Kommentar
08:55 Uhr, 15.06.2015

Schäuble prescht vor: Staatspleiten in der Eurozone kein Tabu mehr?

Finanzminister Wolfgang Schäuble will Lehren aus der Griechenland-Krise ziehen und eine Insolvenzordnung für Staaten der Eurozone einführen. Dies könnte aber erst recht für Unruhe sorgen.

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Die nächsten Wochen werden brisant. Nicht nur ist die erste Staatspleite der Eurozone in Athen greifbare Realität geworden. Marktunruhen drohen auch aus Deutschland.

Denn Wolfgang Schäuble, deutscher Finanzminister und vielleicht einer der letzten verbliebenen fiskalischen Hardliner Europas, will die bisher immer totgeschwiegene Möglichkeit der Insolvenz eines Mitgliedsstaates der Eurozone rechtlich regeln. Und dabei die Haftung der anderen Mitgliedstaaten begrenzen. Mit anderen Worten: Den Löwenanteil der Verluste bei einer Pleite sollen die Privaten tragen, die die Anleihen gekauft haben. Das berichtet der Spiegel.

Nun ist dagegen prinzipiell überhaupt nichts einzuwenden. Genauso muss es sein. Es steckt aber erheblich Zündstoff in der Debatte. Denn die Entwicklung der letzten Jahre lief genau in die entgegen gesetzte Richtung.

Die errichteten “Rettungsinstrumente” EFSF und ESM, in Teilen das Anleihekaufprogramm der EZB, all das war und ist ein Schritt in Richtung de facto Eurobonds. Also kollektive Haftung aller für alle. Die Konsequenz daraus war eine Annäherung der Renditen. Abgesehen von Griechenland, liegen die Anleiherenditen der Länder der Eurozone recht nahe beieinander. Jedenfalls viel näher als jemals in der Geschichte zuvor.

Das Vorpreschen von Schäuble, sollten sich die Berichte bestätigen, könnte nun für neue Unruhe sorgen. Denn wenn Investoren den Ausfall von Staatsanleihen fürchten müssen, die bisher eigentlich als quasi ausfallsicher galten, werden die Anleger unweigerlich höhere Renditeaufschläge verlangen. Der Spread zwischen den Anleihen des “sicheren” Lagers um Deutschland und den Krisenstaaten würde wieder deutlich zunehmen.

Besonders die EZB wäre darüber sicherlich nicht glücklich. Sie hat alles getan, um die Renditen der Südländer nach unten zu drücken. Über diesen Sidekick Schäubles zur Unzeit wird Maro Draghi nicht happy sein.

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Es wird aber abzuwarten sein, ob sich Schäuble überhaupt durchsetzen kann. Denn der deutsche Finanzminister ist europaweit zwar geachtet, aber wohl kaum geliebt. Seine politische Karriere neigt sich langsam dem Ende entgegen und in der Griechenlandfrage kam es zuletzt auch zu heftigen Spannungen mit Kanzlerin Angela Merkel.

Merkel, selber alles andere als eine Hardlinerin, dürfte ihren Ruf als Eiserne Lady und Sparmeisterin Europas zu einem Gutteil Schäuble verdanken. Fällt Schäuble weg, könnte sogar die “Austeritätspolitik” in Frage gestellt werden.

Ende der Sparpolitik und Abtritt von Schäuble als Finanzminister? Oder Einführung einer Insolvenzordnung für Staaten und Rückkehr der Unruhe an den Märkten?

Mit anderen Worten: Wird Merkel Schäuble opfern?

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20 Kommentare

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  • Investor
    Investor

    Das Insolvenzrecht hat das Potential die Eurozone zu sprengen. Wie sie richtigerweise sagen, bedeutet dies unterschideliche Zinsen in den einzelnen Ländern

    - Ein Unternehmen in einem "Risiko"land müsste höhere Zinsen als sein Konkurrent in D zahlen.

    - Steigende Zinsen werden dann zu einer Geldflucht aus diesen Ländern führen. innerhalb des Euros läßt sich dies nurr durch Kapitalverkehrskontrollen lösen.

    - Dies hat die Konsequenz das die Steuereinnahmen der Länder mit weniger Industrie sinken, und damit die Schulden die Regierung weiter belastet und letztlich zu internen Sparprogrammen führen.

    - Da die Zahl der Rentner in Europa in Relation zu den Beschäftigten deutlich ansteigt (2020 verdoppelt) führt dies zu institutionalisierten Rentenkürzungen.

    - Unser Problem ist wirtschaftlich jedoch mangelnde Nachfrage, die sich dadurch verstärken würde.

