Analyse
11:24 Uhr, 10.07.2015

Schäuble zu Lew: Nehmen Puerto Rico, wenn ihr Griechenland nehmt

Vielleicht ist es ratsam, auf internationaler Ebene etwas Vorsicht walten zu lassen, oder doch nicht? Schaut man auf die Hintergründe, dann muss man sagen, Schäuble hat sich da genau überlegt, was er da gesagt hat.

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MNI gab gestern folgendes Zitat von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wieder:

Schäuble: Bat Lew (dem US-Finanzminister) an, Puerto Rico zu nehmen, wenn die USA Griechenland nehmen

Puerto Rico? Das Land zeigt Ähnlichkeiten zu Griechenland. Sie haben auch den US-Dollar, gehören aber nicht zu den USA, die Anleihemärkte brechen dort gerade ein, weil dem Land das Geld ausgeht. Am Montag ist ein Krisengipfel anberaumt und da will man ausloten, wie die bestehenden Schulden Puerto Ricos restrukturiert werden können, und zwar bis zum 31. August 2015.

Fünf Jahre lang haben die westlichen Rating-Agenturen Puerto Rico gewarnt, seine Hausaufgaben zu machen. Also reagierte die Regierung in San Juan, entließ 33,000 Beamte, drei Jahre später hob es den Unternehmenssteuersatz auf 39% an und erhöhte die Kosten für Wasser um 60%. Im selben Jahr wurden die Stromkosten um das Doppelte des US-Satzes erhöht, auf 29 US-Cents pro Kilowattstunde. Das Renteneintrittsalter wurde angehoben, außerdem wurden die Rentenbezüge und Sozialzahlungen der Regierung eingeschränkt. Am 1. Juli, also vor neun Tagen, führte man eine Umsatzsteuer von 11,5% ein. Man schlug sogar eine Strafsteuer für dicke Kinder vor.

Das Ergebnis der Austerität klingt ähnlich wie an anderer Stelle: Trotz aller Bemühungen wurde Puerto Ricos Bonitätsnote auf Ramschniveau gesenkt. Wenn man den Gipfel der BRIC-Staaten gestern in Russland verfolgte dann weiß man an dieser Stelle sehr genau, warum Brasilien, Russland, Indien und China eine eigene Ratingagentur gründen wollen. Die Gesamtverschuldung, deren Zinsbelastung jetzt in den Himmel steigt, beträgt 73 Milliarden USD oder 20.278 USD pro Bürger, rechnet man es nur auf die erwerbstätige Bevölkerung runter und zählt man Zinskosten zum aktuellen Marktsatz hinzu kommt man auf eine Pro-Kopf-Verschuldung von 168.471 USD - niemals wird das abgetragen werden können.

In Puerto Rico sieht man es so: Die Gängelungen der Ratingagenturen und die dadurch gestiegenen Zinskosten sind nur die neueste Form der Besteuerung der Puerto Ricaner. Der Gouverneur Puerto Ricos, Garcia Padilla, sprach in einer Rede am 29. Juni von weiteren Senkungen von Sozialausgaben, öffentlich-privaten-Partnerschaften und der Schaffung eines neuen Kontrollgremiums, womit ausländischen Investoren und Banken Zugang zu Puerto Rico gegeben werden könnte.

Der Krueger-Report

Die Reformvorschläge gehen zurück auf einen Bericht von Anne O. Krueger. Sie war Verwaltungsdirektorin des Internationalen Währungsfonds und Chefökonomin der Weltbank. Einer der Co-Autoren des Reports, Ranjit Teja, ist als Verwaltungsdirektor aktuell beim IWF tätig.

Auf Seite 17 des Berichts wird die Abschaffung des Mindestlohns, oder mindestens die Absenkung auf 1/3 des jetzigen Niveaus gefordert. Das würde einem Mindestlohn von 2,42 USD pro Stunde entsprechen. Der Bericht schlägt auch einen Beschnitt der Bezahlung von Überstunden, Urlaub und Boni vor. Das staatliche Gesundheitsprogramm müsse beschnitten werden, ebenso wie Zuschüsse für den Hausbau und andere Sozialausgaben.

