Kommentar
11:43 Uhr, 07.07.2016

Schlimmer als der Brexit: Das ist das größere Risiko für die Weltwirtschaft!

Im Schatten des Brexit-Votums geht der verzweifelte Kampf Japans um seine wirtschaftliche Zukunft vollkommen unter. Das ist ein Fehler, denn Japans Scheitern könnte sich als weitaus größeres Risiko für die Weltwirtschaft herausstellen als der Brexit.

Direkte Effekte des Brexit für die globale Wirtschaft eher gering

Im Vorfeld des Referendums in Großbritannien wurde der mögliche Brexit als größtes Risiko eingestuft. Nun kommt es zum Brexit, doch nach dem ersten Schock stellt sich nach und nach heraus, dass die Welt doch nicht untergehen wird. Während sich Unternehmen und Konsumenten in Großbritannien wegen der Unsicherheit in naher Zukunft mit Investitionen und Konsum zurückhalten werden, dürften die Effekte für die Weltwirtschaft vernachlässigbar sein.

Selbst wenn Großbritannien die EU vielleicht Ende 2018 verlässt (das ist alles andere als gesichert) bleibt den Märkten viel Zeit sich darauf einzustellen. Kurzfristig geht es ähnlich weiter wie bisher. Mittelfristig dürfte Großbritannien in eine milde Rezession abgleiten und langfristig wird der Brexit wenig Bedeutung haben. Letzteres ist zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nur eine wilde Vermutung.

Aktuell ist durch das Brexit-Votum weit und breit keine Spur von einer neuen, weltweiten Krise. Japan hatte genau davor gewarnt und dieses Szenario beim G7 Gipfel untermauert. Japan zog sogar Parallelen zu 2008 und warnte, dass ein Brexit zu ähnlichen Konsequenzen führen könnte. Wie gesagt, davon kann man derzeit wirklich nicht ausgehen. Dafür aber droht Japan selbst zum großen Risiko zu werden.

Japan ist das eigentliche Risiko

Ein Blick auf die langen Zeitreihen der Währung, des Nikkei und der Inflation gibt einen Eindruck davon, wo Japan aktuell steht (Grafik 1). Grundsätzlich kann man sagen, dass die Währung der Inflation folgt. Stieg die Inflation in Japan an, dann verlor der Yen. Umgekehrt wertete der Yen in Zeiten fallender Inflation oder in Zeiten der Deflation auf.

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen folgt der Yen der Inflation aufgrund des Realzinsdifferentials (Zinsen minus Inflation), welches sich bei fallender Inflation zugunsten des Yen verschiebt. Je tiefer die Zinsen sind, desto größer wird der Effekt fallender Inflation. Die Realzinsen steigen unter diesen Umständen überproportional an.
Die Inflation ist in Japan schon lange niedrig. Es gab nach Beginn der Abenomics einen kurzen Inflationsschub. Seit der Mehrwertsteuererhöhung im Jahr 2014 oszilliert die Inflationsrate nun allerdings wieder um die Nullprozentmarke herum (die Steuererhöhung ist aus den Daten herausgerechnet).

Der Yen befindet sich im Aufwertungsdruck

Die sinkende Inflation übt schon seit zwei Jahren Aufwärtsdruck auf den Yen aus. Nur die Ausweitung des japanischen Quantitative-Easing-Programms und immer niedrigerer Zinsen konnten den Yen tief halten. Nun fällt dieses Argument weg, denn die Notenbank kann nicht mehr viel tun.

Sie kann die Anleihenkäufe kaum noch ausweiten. Das liegt vor allem daran, dass die Notenbank bereits jetzt schon 37 % aller Staatsanleihen hält. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass der Markt für Staatsanleihen ab einem Anteil von 50 % aufhört effizient zu funktionieren, weil es an Liquidität fehlen wird. In zwei Jahren könnte es beim derzeitigen Tempo soweit sein.

Die Notenbank könnte ihr ETF-Kaufprogramm ausweiten, doch auch das ist wenig zweckdienlich. Bereits jetzt ist die Notenbank bei vielen Unternehmen größter Einzelaktionär. Zudem bergen Aktien ein höheres Verlustpotenzial für die Notenbank.

Die Notenbank kündigte bereits im vergangenen Jahr an, dass sie einen größeren Anteil ihres Gewinns einbehalten will, anstatt diesen an den Staat auszuschütten. Das soll die Reserven und die Kapitaldecke stärken. Wie das bisher aussah und bis Ende 2017 aussehen könnte, zeigt Grafik 2.


Obwohl die Notenbank die Reserven stärkt, übersteigt der Aktienbestand diese Rücklagen bereits jetzt erheblich. Ab Ende 2017 würde ein normaler Bärenmarkt reichen, um die Reserven komplett aufzuzehren.

