Kommentar
12:53 Uhr, 12.06.2019

Schlechte Daten - und der Aktienmarkt feiert?

US-Arbeitsmarktbericht vergangenen Freitag war schlecht. Trotzdem haben Anleger einen Kaufrausch entwickelt. Wieso?

Erwähnte Instrumente

  • S&P 500
    ISIN: US78378X1072Kopiert
    Kursstand: 2.885,72 Pkt (Chicago Mercantile Exchange) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • S&P 500 - WKN: A0AET0 - ISIN: US78378X1072 - Kurs: 2.885,72 Pkt (Chicago Mercantile Exchange)

Es war nicht ganz einfach zu verstehen, weshalb der Markt auf schlechte Daten so positiv reagiert hat. Wer vor dem Arbeitsmarktbericht noch nicht an eine nahende Rezession geglaubt hat, konnte sich der Möglichkeit danach nicht mehr verschließen. Trotzdem wurden Aktien erst einmal gekauft.

Das macht in der Theorie überhaupt keinen Sinn. Eine Rezession bedeutet für Unternehmen nichts Gutes. Die Nachfrage lässt nach und die Gewinne schrumpfen. Da lassen sich kaum höhere Bewertungen rechtfertigen. Genau das ist aber geschehen. Die Kurse sind ja gestiegen. Dadurch ist die Bewertung ebenfalls gestiegen, obwohl sich die Aussichten eingetrübt haben.

Das ist kein neues Phänomen. Der Markt tendiert zu einer relativ guten Performance, wenn eine Rezession naht. Bis zuletzt wird gekauft (Grafik 1). Das war 2007 nicht anders. Das zyklische Hoch wurde ganz knapp vor Rezessionsbeginn erreicht.


Der Grund dafür ist schnell gefunden. Es sind Zinssenkungsfantasien. Eine drohende Rezession nötigt die Notenbank zu Zinssenkungen (Grafik 2). Ihr Mandat ist Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Schrumpft die Wirtschaft, kann das Ziel nicht erreicht werden. Die Wirtschaft muss angeschoben werden.

Anleger reagieren auf die Aussicht auf Zinssenkungen positiv. Dabei ist es vollkommen unerheblich wie es um die Realwirtschaft steht. Es ist wie ein Reflex. Dieser Reflex ist übrigens nicht neu. Er existiert seit jeher. Die positive Marktreaktion am Freitag hat nichts damit zu tun, dass der Markt am Tropf der Notenbank hängt.

Die Marktreaktion unterscheidet sich heute nicht von der der Vergangenheit. Wenn schlechte Neuigkeiten gut aufgefasst werden, handelt es sich um Hoffnung. Anleger hoffen jetzt, dass die Zinssenkungen noch früh genug kommen und eine Rezession abgewendet werden kann. Gelingt das, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um Aktien zu kaufen.

Derzeit gibt es viele Hinweise auf eine Rezession. Sie ist aber nicht garantiert. Daher regiert die Hoffnung. Nun muss die Notenbank erst einmal liefern. Das kann den Markt noch eine Zeit lang tragen. Erst danach wird es kritisch. Bleibt es dabei, dass schlechte Nachrichten aus der Wirtschaft kommen, dreht das Sentiment.

Aus Hoffnung wird Erkenntnis. Kommen immer neue schlechte Nachrichten aus der Wirtschaft, wird irgendwann erkannt, dass die Hoffnung, dass die Rezession abgewendet werden kann, unberechtigt waren. Schlechte Neuigkeiten werden dann nicht mehr gekauft, sondern verkauft.

Für den Aktienmarkt bedeutet das in den kommenden Wochen und vielleicht sogar Monaten Rückenwind. Es kommt ganz darauf an wie schnell die Notenbank reagiert und wie sich die Fundamentaldaten entwickeln werden.

Typisch wäre nun eine letzte Hoffnungsrallye. Danach stellt sich heraus, dass die Rezession nicht abgewendet werden kann. Anleger beginnen zu verkaufen. Aus Hoffnung wird erst Erkenntnis und am Ende Angst.

Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt wissen, ob es zu einer Rezession kommt. Im typischen Verlauf eines Konjunkturzyklus haben Anleger nun aber die letzte Chance, Gewinne mitzunehmen, bevor der Markt kippt.

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2 Kommentare

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  • Bigdogg
    Bigdogg

    klingt plausibel Herr Schmale.....einen etwaigen nächsten Anstieg gilt es zum Abschied zu nutzen. Wenn man das Risiko für die paar Prozent die da möglich erscheinen überhaupt eingehen will.

    22:01 Uhr, 12.06.2019
  • new-agens
    new-agens

    Fragt sich, die wievielte "letzte Hoffnungsrallye" schon gelaufen ist. Ich zähle bisher 3...hatte nicht diese legendäre NASA-Methode genau diese drei Tops vorausgesagt, bevor es bis 2029 Rolltreppe abwärts geht? Sollte sich Trump nicht nur in China (Xi Jinping wollte ihm doch "die Fre*** einschlagen") ´ne blutige Nase holen, sondern auch bei der FED (auch die lachen den aus oder lassen ihn zumindest zappeln?) - tja, dann war´s das nach oben hin. Und dann natürlich auch für Trump, da braucher 2020 gar nicht erst antreten, egal, wieviel Kriege er vorher noch anzetteln sollte. Apropos: Ein solcher täte dem Ölpreis natürlich gut, der schaut aktuell eher bescheiden bis grauslich aus.

    15:01 Uhr, 12.06.2019

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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