoprofil der Fonds, da diese im Falle hoher Mittelabflüsse über einen geringeren Spielraum zur weiteren Kreditaufnahme für die zusätzliche Liquiditätsbereitstellung verfügen. Scope führt bei allen Offenen Immobilienfonds ein stetiges Monitoring durch, das erlaubt, die Einschätzungen der Fonds zeitnah zu überprüfen. In den offiziellen Berichten beider KanAm Fonds (grundinvest Jahresbericht von Juni 2005 und US grundinvest Halbjahresbericht von September 2005) hatte sich das spekulative Profil der Fonds nicht maßgeblich verändert. Seit diesem Zeitpunkt tätigte die KanAm Grund allerdings für beide Fonds beachtliche Immobilientransaktionen, was umso mehr überrascht, da die Mittelzuflüsse in beiden Fonds durch eine Cash-Stop-Strategie sehr limitiert waren. Für den KanAm grundinvest Fonds wurden Immobilientransaktionen seit Juli 2005 bis Dezember 2005 im Gesamtinvestitionsvolumen von rund 1,7 Mrd. Euro vorgenommen, während im gleichen Zeitraum nur circa 275 Mio. Euro Mittelzuflüsse zu verzeichnen waren. Für den KanAm US-grundinvest wurden seit September 2005 Immobilienankäufe von rund 225 Mio. US-Dollar realisiert, während sich das Fondsvolumen um circa 2 Mio. Euro verringerte. Als Folge war die Liquiditäts- und Kreditreserve beider Fonds zum Zeitpunkt des außerordentlichen Ratingkomitees verhältnismäßig gering.
Die aggressive Strategieausrichtung der KanAm-Produkte in Verbindung mit ihrer speziellen Anlegerstruktur mit hohem institutionellen Anteil sorgte für die Risikoeinschätzung, dass bei hohen Mittelabflüssen die Möglichkeit des Sinkens der Liquiditätsquote unter die gesetzliche Mindestgrenze besteht. Für den Fall einer Schließung des US-grundinvest Fonds war zudem ein Vertrauensverlust der Anleger in das Management der Gesellschaft und somit ein Übergreifen auf den zweiten Fonds äußerst wahrscheinlich.
Scope hat deshalb aufgrund der besonderen Risikoprofile der beiden Offenen Immobilienfonds der KanAm Grund mittels einer Verkaufsempfehlung auf dem üblichen Weg über die mögliche Öffentlichkeitswirkung der SEC-Ermittlungen bei The Mills hingewiesen.
Aktuelle Entwicklungen
Auslöser für die Schließung des KanAm US-grundinvest Fonds am 17. Januar 2006 waren die Reaktionen der Anleger auf die Schwierigkeiten bei dem KanAm-Partner The Mills Corporation.
In diesem Zusammenhang verweisen wir auf unsere Mitteilung vom 15. Januar 2006: „Die Ratingagentur warnt vor möglichen Auswirkungen auf die Liquiditätssituation der Fonds bei hohen Mittelabflüssen durch verunsicherte Anleger im Zuge der negativen Berichterstattung hinsichtlich der Ermittlungen um The Mills Corporation, dem wichtigsten Partner der KanAm-Gruppe auf dem US-amerikanischen Markt.“
Auch KanAm gibt in ihrer Pressemitteilung vom 17. Januar 2006 diesen Grund an: „Aufgrund der negativen Berichterstattung in der Presse zur Situation der Mills Aktiengesellschaft und deren angeblicher Auswirkung auf den KanAm US-grundinvest Fonds ist es zu starken Anteilrückgabeverlangen im KanAm USgrundinvest Fonds gekommen, die dazu führen würden, dass per Mittwoch, dem 18.01.2006, die gesetzlich vorgeschriebene Mindestliquidität von 5% unterschritten worden wäre.“
Grund für die Schließung des KanAm grundinvest-Fonds am 19. Januar 2006 war der Vertrauensverlust der Anleger in das KanAm-Management. Die Ursachen liegen aber nicht nur im hohen Fremdfinanzierungs- Niveau, sondern auch in dem ungewöhnlich hohen Investitionsvolumen institutioneller Anleger in dem Fonds, so dass schon wenige Transaktionen zu hohen Mittelabflüssen führen konnten. Gleichzeitig war das Liquiditätsniveau der Fonds durch die Cash-Stop-Strategie äußerst niedrig, um die Rendite aus den Immobilien nicht zu verwässern. Die Liquiditätsreserve erschien nicht ausreichend hoch genug, als dass sie nicht von relativ wenigen institutionellen Anlegern hätte aufgebraucht werden können.