Rücklagen der Bank of Japan sind sehr gering

Die Aktien sind gemessen am Volumen noch das geringste Problem. Bis Ende nächsten Jahres dürften die Reserven im Verhältnis zu den gehaltenen Aktien und Staatsanleihen die Marke von 2 % unterschreiten. Für 100 Yen an Aktien und Staatsanleihen hält die BoJ dann nur noch 2 Yen an Kapital und Rücklagen, die zum Ausgleich von Verlusten verwendet werden können.

Egal, ob der Aktien- oder der Anleihenmarkt korrigiert, die Korrektur wird wohl größer als 2 % ausfallen. Die BoJ ist praktisch jetzt schon bankrott. Das ist natürlich nicht weiter von großer Bedeutung, da eine Notenbank per Definition nicht insolvent sein kann. Muss sie Verpflichtungen nachkommen, hat jedoch keine Rücklagen mehr, dann druckt sie halt einfach noch ein wenig mehr Geld.

Dazu wird es vermutlich eher früher als später kommen, denn eine neuerliche Abwertung des Yen ist derzeit kaum vorauszusehen. Dazu fehlt die Inflation, die Inflationserwartungen und am allerwichtigsten: es fehlt die Nachfrage. Japans Bevölkerung schrumpft und überaltert. Die Nachfrage sinkt entsprechend. Wenn die Nachfrage schrumpft, kann es keine Inflation geben. Dazu müsste schon ein Angebotsschock vorliegen (dramatischer Einbruch der Produktionskapazität). Davon ist nicht auszugehen.

Stärke oder Schwäche des Yen entscheiden über das Schicksal Japans

Der Erfolg und Misserfolg Japans hängt vereinfacht ausgedrückt nur an einem: der Währung. Der Brexit hat zu einer neuerlichen Aufwertung des Yen geführt und somit Japan ein kleines Stück näher an den Kollaps gebracht. Die bereits begonnene Eintrübung der Wachstumsaussichten wird den Rest erledigen, da die immer weiter sinkenden Inflationserwartungen und nahende Deflation für weiteren Aufwertungsdruck sorgen werden.

Der Brexit selbst wird die Welt nicht Schieflage bringen. Dafür aber hat der Brexit Japan ein Stück näher an die Klippe gedrängt. Beginnt Japan zu fallen und kann die Notenbank dagegen nichts unternehmen (danach sieht es aktuell aus), dann dürfte global das Vertrauen in die Notenbanken schweren Schaden nehmen. In der Folge sinkt die Risikobereitschaft weiter und ein globaler Abschwung wäre zu befürchten. Scheitert Japan, dann hat das Konsequenzen für die Weltwirtschaft, ganz im Gegensatz zu den eher milden Konsequenzen durch den Brexit selbst.

Clemens Schmale

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12 Kommentare

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  • 1 Antwort anzeigen
  • Floyd K
    Floyd K

    Die japanische Volkswirtschaft ist hoch verschuldet, ja! Aber bei wem??

    Doch hauptsächlich in Japan und sonst nirgends.

    Bei z.B. den USA oder UK ist das ganz anders. Sie sind im Ausland verschuldet, z.B. stark gegenüber Deutschland und auch Japan.

    Bricht also Japan zusammen, hat unser Land diesbezüglich wenig Probleme. Unser Export nach Japan ist überschaubar, in wichtigen Branchen sind wir Konkurrenten (z.B. im Maschinenbau für Asien). Ein japanischer Zusammenbruch brächte uns also diesbezüglich sogar Vorteile.

    Bräche das Vereinigte Königreich zusammen, haben wir als Staat sofort massive Verluste. Sie sind so hoch, dass sie uns sofort mit in die Tiefe reissen können.

    Sie sehen, man kann auch zu genau dem umgekehrten Schluss kommen wie Sie, Herr Schmale.

    Vielleicht denke ich aber auch "zu kurz"? Widerlegen Sie mich

    18:32 Uhr, 07.07. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    ad1) Ohne Bevölkerungswachstum kein BIP Wachstum = geringere Inflation = geringerer Zins

    ad2) grundsätzlich möglich - dies wäre aber der maximale Vertrauensverlust mit Hyperinflation als Folge und massiver Abwertung des Yens. Halte ich als mittelfristiges Szenario für wahrscheinlich. Die aktuelle Aufwertung des Yen kann auf Basis der aktuellen Situation nur ein temporärers Phänomen sein

    18:09 Uhr, 07.07. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • 3hrx
    3hrx

    Ich hab dazu zwei Fragen:

    1.) Wieso wird immer auf die Demografie verwiesen? Weil a) die Bevölkerung schon seit sehr langer Zeit immer älter wird und b) so ein Argument z.B. bei Frankreich nicht zieht und dort voraussichtlich dennoch das gleiche passieren wird

    2.) Was wird passieren wenn die Notenbank Japan die Schulden einfach erlässt? Weiß man schon was dann passiert? Vermutet man es? Gibt es dazu Szenarien?

    Wäre sehr dankbar wenn mir jemand meine Fragen beantworten könnte.

    12:07 Uhr, 07.07. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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