Das ausländische Kontrollgremium solle von Mitgliedern innerhalb und außerhalb des Commonwealth bestehen. Dieses Gremium solle mit "Sonderrechten" ausgestattet werden, um beschlossene Maßnahmen durchsetzen zu können.

Schalten Sie live zu GodMorning am Montag um 8 Uhr ein. Außerdem gibt es von uns um 9 Uhr am Montag ein Live-Webinar (Anmeldelink).

14 Kommentare

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  • mkgeld
    mkgeld

    In den USA gehen Detroit und Kalifornien pleite und niemanden interessiert es auf der Welt. Dagegen ist Griechenland nichts oder nur ein Wurm. Welches Interesse verfolgen die Amis mit den Griechen überhaupt.

    10:29 Uhr, 13.07.2015
  • kingkong007
    kingkong007

    Ich hätte es sogar witzig gefunden.

    Aber dann die Aussage von Schäuble über seinen Kumpel Jack Lew:

    Er dachte, es wäre ein Scherz ,so ist das mehr als bedenklich.

    Mehr Verachtung kann man dem griechischen Volk nicht entgegenbringen.

    Wie Bildung ohne den nötigen Verstand funktioniert sieht man ja.

    13:21 Uhr, 10.07.2015
  • Frutzi
    Frutzi

    In Puerto Rico und Griechenland arbeiten 30-50 % Prozent schwarz. Da kann man sparen so viel man will. In Spanien sind es ca.28%.

    Von wegen ausplündern. Regierungsbeamte gehen mit 45 in Rente.

    Schaffner haben ein Eingangsgehalt von 5000 Euro.

    Um einen Gewerbeschein zu erhalten braucht man die Unterschriften von 21 verschiedenen Behörden und alle halten kräftig die Hand auf. etc. etc. etc.

    12:35 Uhr, 10.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    aber zur Aussage Schäubles, die hab ich ja heute früh etwa ausführlicher auch bei Hr Hoose reinkopiert, muss man sagen, endlich mal ein Politiker, der den Mumm hat zu sagen: " liebe Amis, bevor Ihr Euch (und das aus reinem Eigennutz --> damit u.a. die IWF Milliarden nicht abgeschrieben werden müssen) in unsere Angelegenheiten einmischt und uns erzählt wie das Leben funktioniert, erledigt doch bitte erstmal eure eigenen Hausaufgaben.

    RESPEKT!

    12:33 Uhr, 10.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    gleiche Systematik wie in GR. verschulde ein Land so hoch, dass es niemals tilgen kann und du hast einen ewigen Zinszahler, den Du nach Lust und Laune aussaugen und ausplündern (seine Assets und Rohstoffe zu Billigstpreisen einkaufen) und jederzeit erpressen kannst. Wenn Du es schaffst, auch noch seine Löhne weit unter Dein Niveau zu senken und seine Waren importierst, hast Du Dir sogar einen eigenen Sklavenstaat geschaffen. geniales Geschäftsmodell des IWF.

    Was bin ich froh, dass wir in einer Demokratie leben, in der so etwas nicht möglich ist.

    12:26 Uhr, 10.07.2015
  • 0815
    0815

    Noch eine Frage Herr Stanzl - haben Sie das Format Börsen Show mit Markus Gabel wieder eingestellt oder nur ausgesetzt? Fand das immer recht unterhaltsam.

    12:19 Uhr, 10.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • 0815
    0815

    Das Signal Schäubles ging wohl an die Einmischung Obamas Clintons Stieglitz und Konsorten. Jeder kehre vor seiner eigenen Haustüre. Kann ich durchaus nachvollziehen. Was geht es die da übern Teich an wie sich die EUrozone intern verhält. Außerdem sind die Griechen nicht grade ein einfacher Verhandlungspartner.

    12:16 Uhr, 10.07.2015
  • 1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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