Kommentar
10:00 Uhr, 26.04.2023

Schuldenobergrenze USA: Droht ein Unfall?

Das bestimmende Thema des Sommers wird weder die Geldpolitik noch eine Rezession sein. Stattdessen wird sich alles um die Zahlungsunfähigkeit der USA drehen.

Das Thema wird natürlich nur dann bestimmend, wenn sich die Regierung und der Kongress nicht auf eine Anhebung der Schuldenobergrenze einigen können. Bisher sind die Fronten verhärtet und die USA sind polarisiert wie selten zuvor. Ein Unfall lässt sich nicht ausschließen.

Demokraten wollen keinen Kompromiss eingehen. Sind nämlich Republikaner an der Macht, werden Steuern für Reiche und Unternehmen gesenkt. Die Defizite explodieren. Sind Republikaner in der Opposition, wollen sie Demokraten zu Einsparungen zwingen. Auf dieses Spiel will sich die Regierung nicht einlassen. Eine demokratische Regierung zum Sparen zu zwingen, damit die Opposition bessere Staatsfinanzen bei Machtübernahme zur Verteilung von Geschenken nutzen kann, macht aus demokratischer Sicht keinen Sinn.

Ob ein Kompromiss überhaupt möglich ist, hängt von einer Minderheit innerhalb der republikanischen Partei ab. Diese Minderheit dürfte praktisch jeden Kompromiss ablehnen, der die Agenda der Demokraten unterstützt. Der Ausgang ist daher unsicher wie nie.

Grundsätzlich würde es den USA guttun, das strukturelle Defizit anzugehen. Es ist inzwischen höher als in Italien oder Griechenland. Langfristig ist das kein tragbarer Zustand. Kurzfristig ist eine Zahlungsunfähigkeit wegen der Schuldenobergrenze nicht der richtige Weg dorthin.

Anleger sind besorgt. Die Sorge zeigt sich vor allem auf den Anleihemarkt. Die letzte ernste Konfrontation in der Sache fand 2011 statt. Kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stiegen die Renditen von Anleihen mit kurzer Laufzeit deutlich an (Grafik 1).


Aktuell gibt es den umgekehrten Fall. Anleger sind sich sicher, dass der Staat Anleihen, die im Mai fällig werden (1 Monat Laufzeit) bedient werden können. Diese Anleihen werden gekauft. Die Rendite liegt mehr als einen Prozentpunkt unterhalb der Rendite von Anleihen, die im Juni oder Juli fällig werden (Grafik 2).

Fälligkeiten im Sommer sind wie heiße Kartoffeln. Keiner möchte sie lange halten. Einen auffälligen Renditeanstieg wird es allerdings erst geben, wenn das Fälligkeitsdatum näher rückt und absehbar ist, ob die Anleihen bedient werden können oder nicht.

Eine Zahlungsunfähigkeit geht am Aktienmarkt nicht spurlos vorüber. Ob 2011 in den USA oder in anderen Ländern, der Aktienmarkt bricht für gewöhnlich ein (Grafik 3). Die Tiefe des Einbruchs hängt von der Dauer der Zahlungsunfähigkeit ab. Griechenland etwa war schlichtweg bankrott. In den USA ist absehbar, dass die Schulden nach einer Pause wieder bedient werden.


Dennoch ist mit der Situation nicht zu spaßen. In den vergangenen Jahren waren Staatsschulden im Bereich von 300 bis 500 Mrd. von Verzug oder Ausfällen betroffen (Grafik 4). Sind die USA zahlungsunfähig, stellt dies alles bisher Dagewesene in den Schatten.

In den vergangenen Jahren waren lediglich 0,5 % der globalen Wirtschaftsleistung von Zahlungsunfähigkeiten betroffen (Grafik 5). Bei den USA würde der Prozentsatz auf über 20 steigen. Das ist eine ganz andere Dimension.


Wie immer hoffen alle darauf, dass es nicht zum gefürchteten Unfall kommt. Hoffen darf man. Ob man das Risiko eines katastrophalen, wenn auch unwahrscheinlichen Ereignisses eingehen möchte, muss jeder Anleger für sich entscheiden. Put-Optionen sind eine Möglichkeit, das Risiko zu minimieren. Im Normalfall sichere ich mich nicht ab. In diesem Fall denke ich darüber nach.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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  • masi123
    masi123

    De facto wird seit der Subprime-Krise eine Art Insolvenzverschleppung betrieben. Die Staatsverschuldung der USA ist von ~12,5 Billionen(!) USD zu Beginn der Finanzkrise auf nun über 30 Billionen (!) USD explodiert. Die vermeintlich guten Wirtschaftsdaten beruhen zu einem Großteil auf kreditfinanzierten Konjunktur- und Subventionsprogrammen, wie zuletzt die gigantischen Wirtschaftshilfen während der Corona-Zeit oder aktuell der inflation reduction act. Letztlich wurde mit der Maxime "too big to fail" oder zuvor auch schon durch den sog. Greenspan-Put die Büchse der Pandora geöffnet. Den Preis zahlen wir mit einer ausufernden, unkontrollierbaren Inflation, die zu Beginn als asset-price-inflation noch etwas verschleiert war. Am Ende wird es auch diesmal zu einer Erhöhung der Schuldenobergrenze kommen, ungeachtet einer temporär möglichen Zahlungsunfähigkeit, ansonsten wäre der USD und dessen globale Bedeutung passe, was sich die USA sicher nicht leisten werden.

    10:24 Uhr, 26.04.2023
  • eagle27
    eagle27

    Was beabsichtigen Sie mit Put-Optionen abzusichern - $-Anleihen oder $-Aktien-Investitionen?

    10:23 Uhr, 26.04.2023

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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