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10:22 Uhr, 21.11.2012

Schuldensünder Hellas: Ökonomen lehnen neuen Haircut weiterhin ab

Brüssel/ Frankfurt/ Berlin (BoerseGo.de) - Die Verhandlungen über die Auszahlung weiterer Finanzhilfen an Griechenland sind vertagt worden. Bei den stundenlangen Beratungen der Euro-Finanzminister mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), kam es in der Nacht zu Mittwoch zu keiner Einigung. Knackpunkt bei den Verhandlungen war die Schließung einer weiteren großen Finanzierungslücke, die sich dadurch aufgetan hat, dass Athen zwei Jahre mehr Zeit bekommen hat, um seine Sparauflagen zu erfüllen. Die Vertreter der Geldgeber-Troika hatten über Stunden versucht, einen Weg zu finden, wie die Finanzierungslücken der Regierung in Athen gestopft werden können, ohne neue Steuermittel aufwenden zu müssen.

Immer wieder kommt dabei der Vorschlag eines neuen Haircuts der griechischen Schulden aufs Tableau. Diesmal unter Einbeziehung öffentlicher Gläubiger. Viele Wirtschaftswissenschaftler, wie der Berater des Bundesfinanzministeriums Clemens Fuest, sind der Überzeugung, dass an einem neuen Schuldenschnitt kein Weg vorbeiführen kann. Der griechische Schuldenberg wachse zu rasant trotz Konsolidierungsbemühungen, die Schuldenquote betrage bereits jetzt 175 Prozent, im nächsten Jahr gehe sie auf 190 Prozent zu, lautet das Hauptargument.

Einen erneuten Schuldenschnitt für Athen lehnt der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle hingegen strikt ab. Eine solche Maßnahme koste das Geld der Steuerzahler und wirke sich negativ auf andere Krisenländer aus. „Ein Schuldenschnitt unter Einbeziehung des öffentlichen Sektors hätte mehrere Konsequenzen zur Folge, die wir alle nicht für gut finden“, sagte Barthle im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. „Erstens würde es sofort unser Geld kosten und die KfW-Kredite wären gefährdet. Zweitens wäre das ein fatales Signal an Portugal, an Irland, eventuell an Spanien, denn die würden sich sofort fragen, weshalb sollen wir harte Konditionalität auf uns nehmen, die womöglich die Regierung zur Abwahl führen, wenn unsere Schulden beschnitten werden können. Und drittens hätte das auch haushaltsrechtliche Auswirkungen. Wir dürfen für Kredite, mit deren Ausfall wir rechnen, keine Garantien, keine Gewährleistungen übernehmen. Das würde dann auch bei uns zu enormen Konsequenzen führen“.

Der Wirtschaftsweise Volker Wieland sieht in Griechenland dafür aber ausreichenden Reformbemühungen. Einen zweiten Schuldenerlass für Athen dürfe es nicht geben, da es in dem Land an einem breiten politischen Konsens für eine konsequente Konsolidierungs- und Reformpolitik fehle. „Da hilft auch kein zweiter Schuldenschnitt, wenn nicht konsequent reformiert und dauerhaft konsolidiert wird, sagte der Ökonom im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch) „Es hat ja bereits einen Schuldenschnitt gegeben, bei dem zwar hauptsächlich private Gläubiger Verzicht übten, aber auch die Abwicklungsgesellschaften in Staatsbesitz auf Anleihen aus dem Bestand der HRE und WestLB mussten einen Schnitt akzeptieren, was also auch die Steuerzahler trifft“, bemerkt der Wirtschaftsweise.

Das Ziel aller Bemühungen müsse sein, dass die Ursache der Verschuldung bekämpft werde, so der Ökonom weiter. „Wenn man jetzt einen zweiten Schuldenschnitt macht, dann droht die Gefahr, dass dasselbe passiert, was nach dem ersten Schuldenschnitt geschehen ist: Man hat die Schulden beschnitten in der Hoffnung, dass dann die strukturellen Reformen vorangebracht werden. Aber jetzt ist Griechenland wieder in der Situation, dass erneut ein Schuldenschnitt droht. Also man kann auch alle zwei Jahre die Schulden beschneiden und immer Geld nachschießen, dann ist aber nicht geholfen“. In Griechenland müsse sich zunächst vieles ändern. „Solange die Steuerverwaltung in Griechenland ausstehende Steuern vielfach nicht eintreiben kann, ist ausländischen Steuerzahlern schwer zu erklären, warum gerade sie stärker beteiligt werden sollen“, führt Wieland aus.

Während der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Schuldenschnitt favorisiert, sträubt sich die Bundesregierung nach wie vor vehement gegen solch einen Schritt. Der CSU-Haushaltsexperte Hans Michelbach sagte am Mittwoch laut Dow Jones Newswire, Deutschland schließe das weiterhin aus. „Den Schuldenschnitt lehnen wir ab, weil der im Haushalt bei uns in dieser Form rechtlich nicht geht“, so der CSU-Haushaltsexperte. Eine Zinssenkung für die den Griechen dargereichten Kredite sei aber mittlerweile ein unstrittiges Instrument zur Schuldenreduktion. „Eine Zinsverringerung steht fest, aber das reicht natürlich nicht, denn ohne Schuldenrückkaufprogramm und EFSF-Erweiterung wird es nicht gehen", sagte Michelbach.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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