Die Aufgabe von Ratingagenturen ist es, Einschätzungen und Handlungsempfehlungen zu geben. Ratingänderungen resultieren dabei aus Veränderungen bei den Untersuchungsgegenständen. Nicht die Ratingänderung selbst ist somit der Grund für ein Problem, sie zeigt lediglich der interessierten Öffentlichkeit auf, dass eine Veränderung stattgefunden hat. Die durch Ratings steigende Transparenz einer Anlage ist vertrauensbildend und kann nicht als Ursache für Vertrauensverlust herangezogen werden.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am Freitag, 20. Januar 2006, die der Verkaufsempfehlung zugrunde liegenden Analysen und Argumente bei der Scope Group angefordert. Scope begrüßt ausdrücklich, dass die BaFin den Fall "Schließung der KanAm-Fonds" in einer Sachverhaltsuntersuchung, die alle Seiten und alle Aspekte einbezieht, prüft. Die Scope analysis open ended funds GmbH hat diesbezüglich bereits am Freitag alle relevanten Unterlagen, die zu der Handlungsempfehlung geführt haben, an die BaFin übergeben.
Reformbedarf
Scope fordert auch vor dem Hintergrund der jüngsten Fondsschließungen die zügige Verabschiedung und Umsetzung von Reformen bei Offenen Immobilienfonds. Der Reformbedarf in diesem Bereich wird seit Jahren diskutiert und ist bekannt, jedoch wurde die Zeit bisher nicht genutzt, das Produkt an die veränderten Marktbedingungen anzupassen. Eine Langfristanlage in Immobilien kombiniert mit einer kurzfristigen Finanzierung, sprich der börsentäglichen Verfügbarkeit, muss in turbulenten Marktphasen zu Problemen führen. Der Zugang zu dieser Anlageklasse für institutionelle Investoren ohne weitere Gebühren oder Beschränkungen verstärkt diese Problematik. Zur Schieflage trugen auch die Mittelzuflüsse in den vergangenen Jahren bei. So mussten enorme Liquiditätsbeträge innerhalb kurzer Zeit in Immobilien investiert werden, um die gesetzlich vorgegebene Investitionsquote nicht zu unterschreiten. Weder die Zeit zu adäquater Differenzierung noch die Möglichkeit von Käufen in geregelten Marktsituationen waren aufgrund des allgemein bekannten Liquiditätsdrucks möglich. Sachverständige ermittelten denn auch, vor allem für die deutschen Immobilienstandorte, marktunkonforme Bewertungen.
Scope plädiert daher für die Durchsetzung eines umfassenden Reformpakets, dass den veränderten Rahmenbedingungen in vollem Umfang Rechnung trägt.
Aktuelle Marktlage
Die Schließung von nunmehr drei Offenen Immobilienfonds und die damit einhergehende Verfügungsbeschränkung hat zu einer Verunsicherung bei den investierten Anlegern geführt. Scope weist deshalb darauf hin, dass die Schließung der KanAm-Fonds auf die spezifischen Probleme dieser Fonds zurückzuführen ist, die vor dem Hintergrund einer bewusst eingegangenen, aggressiv ausgerichteten Strategie zu sehen sind. Andere Fonds weisen deutlich konservativere Fremdfinanzierungsquoten sowie auch bessere Liquiditätssituationen auf, wobei zum Teil auch Stützungsgarantien von Muttergesellschaften bestehen.
Richtigstellung:
In der Scope-Stellungnahme vom 23. Januar 2006 ist irrtümlicherweise angegeben worden, dass The Mills Corporation im Januar 2006 kurzfristige Kredite über rund 150 Mio. US-Dollar bei J.P. Morgan Chase aufgenommen hat, um andere Darlehen bedienen zu können.
Vielmehr ist richtig, dass die zusätzliche Kreditlinie für weitere Investitionen bereitgestellt wurde. Mills verfügt über eine bestehende Kreditlinie von 1,2 Mrd. US-Dollar, die zu 550 Mio. US-Dollar in Anspruch genommen wurde, so dass hieraus 650 Mio. US-Dollar abgerufen werden können und Mills mit dem weiteren kurzfristigen Kredit von J.P. Morgan Chase in Höhe von 150 Mio. US-Dollar über insgesamt 800 Mio. US-Dollar an freien Krediten verfügen kann.
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