Kommentar
09:10 Uhr, 19.12.2006

Schwellenländer bringen althergebrachte Überzeugungen ins Wanken

Unter Anlegern ist man sich einig: Die Weltwirtschaft steuert auf eine „sanfte Landung“ zu, eine allmähliche Verlangsamung des Wachstums bahnt sich an. Nach herkömmlicher Überzeugung wäre es jetzt an der Zeit, sich mit Engagements in den aufstrebenden Aktienmärkten bedeckt zu halten, da diese in Perioden rückläufigen Weltwirtschaftswachstums traditionell schlechter abschneiden. Unserer Auffassung nach werden die Schwellenländer ihren Erfolgskurs jedoch auch über den Jahreswechsel hinaus fortsetzen – trotz der enormen Renditen von über 230 Prozent*, die hier in den letzten vier Jahren erzielt wurden. Auf den Märkten der Schwellenländer hat ein tief greifender Wandel stattgefunden: Sie haben sich vom globalen Konjunkturzyklus abgekoppelt und weisen im Vergleich zur entwickelten Welt solide Rahmendaten auf. Folglich sind wir zu Recht optimistisch, was die kurz- und langfristigen Perspektiven der Schwellenländer betrifft.

Die Wirtschaft der Schwellenländer entwickelt sich dynamisch, das treibt die Renditen an

Einer der Schlüsselfaktoren für die hervorragenden Renditen der Schwellenländer in den letzten Jahren ist die enorme Dynamik ihrer Volkswirtschaften. Das BIP wächst hier um rund 3 Prozent pro Jahr schneller als in den Industrienationen. Diese Entwicklung wird anhalten. So werden die Volkswirtschaften der Schwellenländer 2007 voraussichtlich um 5,5 bis 6 Prozent zulegen. Auch über einen Zeithorizont von zehn Jahren erwarten wir, dass diese Volkswirtschaften weitaus besser abschneiden werden als die entwickelten Märkte. Dies wird sich auch auf die Performance der aufstrebenden Aktienmärkte auswirken.

Ein weiterer Grund für unsere Zuversicht ist die Tatsache, dass Schwellenländer jetzt weniger von der Performance der entwickelten Volkswirtschaften beeinflusst werden. Im Prinzip spiegelten die aufstrebenden Aktienmärkte bisher die Verfassung der Weltkonjunktur wider, da das Wachstum der Schwellenländer weitgehend von ihren Exporten in die Industrienationen abhing. Aber inzwischen haben sich ihre Wachstumsfaktoren verändert; das ist eine der nachdrücklichsten Veränderungen, die wir in den letzten Jahren bei dieser Asset-Klasse beobachtet haben. Beispielsweise übersteigen die Exporte anderer aufstrebender Länder Asiens nach China jetzt erstmals die Ausfuhren in die USA. Damit profitieren diese Länder von der anhaltenden Wachstumsdynamik Chinas und sind weniger abhängig von der US-Konjunktur, die aller Wahrscheinlichkeit nach abkühlen wird. In China ist die Binnennachfrage – Sachinvestitionen und Verbraucherausgaben – die treibende Kraft in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Exporte spielen dagegen eine weniger markante Rolle. Auch wenn die Ausfuhren Chinas in der nächsten Zukunft stagnierten, würde die chinesische Volkswirtschaft immer noch um 7 bis 8 Prozent zulegen.

Auch in anderen Schwellenländern wie Korea und Indien erweist sich die Inlandsnachfrage zunehmend als Triebkraft der Konjunktur. Diese Abkopplung der Schwellenländer vom globalen Konjunkturzyklus ist ein neuer Trend und gibt allen Anlass zur Zuversicht.

Schwellenländer weisen bessere Rahmendaten auf als die entwickelte Welt

Verschiedenen Indikatoren zufolge sind die wirtschaftlichen Rahmendaten der aufstrebenden Volkswirtschaften überzeugender als die der Industrieländer. So verfügt China beispielsweise mit rund einer Billion Dollar über die größten Devisenreserven der Welt. Insgesamt können diese Länder Handelsbilanzüberschüsse vorweisen.

Auch die Staatsverschuldung ist niedriger als in der entwickelten Welt, während sich die Auslandsverschuldung erheblich verbessert hat. Infolge dieser Faktoren ist der Risikoaufschlag für Werte aus Schwellenländern gesunken. Gleichzeitig waren die aufstrebenden Aktienmärkte in den letzten Jahren weniger volatil als der deutsche DAX, der japanische Nikkei und der Russell 2000 in den USA.

Bewertungen am Aktienmarkt spiegeln noch nicht alle Pluspunkte wider

Der starken Performance von Schwellenländeraktien zum Trotz sind die positiven Faktoren noch nicht gänzlich eingepreist. Bislang werden Schwellenländeraktien mit einem KGV von elf gehandelt, das entspricht einem zwanzigprozentigen Abschlag gegenüber den entwickelten Märkten. Die Höchststände von 1993/94 wurden bisher noch nicht wieder erreicht. Während Schwellenländeranleihen dank besserer Rahmendaten in ihrer Bonität neu eingestuft wurden, war dies bei Schwellenländeraktien bislang noch nicht der Fall. Das kräftige Ertragswachstum spiegelte sich vielmehr in Rallyes an den Märkten wider. Insgesamt besteht also ein gutes Potenzial für höher tendierende Aktienmärkte in den Schwellenländern. Ab nächstem Jahr rechnen wir mit einem Ertragswachstum der Renditen von 10 bis 15 Prozent. Dabei haben wir noch nicht einmal eine mögliche Neubewertung der Schwellenländeraktien berücksichtigt.

Die Befürchtung vieler Marktbeobachter, die bevorstehende Abkühlung der Weltkonjunktur könne auch eine schwierige Zeit für Schwellenländer nach sich ziehen, halten wir daher für übertrieben pessimistisch. Unser Fazit: Bei dieser Anlageform hat sich einiges getan, etwa die zunehmende Abkoppelung vom globalen Konjunkturzyklus und die gestärkten Rahmendaten der aufstrebenden Volkswirtschaften. Damit sind die Weichen hier – kurz- und langfristig – für eine anhaltend positive Entwicklung gestellt.

Quelle: Schroders

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2006 rund 184,2 Mrd. Euro.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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