    Sinnvoller wäre es jedoch, die fehlenden Regeln für die Eurozone auszugestalten:

    - Synchronität der Lohnstückkosten ... damit bleibt Industrie innerhalb Europas wettbewerbsfähig

    - Regelbasierter Mechanismus, daß Leistungsbilanzüberschüsse eines Landes in die Länder mit Defiziten als Förderkredite zurückfliessen (zB Förderbank)

    Alles andere sprengt letztlich den Euro. Insolvenzrecht würde zwar zu einem Vorteil D führen aber dann sorgt die hohe Arbeitslosigkeit und die Sparpolitik für die Spengung der Eurozone.

    13:25 Uhr, 15.06.2015
  • student
    student

    Ein Land/Unternehmen/Privater ist nicht mehr kreditwürdig, wenn es seinen Zahlungsverpflichtungen aus den Überschüssen seines Wirtschaftens nicht mehr nachkommen kann.

    Dann werden nur noch Vermögensreserven abgebaut - bis zum banco rotto.

    11:37 Uhr, 15.06.2015
  • fehu001
    fehu001

    Der IWF drückt das so aus: ----- Die Europäer müssen neues Geld bereitstellen und auf altes Geld verzichten.

    Wenn die Griechen damit durchkommen, werden sich später andere Länder daran orientieren und werden uns genau so erpressen.

    - Der Islam gehört zu Deutschland
    - GR muss im Euro bleiben
    - ich habe von der NSA Schnüffelei nichts gewusst

    Evtl schickt man Erika ja na vorne, damit sie das Gegenteil davon behauptet, was wirklich kommt.

    10:55 Uhr, 15.06.2015
  • 1 Antwort anzeigen
  • Rolli1001
    Rolli1001

    Nach Merkelscher Methodik steht Mr Schäuble kurz vor dem Rausschmiss. Gibt's genug Beispiele. Andere Positionen vertreten führen zur Abmahnung und falls da noch keine Einsicht kommt, dann Beendigung der Zusammenarbeit.

    Ich bin der Meinung, dass eine Gemeinschaft Regeln braucht und dazu gehören auch Kündigungen mit allen Folgen. Ein Festhalten, weil es sowas nicht geben darf ist die falsche Politik. Die Väter der EU und des EURO haben an sowas nicht gedacht, ganz schön blauäugig.

    11:52 Uhr, 13.06.2015
    1 Antwort anzeigen
  • einfach
    einfach

    zuerst einmal sollte in jeder regierung überlegungen angestrebt werden, in welchem maße des bruttoinlandproduktes eine zinslose staatsverschuldung aufgenommen werden kann, die in den folgejahren durch eine angepasste steuerpolitik wieder auf null zurück geführt werden kann.

    jedes stück staatsanleihen den die ezb, fed, boj oder boe in ihren büchern hat ist staatsfinanzierung. und das regulativ was für ein schönes wort ist nicht der markt sondern die zentralbanken,

    denn die zentralbanken geben die marktzinsen vor.

    wenn sie jetzt argumentieren das dass nicht für die langlaufenden zinsen gilt, so ist das nur auf den ersten blick so auf den zweiten blick zeigt sich dass die zentralbanken auch die langfristigen zinssätze in jede gewünschte richtung drücken können. siehe vergangenheit.

    ein ganz tolles beispiel für die regelmöglichkeit für langfristige zinssätze die locker ins minus gedrückt wurden konnten ist die schweitzer nationalbank. die schweitzer druckten franken ohne ende um euros zu kaufen.

    mir scheint es so, dass sie sich gedanklich noch nicht von dem alten geldsystemen die einmal auf einer golddeckung basierten. auf das neue nicht auf gold sondern auf vertauen basierte geldsystem umstellen konnten. denn nur mit diesem geldsystem ist das was die letzten 45 jahre passiert ist möglich.

    was die inflation anbelangt so hat es jedes land oder währungsraum selbst in der hand wie hoch oder niedrig seine währung zu einem referenz system ( beispiel szr vom iwf) in dem weltweit handelbare wahren abgerechnet werden können steht.

    10:54 Uhr, 13.06.2015
    1 Antwort anzeigen
  • einfach
    einfach

    eine frage an den verfasser dieses und anderer gleichlautender berichte, warum sind sie alle so versessen darauf dass staatsanleihen von privaten investoren gekauft werden und nicht von der zentralbank zu null prozent zinsen ausgegeben werden.

    die rückzahlung erfolgt doch sowieso vom gesamten steueraufkommen.

    es ist in einem auf vertrauen basierenden geldsystem absolut unlogisch für staatsverschuldungen zinsen zu verlangen.

    zinsen auf staatsanleihen sind doch nur ein leistungsloses bonbon für vermögensbesitzer.

    wenn geld mit geld verdient werden soll dann bitte mit investitionen, die einen möglichen gewinn erwirtschaften.

    09:30 Uhr, 13.06.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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